Ausland06. Juni 2023

Skandal erschüttert Rom

Parade mit »römischem Gruß« zum Tag der Republik

von Gerhard Feldbauer

Angehörige des Comando Subacquei e Incursori (COMSUBIN), einer Spezialeinheit der italienischen Marine, haben während der Parade zum 77. Jahrestag der Republik am 2. Juni in Rom den faschistischen Gruß, den erhobenen rechten Arm, mit dem sich der »Duce« grüßen ließ, gezeigt und »Decima« gerufen. Das COMSUBIN ist eine Nachfolge-Truppe der »Decima Flottiglia MAS«, der in der faschistischen »Salo-Republik« (RSI) zur Partisanenbekämpfung eingesetzten Torpedoboot-Flottille.

Die preisgekrönte sardische Schriftstellerin Michela Murgia, eine entschiedene Antifaschistin und Meloni-Gegnerin, hat diesen Skandal am Wochenende in einem Post öffentlich gemacht. Sie veröffentlichte ein Video mit dem Titel »Die Parade beginnt mit dem römischen Gruß«, berichtet »Il Manifesto«. Die »Decima«-Rufe beziehen sich auf die »Decima MAS«, die unter dem Kommando des adligen faschistischen Marineoffiziers Junio Valerio Borghese in der »Sozialrepublik« des Diktators Mussolini an der Seite der deutschen Faschisten gegen die Alliierten und gegen die italienische Resistenza kämpfte, fügte das linke Blatt hinzu.

Der wegen 800-fachen Mordes an Partisanen im Jahr 1950 von einem italienischen Gericht als Kriegsverbrecher verurteilte, später freigelassene Borghese war später Ehrenpräsident der in Gestalt des »Movimento Sociale Italiano« (MSI) 1945 wieder gegründeten faschistischen Mussolini-Partei, aus der letztlich die Partei »Brüder Italiens« (FdI) der heutigen Premierministerin Giorgia Meloni hervorging. Borghese war für seine »Verdienste« bei der Bekämpfung des antifaschistischen Widerstands und bei der Kollaboration mit den deutschen Besatzern mit dem Eiserenen Kreuz 1. Klasse und anderen »Ehrenzeichen« der Nazis ausgezeichnet worden.

Das Video zeigt den Präsidenten des Senats, Ignazio La Russa von der FdI Georgia Melonis, der auf der Tribüne lächelt, in die Hände klatscht und mit den Fingern das Siegeszeichen zeigt. Dies alles geschah »unter den Augen des teilnahmslos zuschauenden Präsidenten Mattarella«, schreibt »Il Manifesto«. Das Video, das sofort viral ging und Tausende von Kommentaren und Shares erhielt, habe Diskussionen, Kontroversen und scharfe Reaktionen der Rechts-Partei FdI ausgelöst, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA.

Quellen aus militärischen Kreisen bestreiten die Interpretation der Autorin, schreibt die staatliche Nachrichtenagentur. Es habe weder einen faschistischen Gruß gegeben, noch eine Entschuldigung für die Flottille des Kommandanten Junio Valerio Borghese. Kriegsminister Guido Crosetto, ein Unternehmer aus der Partei FdI, bezeichnete die Vorwürfe als »absurd« und behauptete, es sei ein militärischer Gruß gewesen, der mit dem »römischen Gruß« verwechselt werde.

Emiliano Arrigo, Sprecher des Senatspräsidenten Ignazio La Russa, beschuldige die anerkannte Autorin, »wüste Anschuldigungen, Paranoia und Fake News« zu verbreiten. Obendrein versuchte er, von den Verbrechen der »Decima MAS« unter Borghese abzulenken und behauptete, daß das heutige COMSUBIN aus einer Gruppe von Matrosen der »Decima MAS« hervorging, die nach der Kapitulation Italiens und dem Kriegseintritt gegen Hitlerdeutschland im Oktober 1943 an der Seite der Achsenmächte gekämpft hätten.

Michela Murgia bekräftigte, die »Decima«-Rufe seien aus den Reihen der an der Parade teilnehmenden COMSUBIN-Einheit gekommen. Dies sei »alles normal«, dieser »Normalisierungsprozeß« laufe schon seit Jahren. Sie erinnerte daran, daß Senator La Russa sich zum Erbe des »Duce« bekennt, und daß er in seinem Haus eine Büste Mussolinis stehen hat.

Wem die zutiefst politische Bedeutung des Videos nicht klar ist, der solle auf Wikipedia nach »Decima Flottiglia MAS« suchen, schreibt Michela Murgia. Dort sei auch nachzulesen, daß besagter MSI-Vize in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1970 mit einem »Colpe Borghese« genannten Staatsstreich versuchte, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen, ein faschistisches Regime wiederzuerrichten und sich als dessen Präsident ausrufen zu lassen. Zur Unterstützung der geheimen Operation, die nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor den Codenamen »Operation Tora Tora« erhielt, standen damals Kriegsschiffe der USA und der NATO im Mittelmeer unter Alarmbereitschaft.