»Syriens Helden«
Die »Weißhelme« – gut bezahlte Unterstützer von Gotteskriegern. Selbsternannte Hilfsorganisation im Dschungel von Korruption und Verschwendung
»Unterstützen Sie Syriens Helden. Die Weißhelme geben alles. Geben Sie Ihnen etwas zurück: eine Spende, die ihre lebensrettende Arbeit fördert«, heißt es auf der deutschen Webseite einer Hilfsorganisation, die umstrittener nicht sein könnte.
Für die einen sind die »Weißhelme« Helden, weil sie Menschen retten. Dafür wurden sie mit vielen Preisen geehrt. Raed Saleh, ihr Leiter, ist in den Korridoren der Macht der EU zu Hause. Er sprach im EU-Parlament, wurde im Élysée-Palast in Paris und im Auswärtigen Amt in Berlin empfangen.
Andere Stimmen bezeichnen die »Weißhelme« als »Terroristen« oder zumindest als eine Organisation, die terroristische Gruppen unterstützt, die in Syrien die Regierung stürzen wollen. Gefördert wird die Kritik dadurch, daß die »Weißhelme« ausschließlich in Gebieten Syriens arbeiten, die von Gruppen bewaffneter Regierungsgegner kontrolliert werden. Sie kooperieren eng mit dem »Syrischen Nationalrat«, der wiederum eng mit der islamischen Muslimbruderschaft, der Türkei und Katar und dschihadistischen Gruppen verbunden ist.
Finanziert werden die Weißhelme von Regierungen, die eigene Interessen im Krieg um Syrien verfolgen. Die Sponsoren – darunter die Regierungen von Britannien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Kanada, den USA und Katar, um nur einige zu nennen – zahlten Millionensummen auf das Konto der niederländischen Stiftung »Mayday Rescue Foundation« ein. Von dort, so die Annahme, wird das Geld an die »Weißhelme« im syrischen Kriegsgebiet weitergeleitet.
Allein die deutsche Bundesregierung zahlte zwischen 2016 und 2019 fast 20 Millionen Euro an die niederländische Organisation. Nun wurden von einem holländischen Gericht »Unregelmäßigkeiten« in der Buchführung und Mittelverwendung untersucht. Im Jahr 2018 seien »27 Prozent des gespendeten Geldes und 2019 sogar 33 oder 34 Prozent der Gelder nicht für die angewiesenen Ziele zur Verfügung gestellt« worden, hieß es in der Anfang Juli veröffentlichen Urteilsbegründung. Das Geld sei »für Kosten ausgegeben« worden. Laut interner E-Mail-Korrespondenz sei es um hohe Gehälter, Partys und finanzielle Zulagen für die Direktoren gegangen.
Ein Finanzbericht des Prüfunternehmens Grant Thornton kam Ende Mai dieses Jahres zu dem Schluß, daß es »keinen Beweis für die Unterschlagung von Mitteln« gebe. Allerdings gebe es »signifikante Lücken« in der Organisation und der internen Kontrolle von Mayday. Der finanzielle Ablauf sei teilweise nicht nachvollziehbar, Bargeschäfte nicht aufgeführt worden.
Das Auswärtige Amt in Berlin leitete eine externe Finanzprüfung ein und kam zu dem Ergebnis, daß »die Gelder der Förderung der Weißhelme zu Gute gekommen« seien. Deren Arbeit »für die syrische Zivilbevölkerung« müsse man von »Mayday Rescue« trennen, hieß es in einer Meldung der Deutschen Presseagentur. Die finanzielle Förderung von »Mayday Rescue« in den Niederlanden sei ausgesetzt, das Auswärtige Amt fordere Zinsen in Höhe von 49.596,92 Euro von der Stiftung zurück.
»Mayday Rescue« wurde gleich drei Mal von dem ehemaligen britischen Offizier James Le Mesurier gegründet. Eine Firma »Mayday Rescue« wurde 2014 in der Freihandelszone von Dubai registriert. Eine »Mayday Search and Rescue Training and Consultancy Services Ltd.« wurde im gleichen Jahr in der Türkei registriert. Die Stiftung »Mayday Rescue Foundation« entstand 2015 in den Niederlanden. Nach Untersuchungen der britischen »Arbeitsgruppe zu Syrien, Propaganda und Medien« war die Stiftung in den Niederlanden nicht als gemeinnützig eingetragen. Weil sie kein Wirtschaftsunternehmen war, mußte sie keine Kontenabschlüsse vorlegen.
Das britische Regierungs-»Büro für das Ausland und Commonwealth«, FCO, zuständig für Ausbildung und Bezahlung von britischen Diplomaten und Auslandspersonal, zahlte an »Mayday Rescue« zwischen 2015 und 2018 allein 43 Millionen Britische Pfund (ca. 47,5 Mio Euro) als Unterstützung für die »Weißhelme«. Allerdings gingen diese Zahlungen nicht an die Stiftung »Mayday Rescue« in den Niederlanden, sondern an die Firma gleichen Namens in Dubai, so die britische Arbeitsgruppe. Als die niederländische Regierung, ebenfalls großzügiger Sponsor der »Weißhelme« bei »Mayday Rescue« mehr finanzielle Transparenz einforderte, gründete Le Mesurier weitere Unternehmen, um das Geld offenbar von der Stiftung weiterzuleiten.
Unübersichtlichkeit und Fehler räumte Le Mesurie kurz vor seinem Tod im November 2019 gegenüber einem Kassenprüfer ein, berichtete nun die niederländische Tageszeitung »Volkskrant«. 50.000 US-Dollar waren demnach verschwunden, als er im Juli 2018 mit »Mayday Rescue« und der israelischen Armee die Evakuierung von Hunderten Weißhelmen aus Syrien über die von Israel besetzten syrischen Golanhöhen nach Jordanien organisierte. Das »All Inclusive«-Paket der Operation »Fliegender Teppich« sah für die evakuierten »Weißhelme« und ihre Angehörigen die Umsiedlung von Jordanien in westliche Staaten vor. Deutschland erklärte sich zur Aufnahme von 50 »Weißhelmen« mit ihren Familien bereit.
Allerdings wurden weniger als die geplante 800 »Weißhelme« evakuiert und die 50.000 US-Dollar, die Le Mesurier aus dem Safe des Büros von »Mayday Rescue« in Istanbul mitgenommen hatte, wurden nicht gebraucht.
»Und dann verschwand das Geld«, schreibt die »Volkskrant«. Weder gegenüber einem Kassenprüfer aus Britannien noch einem weiteren aus den Niederlanden konnte Le Mesurier im Laufe des Jahres 2019 den Verbleib des Geldes erklären. Am 11. November 2019 wurde er nach einem Sturz aus seiner Wohnung in Istanbul tot aufgefunden. Nach Polizeiangaben soll er sich das Leben genommen haben.
Karin Leukefeld
Eines der vielen Fotos, das »Syriens Helden« bei ihrer gut bezahlten Tätigkeit zeigt (Foto: Anas Alkharboutli/dpa)