Ausland06. April 2022

Auf der Suche nach der Wahrheit

Über Angriffe gegen unsere Zeitung und Ungereimtheiten in der Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine

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Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, Zentralorgan der deutschen Großkonzerne, ist wieder einmal auf die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« aufmerksam geworden. Ein gewisser Herr Z. hatte sich bereits am 15. März darüber empört, daß es in Luxemburg eine Zeitung gibt, die nicht stromlinienförmig die von den Propagandaorganen der USA, der Ukraine, der NATO und der EU verbreiteten »Nachrichten« über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine weitergibt, sondern sich auch eine eigene Meinung erlaubt.

Nachdem in der vergangenen Woche Medienminister Bettel einen Vorstoß zweier CSV-Abgeordneter, der »Zeitung« die staatliche Pressehilfe zumindest zu kürzen, mit Verweis auf das geltende Pressegesetz zurückgewiesen hat, legte Herr Z. am Freitag noch einmal nach. »Luxemburg finanziert Putin-geneigte Zeitung«, hieß es am 1. April bei »FAZ online«. Und dann zählt er die aus seiner Sicht unverzeihlichen Verfehlungen der »Zeitung auf:

»Jüngst wurde dem ukrainischen Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, vorgeworfen, den Krieg eskalieren zu wollen. In Frankreich bahnten sich, hieß es in der Zeitung, für die Waffenschmieden des Landes „Bombengeschäfte“ an. Den Tod von Madeleine Albright kommentierte das Blatt mit dem Hinweis, dass sie zu den führenden Architekten der „NATO-Ausdehnung in Richtung Russland gehörte“.«

Medienpluralismus in der Praxis

Nunja, daß der Herr Botschafter Melnyk in Berlin tagtäglich zündelt, ist allerdings schon anderen Leuten aufgefallen als uns. Entgegen allen für Diplomaten geltenden Regeln erteilt er dem Kanzler Anweisungen, ist pausenlos mit der Forderung nach mehr Waffen in sämtlichen Medien präsent, kritisiert den Bundespräsidenten, weil er angeblich zu rußlandfreundlich sei. Es geht ihm eindeutig darum, den Krieg zu eskalieren. Wenn nicht, kann Herr Z. gern das Gegenteil beweisen.

Was ist falsch daran, wenn wir feststellen, daß Frankreichs Waffenschmieden Bombengeschäfte machen? Immerhin ist die französische Rüstungsindustrie auch an diesem Krieg beteiligt, vom Mittelmeer aus starten Flugzeuge vom Flugzeugträger »Charles de Gaulle« zu Flügen entlang der »Ostflanke der NATO«. Und Griechenlands Regierung, die ohnehin eines der höchsten Militärbudgets in der NATO zu verantworten hat – laut NATO-Angaben immerhin 3,5 Prozent des BIP – hat erst kürzlich Verträge über den Kauf von französischen Kriegsschiffen und Kriegsflugzeugen unterzeichnet.

Auch über die verstorbene Ex-Außenministerin haben wir die Wahrheit geschrieben. Ihr Anteil an der NATO-Osterweiterung ist unbestritten – hinzuzufügen wäre allerdings ihre Rolle bei den Vorbereitungen des Angriffskrieges der NATO gegen Jugoslawien und des Angriffskrieges der USA gegen den Irak.

Herr Z. ist offenbar sauer darüber, daß es in dem kleinen Luxemburg eine Tageszeitung gibt, die sich nicht von Herrn Selenskis Einheitsnachrichten vereinnahmen läßt. Und zumindest dieser Satz aus seinem Artikel stimmt: »In der Zeitung wird der russische Angriffskrieg zwar abgelehnt, dies aber mit einer Reihe von Einschränkungen versehen.« Das nennt man Medienpluralismus, Herr Z. Und im Interesse des Medienpluralismus, zur Vermeidung einer gleichgeschalteten Presse, gibt es in Luxemburg ein Pressegesetz.

Anstachelung der Kriegshysterie

Und wir weisen weiter auf Ungereimtheiten hin: Während Außenminister Asselborn auf seiner Pressekonferenz am Montag laut »Luxemburger Wort« pflichtgemäß seine »scharfe Verurteilung des Massakers in der ukrainischen Kleinstadt Butscha« ausdrückte und sich dazu verstieg, von einer »Safari auf Menschen« zu sprechen, häufen sich die Indizien, daß mit den Berichten, Fotos und Videos aus der Kiewer Vorstadt etwas nicht stimmen kann. Immerhin hatte der Bürgermeister der Stadt am 31. März mit einem Video freudestrahlend über den Abzug der russischen Soldaten berichtet und den Faschistengruß »Ruhm der Ukraine« in alle Welt geschickt. Wenn dort Hunderte Leichen auf den Straßen der 30.000-Einwohner-Stadt gelegen hätten – warum sagt er dann kein Wort darüber?

