Kubas neues Familiengesetz in Kraft getreten
»Ehe für alle« und Adoptionsmöglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare. Demokratisierung der familiären Beziehungen
Kubas neues Familiengesetz ist am Dienstag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt (Gaceta Oficial) in Kraft getreten. Zuvor hatten Präsident Miguel Díaz-Canel und Parlamentspräsident Esteban Lazo den »Código de las familias« im Palast der Revolution unterzeichnet. Die neuen Regelungen, die das bisherige Gesetz aus dem Jahr 1975 ablösen, waren am vergangenen Sonntag in einem Referendum von 66,8 Prozent der teilnehmenden Stimmberechtigten angenommen worden. Mit 74 Prozent lag die Wahlbeteiligung allerdings unter den 90 Prozent beim Referendum über die neue kubanische Verfassung im Februar 2019.
Angesichts der teilweise kontroversen Positionen in der kubanischen Gesellschaft zu einzelnen Bestimmungen der Novelle sei es nicht ausreichend gewesen, daß der Entwurf am 22. Juli von der Nationalversammlung gebilligt wurde, erklärte der Sekretär des höchsten gesetzgebenden Organs, Homero Acosta Álvarez. »Es war äußerst wichtig, daß er durch die direkte Abstimmung unseres Volkes angenommen und bestätigt wurde.«
In dem neuen Familiengesetz, das zu den fortschrittlichsten auf dem amerikanischen Doppelkontinent gehört, werden zum ersten Mal verschiedene Lebensentwürfe anerkannt und juristisch gleichgestellt. Damit ist die sozialistische Inselrepublik in der Karibik eines der ersten Länder Lateinamerikas, das die »Ehe für alle« und Adoptionsmöglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare offiziell zuläßt. Darüber hinaus garantiere das Gesetz einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen, erweitere die Rechte älterer Menschen und von Menschen mit Behinderungen, stelle sogenannte häusliche Gewalt unter Strafe und schaffe Instrumente für diejenigen, die ihr zum Opfer fallen, zählte das Internetportal Cubadebate weitere Neuerungen auf. Außerdem untersage es die Diskriminierung von Frauen und demokratisiere die familiären Beziehungen.
Neben einem besseren Schutz vor Diskriminierung und Gewalt wurden auch Bestimmungen zum Sorgerecht, zum Unterhalt, zur Adoption und zur künstlichen Befruchtung erstmals aufgenommen oder neu geregelt. »Der ›Código de las familias‹ erkennt die Vielfalt der Realitäten an, die heute in kubanischen Familien bestehen«, faßte Cubadebate die Regelungen zusammen.
Während die Botschaft der USA in Havanna am Montag in einer Mitteilung auf Twitter und Facebook anerkennend schrieb, »Wir begrüßen die Entscheidung des kubanischen Volkes, die Gleichstellung der Ehe und das Adoptionsrecht für alle Familien zu unterstützen«, versuchte das vom US-amerikanischen Einflußdienst NED finanzierte Contraportal »Diario de Cuba« das Ergebnis zu diskreditieren. »Der Sieg der Ja-Stimmen beim Referendum kam nach einer brutalen Propaganda der Behörden und der staatlichen Medien zugunsten dieser Option zustande, ohne daß den Nein-Stimmen Raum gegeben wurde«, kritisierte die von Systemgegnern in Madrid herausgegebene Internetzeitung. Gegen den Entwurf hatten vor allem evangelikale Sekten, aber auch die katholische Bischofskonferenz Kubas und aus den USA finanzierte Oppositionelle mobil gemacht.
Staatspräsident Díaz-Canel äußerte zwar Verständnis für die Wahlenthaltungen und betonte, die Ablehnung der Novelle sei eine legitime Position, wies aber darauf hin, daß Beteiligung und Zustimmung »trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage, der Migrationsbewegungen und der verständlichen Diskrepanzen zu den Inhalten des Kodex« ausreichend waren. »Das Kuba, das diesen Erfolg feiert, ist nach wie vor eine Nation, die von der USA-Blockade unter Druck gesetzt wird, die mit Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen hat und die unter ständigem Beschuß in einem Medienkrieg steht; aber es ist auch eine Nation, die sich durch die Kraft ihrer authentischsten Werte erneuert«, zitierte die »Granma«, die Tageszeitung der Kommunistischen Partei, den Präsidenten am Dienstag.
Nachdem der »Código de las familias« in Kraft getreten ist, erklärte Justizminister Oscar Silvera, daß nun die Umsetzungsphase beginne und sich die Juristen im ganzen Land darauf vorbereiten. Laut Silvera werden in Notariaten, Standesämtern, Eheschließungszentren und Anwaltskanzleien derzeit Bedingungen geschaffen, damit die neuen Regelungen zügig in der täglichen Praxis angewendet werden können.