Leitartikel05. April 2024

Es werde Wohnraum statt Rendite

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Diese Woche meldeten mehrere Medien, daß die Preise im Wohnungssektor zurückgegangen seien. Im Jahresvergleich bis zu 9 Prozent. Immobilienhändler erklärten bereits, im kommenden Jahr könne es zu einer »reprise« kommen.

Wer erinnert sich eigentlich noch an die Demonstration, welche im Frühjahr 2021 rund 700 Menschen mobilisierte und in der Hauptstadt bezahlbaren Wohnraum forderte? Diese Demonstration war übrigens nur eine einzige im Rahmen einer EU-weiten Protestbewegung, denn die Lage sieht trotz beschwichtigender Zahlen auch in den anderen EU-Staaten nicht rosig aus, wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht. Bereits im ersten Corona-Herbst 2020 hatte es eine Demonstration dieser Art gegeben.

Zu den Forderungen gehörten unter anderem der Bau von 30.000 bezahlbaren Wohnungen, Maßnahmen gegen die Immobilienspekulation, die Besteuerung von leer stehenden Wohnungen, eine Mietbremse, mehr Rechte für Mieter und die Verankerung des Rechts auf Wohnen in der Verfassung. Dabei bleibt die Wohnungskrise weiterhin eine Dauerkrise, auch wenn sowohl Regierung, als auch große Oppositionsparteien sich das Thema breit auf ihre Flaggen gemalt hatten.

Zentralbankgeld, das nicht an den Wert eines Rohstoffes gebunden ist, wie der Euro, der Schweizer Franken oder der US-Dollar, hat die Eigenschaft, aus politischem Kalkül auf- oder abgewertet und beliebig nachgedruckt werden zu können. Kreditsummen können von Banken auf Knopfdruck aus dem Nichts erschaffen werden. Aus diesem Grund sprechen Kritiker hier von »Fiat«-Geld. Der Begriff »fiat« stammt aus dem Lateinischen: Das Verb »fieri« bedeutet so viel wie »geschehen« oder »entstehen«. Bei »fiat« handelt es sich um die dritte Person Singular Präsens im Konjunktiv, es kann mit »es geschehe« oder »es werde« übersetzt werden.

Wenn in diesem Zusammenhang dann mit den Zinssätzen gespielt wird, kann es, wie im Falle der rezenten Erhöhungen, dazu kommen, daß Menschen, die einen Kredit mit variablem, ursprünglich günstigeren Zinssatz für ihr Dach über dem Kopf gewählt hatten, plötzlich vor einem finanziellen Desaster stehen, ebenso wie Mieter, die mittlerweile bis zu 40 Prozent ihres monatlichen Einkommens allein für Wohnen berappen müssen.

Das Problem: Ein Recht auf Wohnen ist schwer durchsetzbar in einer Gesellschaft, in welcher Wohnraum gleichzeitig Grundbedürfnis und auch Ware sowie Anlageobjekt ist. Da der Euro kaum als Wertspeicher gesehen werden kann, weil sein stetiger Wertverfall Sparen unrentabel macht, sind es nicht mehr nur Immobilienhaie, sondern mittlerweile immer mehr Menschen aus der »Mittelschicht«, die versuchen, mit Wohnungen oder Häusern Wertanlage zu betreiben.

Dabei wird allenthalben so getan, als sei diese Krise »gottgegeben« oder ein Naturereignis. Daß die regierenden Parteien – und auch ihre Vorgänger bis Oktober – kein großes Interesse daran haben und hatten, außer Flickschusterei grundlegendes zu ändern, dürfte nicht verwundern. Doch ohne eine »Revolution« auf dem Wohnungsmarkt wird es nicht gehen. Wohnraum muß zu dem werden, was es ist: Ein Grundbedarf, der öffentlich geregelt und nicht Spekulanten überlassen wird. Dazu gehört auch, daß Spekulation mit Baugrund und Wohnungen verboten wird, nicht genutztes Bauland über einen gewissen Umfang hinaus und lange Zeit leerstehende Wohnungen verstaatlicht werden und der Bau von Eigentums- und Mietwohnungen entsprechend den Bedürfnissen der Menschen geplant wird.

Doch solange der Druck von der Straße weiterhin bei allem Respekt für das Erreichte relativ verhalten bleibt, wie auch das Bewußtsein für öffentliches Eigentum, was das Bauwesen ja eigentlich ist, wird den Regierungsparteien kaum jemand ernsthaft die Laune verderben.