Journalist, Historiker, Diplomat
Zum 90. Geburtstag von Gerhard Feldbauer
Es gibt eine merkwürdige Eigendynamik beim Machen einer Zeitung. Freie Autoren liefern Texte, und unter ihnen sind einige, die hauptsächlich ein einziges Thema beackern. Liefern sie mit Ausdauer, ist dieses Thema auch entsprechend häufig im Blatt präsent. Häufiger als andere Themen. Der Autor wird à la longue zum Experten und sein Thema ein tragendes.
Irgendwann gehört es zum prägenden Inventar.
In der Tageszeitung »junge Welt« – ebenso wie in der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« – lesen wir beispielsweise regelmäßig über Italien, über Vietnam und den Vatikan. Das liegt an Gerhard Feldbauer. Der war nämlich in den siebziger und achtziger Jahren Korrespondent in Rom und habilitierte sich 1981 mit einer Arbeit über den italienischen Faschismus.
Davor war er bis 1973 für die DDR-Nachrichtenagentur ADN und die Tageszeitung »Neues Deutschland« Korrespondent in Vietnam, also zu einer Zeit, als die USA dort Kriegsverbrechen begingen – Wälder vergifteten, Menschen ermordeten, die Menschenrechte mit Füßen traten.
Gerhard Feldbauers Beobachtungen und Erkenntnisse (genauso wie die seiner Frau Irene) flossen nicht nur in Zeitungstexte ein, sondern auch in seine Doktorarbeit über die Rolle der vietnamesischen Räte im nationalen Befreiungskampf und nach der »Wende« in diverse weitere Publikationen.
Es überrascht, daß er noch nie über Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) geschrieben hat, wo er doch ab November 1983 dort die DDR als Botschafter vertreten hatte. Jedenfalls fand ich unter den vielen Beiträgen und Büchern aus seiner Feder keinen Text, der sich mit dem zentralafrikanischen Staat befaßt, jedoch eben viele Beiträge zu Italiens Faschisten und Kommunisten.
Die zeigen nicht nur, daß er in der Materie steckt, sondern auch den Überblick behält. Das will schon was heißen. Vor allem in diesen Zeiten, wo man leicht den roten Faden verliert. Jene, denen der rote Faden bereits entglitten ist, werfen ihm ein »ungebrochenes kommunistisches Weltbild« vor und daß er »eine Fortsetzung seines alten DDR-Journalismus« betreibe. Das stellen sie ins Internet (beispielsweise in seinen Wikipedia-Eintrag) und Feldbauer damit an den Pranger.
Lieber ein ungebrochenes als gar kein Weltbild, und wenn es ein kommunistisches ist, umso besser. Es sichert den Durchblick: Der Mann hat seinen Marx und seinen Lenin gelesen und kann dialektisch denken.
Was aber heißt »Fortsetzung seines alten DDR-Journalismus«? Ich frage mich das, weil ich wie Gerhard Feldbauer mein Journalistendiplom in Leipzig gemacht habe. Haben wir erst nach 1990 schreiben und den »neuen BRD-Journalismus« gelernt, so wie wir bekanntlich erst nach dem Untergang der DDR hatten lernen müssen, mit Messer und Gabel zu essen?
Wer so etwas behauptet, dem sollte aufklärend gesagt sein, daß sich Journalismus einzig in guten und in schlechten scheidet. Gerhard Feldbauer ist, im Unterschied zu jenen, die ihn für seine klare Haltung kritisieren, ein Vertreter des guten Journalismus. Und dabei beweist er Anstand, Ausdauer und Aufrichtigkeit.
Wir gratulieren und ziehen, während andere fortwährend Gesslerhüte grüßen, vor einem namhaften Vertreter des »alten DDR-Journalismus« den Hut, der seine Überzeugungen nicht geopfert hat und ein engagierter Kämpfer für den Fortschritt geblieben ist. Am 29. März wurde Dr. sc. phil. Gerhard Feldbauer in Fulda neunzig Jahre alt. Chapeau.