Ausland24. Oktober 2023

Europäische Teilstücke

Piräus–Belgrad–Budapest: Verhandlungen über chinesische Hightech-Züge in Peking

von Jörg Kronauer

Die Staats- und Regierungschefs, die am Dienstag und am Mittwoch vergangener Woche zum dritten »Belt and Road«-Forum nach Peking gereist waren, nutzten den Anlaß wie üblich für bilaterale Treffen am Rande. Spezielle, im Westen gehässige Aufmerksamkeit erhielt diesmal Rußlands Präsident Wladimir Putin, der auf seiner ersten Auslandsreise nach der Verhängung eines Haftbefehls gegen ihn durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), aus Kirgistan kommend, in der chinesischen Hauptstadt eintraf. Putin kam mit Chinas Präsident Xi Jinping zusammen, der die »enge und effiziente strategische Koordination« mit Rußland betonte.

Putin sprach sich seinerseits für eine enge außenpolitische Abstimmung beider Staaten unter den »derzeitigen schwierigen Bedingungen« aus. Konkret warb er für eine stärkere Nutzung des Nördlichen Seewegs, der von Murmansk entlang Rußlands Nordküste bis zur Beringstraße führt und in steigendem Maß eisfrei ist. Mit Hilfe russischer Eisbrecher könne er ab dem kommenden Jahr verläßlich für den Handel genutzt werden, erklärte Putin.

Putin traf in Peking unter anderem auch mit Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und mit Ungarns Viktor Orbán zusammen. Orbán wurde anschließend, wie zu erwarten, im Westen heftig angefeindet, weil er Putin die Hand geschüttelt hatte. Dieser drückte seine »Genugtuung« darüber aus, daß es Moskau gelinge, die Beziehungen zu manchen Staaten Europas »aufrechtzuerhalten und zu entwickeln«.

Präsident Orbán wiederum besprach in einem Treffen mit Xi die Zukunft der Schnellbahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest, die mit chinesischer Hilfe ausgebaut wird. Sie ist ein zentraler Teil des Transportkorridors, der vom griechischen Hafen Piräus, einem von China erfolgreich ausgebauten Teil der »Maritimen Seidenstraße«, bis ins Zentrum Europas reicht. Während der serbische Teil der Route inzwischen in Betrieb ist, gibt es gegenwärtig ernste Schwierigkeiten mit dem Bau des ungarischen Teilstücks. Ob Orbán und Xi die Probleme lösen konnten, blieb zunächst unklar.

Serbien beschafft allerdings schon die Züge, die die Strecke ab übernächstem Jahr befahren sollen. Kurz vor Beginn des »Belt and Road«-Forums unterzeichnete der serbische Verkehrsminister, der Vučić nach Peking begleitet hatte, eine Vereinbarung mit einer Tochterfirma des chinesischen Eisenbahnherstellers CRRC über die Lieferung von fünf Hochgeschwindigkeitszügen. Dies sei das erste Mal, daß CRRC die Hightech-Züge in die Region exportiere, hieß es; Siemens aus Deutschland und Alstom aus Frankreich bekommen damit also auch in Südosteuropa neue Konkurrenz.

Präsident Vučić besprach die Zukunft des serbischen Teilstücks der Seidenstraße, das von Piräus in die Mitte des Kontinents führen soll, auch bei einer Zusammenkunft mit Xi, bei der er die Freundschaft zwischen Serbien und China »eisern« nannte. Verärgerte Kommentare zu seiner Pekingreise hatte Vučić in Berlin erhalten; dort war erwartet worden, daß er am Montag vergangener Woche nicht nach Asien fliegen, sondern mit Bundeskanzler Olaf Scholz am »Westbalkangipfel« in Tirana teilnehmen würde. Stattdessen wohnte Vučić an Xis Seite der Unterzeichnung diverser serbisch-chinesischer Vereinbarungen bei, darunter ein Freihandelsabkommen. Für Serbiens Wirtschaft bringt es Vorteile; von der EU wird es – als unabgestimmter Alleingang eines unbotmäßigen Beitrittskandidaten – empört abgelehnt.