Ausland11. Januar 2022

Heißer Winter in Italien

Transport- und Verkehrsbetriebe streiken am Freitag für höhere Löhne und sichere Arbeitsbedingungen

von Gerhard Feldbauer

In Italien hält der Widerstand gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die arbeitenden Menschen auch im neuen Jahr an. Für den 14. Januar werden die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe und des Transportsektors von 8.30 bis 12.30 Uhr die Arbeit niederlegen, um neue Tarifverträge, bessere und sichere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne durchzusetzen. Zu dem Ausstand haben die Branchengewerkschaften Filt Cgil, Fit Cisl, Uil Trasporti, UGL Luftverkehr und Basisgewerkschaften wie USB aufgerufen.

Der Streik soll in den Städten den Verkehr der Straßenbahnen, Busse, U-Bahnen, den Nah- und Fernverkehr der Eisenbahnen, Schiffslinien und den Flugverkehr vier Stunden lahmlegen. Sowohl die Arbeiter der Transportunternehmen als auch selbständiger Fuhr-Betriebe sind aufgerufen, ihre Dienstleistungen für Konzerne in Industrie und Handel zu unterbrechen. Bei Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen sollen die Räder von 0 bis 24 Uhr stillstehen. Es wird erwartet, daß sich das landesweit auf alle Wirtschaftszweige auswirken wird.

Im Luftverkehr haben sowohl die Fluglotsen als auch alle Mitarbeiter des Flughafen- und Abfertigungsmanagement sowie diverser Mobilitätsdienste der ITA, Alitalia, Blueair, Bulgarian, Easyjet und die spanische Volotea sowie aller wichtigen Flughäfen des Landes erklärt, sich dem Streik anzuschließen. Damit wird an den römischen Airports, auf Sizilien, in Mailand-Malpensa, in Kalabrien Lamezia Terme und zahlreichen weiteren Flughäfen der An- und Abflug für wenigstens vier Stunden unterbrochen.

Mit dem Ausstand erheben die rund 11.000 Beschäftigten der früheren Alitalia ihre Stimme gegen die auf Geheiß der EU zugunsten der Konkurrenz von Lufthansa und Air France liquidierte nationale Fluggesellschaft, an deren Stelle die neu gründete Italia Trasporto Aereo (ITA) mit weniger als der Hälfte der 100 Maschinen und einem stark reduzierten Liniennetz gebildet wurde. Die ITA übernahm nur etwa 2.800 Beschäftigte der Alitalia. Während den Übrigen eine Wiedereinstellung 2022 versprochen wurde, erhielten Ende Dezember dagegen die ersten 1.350 ihre Kündigung. Die von ITA übernommenen Beschäftigten werden, wie das kommunistische Onlineportal »Contropiano« enthüllte, als »Ex Nuovo« (Neueinstellungen) behandelt. Ihre Verträge sehen in den nächsten drei Jahren Lohnkürzungen von 20 bis 30 Prozent im Vergleich zu ihren bisherigen Einkommen vor.

Im Transportsektor protestieren die Lkw-Fahrer unter der Losung »Nein zur Veränderung der Lenk- und Ruhezeiten! Ja zur Straßenverkehrssicherheit« auch gegen die im EU-Mobilitätspaket vorgesehene Flexibilisierung und ein komplettes Kabinen-Schlafverbot. Längere Rundläufe in Europa bedeuteten »weniger Ruhezeiten für die Lkw-Fahrer« und würden »alle anderen Verkehrsteilnehmer gefährden«. Dieser Verkehrsbereich ist, wie die staatliche Versicherungsanstalt gegen Arbeitsunfälle INAIL kürzlich einschätzte, mit einer Vielzahl tödlicher Arbeitsunfälle auf der Straße einer der gefährlichsten. Im ersten Halbjahr 2021 habe es nach offizieller Zählung 40 tödliche Arbeitsunfälle gegeben. Aber die Dunkelziffer liege mit 193 bedeutend höher, weil viele als normale Verkehrsunfälle registriert und vom Nationalen Arbeitsinspektorat nicht als Arbeitsunfälle erfaßt werden.

Im Transportsektor gibt es viele Lkw-Fahrer mit einem eigenen Fahrzeug, die in unsicheren Verhältnissen leben, mit einem niedrigen Einkommen zu kämpfen haben und sich am Rande der Armut bewegen. Viele landeten 2021 in der Statistik der eine Million in den Ruin getriebenen Selbständigen oder so genannten Kleinstunternehmer. Der Transportverband Unatras wies daraufhin, daß italienische Lkw-Fahrer im Schnitt 400 Euro weniger als zum Beispiel in Deutschland verdienen. Die großen Transportunternehmer unterlaufen ihre Forderungen nach höheren Löhnen durch die Bevorzugung von Ausländern, die zu Dumping-Löhnen arbeiteten.