Kaleidoskop20. August 2021

»Er entwickelte einen allgemeinen Gesellschaftshaß«

Trier: Mutmaßlicher Amokfahrer will im Prozeß nicht aussagen

von dpa/ZLV

Nach der tödlichen Amokfahrt durch die Trierer Fußgängerzone will sich der mutmaßliche Täter im Prozeß nicht äußern. »Ich will selbst keine Aussage machen«, sagte er am Donnerstag zum Prozeßauftakt vor dem Landgericht Trier. Seine Anwältin Martha Schwiering fügte hinzu: »Weder zur Person noch zur Sache.«

Zuvor hatte Oberstaatsanwalt Eric Samel die Anklage verlesen: Dem 51-Jährigen wird vorgeworfen, bei der Amokfahrt am 1. Dezember vergangenen Jahres mit seinem Sportgeländewagen fünf Menschen ermordet zu haben. Zudem lautete die Anklage auf versuchten Mord in 18 Fällen – wobei 14 Passanten schwer verletzt wurden. Vier Menschen hatten sich noch in letzter Sekunde retten können. Bei den getöteten Menschen handelt es sich um einen neun Wochen alten Säugling, dessen 45-jährigen Vater und drei Frauen im Alter von 73, 52 und 25 Jahren. 300 Augenzeugen wurden traumatisiert.

Es sei die Absicht des Mannes gewesen, möglichst viele Menschen zu töten oder zu verletzen, als er sie gezielt mit hohem Tempo ansteuerte, sagte der Oberstaatsanwalt. Er habe die Arg- und Wehrlosigkeit der Fußgänger ausgenutzt, die sich keiner Gefahr bewußt waren. Daher sei die Tat mit der Waffe Auto heimtückisch gewesen.

Der Angeklagte sei alleinstehend, arbeitslos, ohne festen Wohnsitz und offenbar durch seine persönlichen Lebensumstände frustriert gewesen, sagte Samel. Von Anwälten und Notaren habe er sich mißverstanden gefühlt. »Er entwickelte einen allgemeinen Gesellschaftshaß.« Vor diesem Hintergrund sei er dann auch am Tag der Tat ins SUV gestiegen.

Neben der Frage nach dem Warum der Tat wird die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Prozeß zentral sein. Nach vorläufiger Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen leidet der Mann an einer Psychose. Dazu wird auch ein Gutachter gehört – das Gericht muß dann darüber entscheiden.

Der Prozeß begann unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Der Angeklagte nahm hinter mobilem Panzerglas Platz. Regungslos, aber angespannt hörte der gelernte Elektroinstallateur der Anklage zu. Er war mit Handschellen und Fußfesseln in den Saal gebracht worden. Insgesamt 14 Nebenkläger waren über Anwälte vertreten. Nur wenige Angehörige und Opfer erschienen.

»Es wird ein emotionaler Prozeß«, sagte Rechtsanwalt Otmar Schaffarczyk, der die Nebenklage des Bruders der getöteten Seniorin vertritt. Es sei die Frage nach dem Warum, die Angehörige und Opfer vor allem umtreibe. Seinen Mandanten habe es daher hart getroffen, daß der Angeklagte keine Aussage machen will. Als Ansprechpartner für Opfer und Angehörige waren Vertreter der Notfallseelsorge und der Stiftung Katastrophen-Nachsorge vor Ort.

Insgesamt 26 Termine sind in dem Prozeß bis Ende Januar 2022 terminiert. »Ich gehe derzeit davon aus, daß wir mindestens 26 Termine brauchen werden«, sagte Oberstaatsanwalt Samel. Die Staatsanwaltschaft hat mögliche 291 Zeugen benannt, um die schrecklichen Ereignisse aufzuklären. Trier stand nach der Amokfahrt tagelang unter Schock. Der Prozeß geht am 3. September weiter.