Gewinner der Krise
Krisen haben auch ihre schönen Seiten. Das stellen in diesen Tagen die Chefs der drei USA-Großbanken J. P. Morgan, Citigroup und Goldman Sachs fest. Deren Gewinne waren im 2. Quartal dieses Jahres satt geklettert und zwar schneller und höher als die Chefs selbst erwartet hatten. Wie kommt’s? Es liegt an der Wirtschaftskrise. Viele Unternehmen brauchen Geld, das durch den Verkauf ihrer Produkte nur noch spärlich hereinkommt. Sie brauchen das Geld ziemlich dringend, um die Pleite abzuwenden.
Fürsorglich, wie die Notenbanker fast immer sind, hatten sie schon ab März das benötigte Geld – und mehr als das – zur Verfügung gestellt. (Allein die USA-Notenbank Fed und die EZB dürften so um die 4 Billionen Dollar/Euro frisch in die Welt gesetzt haben.) Wer sorgt dafür, daß die von der Pleite bedrohten Unternehmen das Geld auch bekommen? Es sind die Geschäftsbanken und zuvörderst die sogenannten Investmentbanken, von denen wiederum die drei oben genannten in diesen Tagen die USA- und deshalb auch die Weltelite darstellen.
Sie »verdienten« an der Sache mehrfach. Zunächst zu Beginn, als die Anleihen der gut und weniger gut geratenen Unternehmen mit Wucht nach unten fielen. Die Bondhandelsabteilungen der genannten Banken waren mehr als voll ausgelastet. Die Spanne zwischen Kauf- und Verkaufspreis steigt in Phasen der Nervosität, und weil mehr gehandelt wird, steigt die Summe der Gebühren. Das fand bereits im Februar/März dieses Jahres statt und stützte die Ergebnisse (ein vornehmerer Ausdruck für Gewinne) schon des ersten Quartals.
Danach kamen die Zentralbanken und machten alles noch schöner. Sie kauften nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Anleihen der Unternehmen. Und wie am Aktienmarkt stiegen wundersam deren Preise. Und wenn der gemeine Investor erst feststellt, daß der Preis einer Anleihe steigt, schließt er daraus, daß das Unternehmen gute Aussichten bietet, daß es auch neu begebene Anleihen wird bedienen können.
Und wieder bedurfte es der Investmentbanken. Sie bieten die Gewähr dafür, daß die Anleihe gut beim Publikum ankommt. Ihnen wird das schwierige Geschäft gern anvertraut, 50, 200 Millionen oder auch 5 Milliarden Dollar bzw. Euro Schulden am Stück zu verkaufen. Dafür zahlt man gern eine satte Gebühr. Einige kluge Analysten haben kalkuliert, daß diese Operationen am Bondmarkt allein Goldman, Citi und J. P. Morgan im 2. Quartal einen Extragewinn von 10 Milliarden Dollar eingebracht haben. Fußnote: Die Vorstände der Deutschen Bank trauern den Zeiten nach, als sie wie die genannten drei für Bondemissionen in allen Währungen noch fesche erste Adresse waren.
Die Verschuldung der Unternehmen ist mit diesen wunderbaren Finanzoperationen leider nicht verschwunden. Die Unternehmen wurden nur in die Lage versetzt, mehr Schulden aufzunehmen. Schon bevor der Kampf gegen das Virus die Welt in die Rezession versetzte, warnten Institutionen wie IWF, OECD oder BIZ, die über solche Dinge Daten erheben, daß die hohe Verschuldung der Unternehmen in aller Welt zum Problem werden könnte. Das Problem ist nun voll da. Wie es zu lösen ist, darüber hört man dröhnendes Schweigen.
Lucas Zeise
Allein Goldman, Citi und J. P. Morgan scheffelten im 2. Quartal einen Extragewinn von 10 Milliarden Dollar (Foto: EPA)