Noch am 2. April veröffentlichte die ukrainische Polizei ein Video über die »von den Russen befreite Stadt«. Auch hier werden Opfer eines russischen Massakers weder gezeigt noch erwähnt. Erst am Abend desselben Tages tauchen dann Bilder und Videos auf, die seitdem das Gewissen der Menschheit aufrütteln sollen. Viele Fragen ließen sich stellen, jedoch nicht schlüssig beantworten. Die Forderung nach Aufklärung und unabhängiger Untersuchung sind obsolet, solange das Urteil offensichtlich bereits feststeht.

Die Politiker und Medien, die jetzt die Berichte über Butscha nutzen für eine weitere Anstachelung der Kriegshysterie, haben ihr Ziel ganz klar erreicht. Ganz gleich, welche Indizien gegen die Zurschaustellung des Elends des Krieges sprechen, ganz gleich, welche Bemühungen unternommen werden, um die Ungereimtheiten aufzudecken – Rußland ist schuld. Putin gehöre vor ein Kriegsgericht, tönt der USA-Präsident, der selbst eine gehörige Mitschuld trägt an tausenden Toten zumindest in den Kriegen der USA und der NATO im Irak, in Afghanistan, in Libyen.

Eindeutiger Punktsieg für die USA in ihrem Wirtschaftskrieg gegen Rußland, gegen China – und auch gegen die EU. Eindeutiger Punktsieg für die Rüstungslobby, für die Ölkonzerne und für schmutziges Fracking-Gas aus den USA, das russisches Gas von Markt der EU verdrängen soll.

Wie hoch ist der Wahrheitsgehalt von Nachrichten über den Krieg?

Wir maßen uns nicht an, darüber zu entscheiden, wer eventuell »fake news« verbreitet, noch können wir entscheiden, wie hoch der Wahrheitsgehalt von Nachrichten über den Krieg ist. Aber wir nehmen uns das Recht, Zweifel zu äußern und Fragen zu stellen.

Zum Beispiel darüber, warum es möglich ist, daß trotz des angeblichen Abzugs der Militärberater der USA immer noch derartige »Experten« offenbar in der Ukraine tätig sind. In der vergangenen Woche berichtete eine US-amerikanische Quelle, daß Militärberater aus den USA und Britannien zusammen mit französischen Geheimdienstleuten bei den Kämpfen um die Stadt Mariupol gefangengenommen wurden. Sie waren offenbar dort tätig, um die Führung des hauptsächlich aus Faschisten bestehenden Bataillons »Asow« zu unterstützen. Laut vorliegenden Berichten, deren Wahrheitsgehalt sich nicht verifizieren läßt, sind einige dieser Leute bei dem Versuch ums Leben gekommen, sich mit ukrainischen Helikoptern ausfliegen zu lassen. Einer dieser Hubschrauber sei mit einer Stinger-Rakete abgeschossen worden, heißt es. Einer Rakete, die russische Truppen zuvor von der ukrainischen Armee erbeutet hatte.

Zwei der Opfer des Abschusses sollen Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes DGSE gewesen sein. Wenn das zutrifft, läßt sich auch erklären, warum sich Präsident Macron wenige Tage zuvor in einem Telefonat mit Präsident Putin für Möglichkeiten einer Evakuierung aus Mariupol eingesetzt hat.

Keine Beachtung in den Medien fand übrigens die auch von dpa verbreitete Meldung, daß der ukrainische Präsident in der vergangenen Woche zwei ehemalige Generale des Geheimdienstes degradiert hat. Einer der beiden wurde laut dpa bei dem Versuch geschnappt, sich aus der Ukraine abzusetzen. Bei der Ausreise wurden bei ihm falsche Papiere gefunden, in denen sein Dienstgrad als Gefreiter angegeben wurde. »Ich habe keine Zeit, mich mit Verrätern zu befassen«, wird Selenski von dpa zitiert, was darauf hindeutet, daß es sich bei den beiden Ex-Generalen nicht um die einzigen Abtrünnigen handelt.

Unserer Zeitung geht es nicht nur darum, die Ablehnung des Krieges, auch und gerade des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, als Mittel der Politik abzulehnen. Es geht auch darum, auf die weitreichenden Folgen dieses Krieges hinzuweisen, letztlich auch auf die Folgen für das Leben der Menschen hierzulande, auf die steigenden Ausgaben für das Militär, Mittel, die zur Lösung der akuten sozialen Probleme im eigenen Land fehlen.