Bellizismus mit Tradition
Ein Rückblick auf die deutsche Beteiligung am Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien
Führende Kreise der Bundesrepublik Deutschland wollen sich offen an dem von den USA, der NATO und Teilen der EU geführten Krieg in der Ukraine gegen Rußland beteiligen. Noch bremst SPD-Bundeskanzler Scholz – ob er dem Druck standhalten wird, bleibt abzuwarten.
Dieser Bellizismus des deutschen Imperialismus hat Tradition. Es genügt, daran zu erinnern, daß die BRD mehr als alle anderen Bündnispartner der USA an deren verbrecherischem Krieg in Vietnam beteiligt war, und ebenso an den völkerrechtswidrigen Überfällen auf Jugoslawien, auf Afghanistan, den Irak...
»Folgen des Zweiten Weltkrieges überwunden und bewältigt«
Für den von Jugoslawien bis zur Ukraine verfolgten Kriegskurs der BRD wurden die Weichen nach der Einverleibung der DDR bereits im September 1991 auf dem »Fürstenfeldbrucker Symposium« von führenden Vertretern der Industrie- und Bankenwelt mit hochrangigen Generälen der Bundeswehr mit dem damaligen Bundesverteidigungsminister Ruppert Scholz (CDU) gestellt. Das Gremium verkündete die Rückkehr zu weltweiter Aggressionspolitik als Wiederherstellung der »Normalität« als »Partner in Leadership« mit den USA.
Mit der Zerschlagung Jugoslawien wurden, wie Ruppert Scholz betonte, »die wichtigsten Folgen des Zweiten Weltkrieges überwunden und bewältigt«. Dazu wurde dann mit der einseitigen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch die BRD, gefolgt von Österreich und dem Vatikan (damals unter der Leitung des polnischen Papstes Papst Johannes Paul II.) der Weg frei gemacht. Die so durch den deutschen Außenmister Genscher in Gang gesetzte Internationalisierung des Konflikts ermöglichte 1999 die Teilnahme der BRD an der Intervention in Jugoslawien, dem ersten Angriffskrieg in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Neuer »Ritt nach Osten«
Daß es um einen neuen »Ritt nach Osten« ging, verdeutlichte 2003 der damalige Vorsitzende der den deutschen Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, als er zur Rolle der BRD im Kaukasus sagte: Die Region dürfe »nicht den Großmachtspielen Rußlands und der USA überlassen« werden. Der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD im deutschen Bundestag, Gernot Erler, ergänzte, es gehe »vor dem Hintergrund der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung der Region« um »die Ausarbeitung einer langfristig angelegten politischen Strategie« der »Anbindung der kaukasischen Staaten an Europa« – gemeint ist die Europäische Union.
Für die USA hatte ein »National Security Strategy-Report« des »United States European Command« (EUCOM) der U. S. Army in Stuttgart vom 30. Oktober 1998 die Ziele des Engagements um die »Vorherrschaft in der Weltpolitik« umrissen, die vom südlichen Afrika bis nach Weißrußland und zur Ukraine reichten. Die weitere Aufteilung Jugoslawiens war bereits beschlossene Sache.
Eine entscheidende Kraft bei der Zerstückelung Jugoslawiens war die im Februar 1982 entstandene die »Nationale Befreiungsbewegung des Kosovo« (UCK), die mit einer antikommunistischen Zielstellung die Abspaltung des Kosovo von Jugoslawien verfolgte. Die UCK wurde von den USA und der BRD im Operationsgebiet Kosovo und Albanien aufgebaut. Nach Angaben des US-amerikanischen Geheimdienstexperten John Whitley wurde die verdeckte Unterstützung der Kosovarischen Rebellenarmee als gemeinsame Operation des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA und des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) von der BND-Zentrale in Pullach bei München geleitet. Der BND habe der UCK sehr weitgehende Unterstützung gewährt, so bei Auswahl des militärischen Führungspersonals, der Schulung von Kampfverbänden und bei der Ausrüstung mit Kommunikationsmitteln, berichtet der CIA-Experte.
Zu den Hilfeleistungen der UCK beim Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien gehörte beispielsweise auch, daß ein UCK-Mann die Botschaft der Volksrepublik China für den US-amerikanischen Angriff mit einer Laserzielmarkierung versehen habe (Erich Schmidt-Eenboom, Klaus Eichner: Die Rolle der Geheimdienste bei Vorbereitung und Durchführung des NATO-Krieges, Tageszeitung »junge Welt«, Berlin, 17./18. Januar 2000).
Die Farce von Rambouillet
Zuvor hatte die NATO in Schloß Rambouillet bei Paris Vertretern des abgespaltenen Kosovo und Serbiens den Entwurf eines »Vertrags« vorgelegt, auf dessen Grundlage Restjugoslawien der gesamten NATO ungehinderten Zugang und Benutzung aller militärischen Einrichtungen des Landes gewähren und alle Forderungen des Paktes erfüllen sollte, darunter die Errichtung von Stützpunkten und die Gewährung von Immunität für die stationierten Soldaten. Der frühere USA-Außenminister Henry Kissinger, ein jeglicher Sympathie für Serbien Unverdächtiger, nannte den »Rambouillet«-Text »eine Provokation«, »eine Entschuldigung dafür, mit den Bombardierungen beginnen zu können«. Kein Serbe mit Verstand hätte Rambouillet akzeptieren können. Der serbische Präsident Slobodan Milošević lehnte seine Unterschrift unter den »Vertrag«, der in Wirklichkeit ein Besatzungsstatut darstellte, auch ab. Darauf begann am 24. März der Überfall.
Gipfel der Heuchelei
Die BRD mißachtete mit ihrer Beteiligung an dem Krieg unter der Bundesregierung von SPD und Grünen nicht nur – wie alle anderen Teilnehmer auch – das Völkerrecht und die Menschenrechte, und verstieß gegen Artikel 2 Absatz 4 der UNO-Charta, die die »Androhung und Anwendung« zwischenstaatlicher Gewalt verbietet. Bei dieser Regierung landete auch das vom früheren SPD-Chef und Bundeskanzler Willy Brandt bekräftigte Leitmotiv »von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!« auf dem Müllhaufen der Geschichte, ebenso die im »Zwei-plus-vier-Vertrag«, der den Anschluß der DDR an die BRD besiegelte, festgelegte Verpflichtung, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen darf.
Deutsche Soldaten wurden von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Außenminister Joseph »Joschka« Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) in Marsch gesetzt und bombardierten 78 Tage lang Städte, Infrastruktur, Fabriken. Joseph Fischer, einer der Ziehväter der heutigen Chefin des Auswärtigen Amtes, Annalena Baerbock, begründete die Zustimmung seiner Partei zu dem Kriegseinsatz damit, daß es sich um einen »friedenschaffenden Einsatz« der Bundeswehr und eine »humanitäre Hilfsaktion« handle, und erklomm damit den Gipfel der Heuchelei.
Die deutsche Bundesmarine beteiligte sich an der von den USA und Britannien formierten Task Force aus Flugzeugträgern, Zerstörern und Fregatten mit den Zerstörern »Lütjens«, den Fregatten »Rheinland-Pfalz« und »Bayern« und dem Flottendienstboot »Oker« an den Angriffen. Von den Schiffen aus wurden Cruise Missiles abgefeuert. Tornados der der Bundesluftwaffe starteten vom italienischen Fliegerhorst Piacenza und zerstörten Brücken, Schulen, Kliniken. Der damalige sozialdemokratische »Verteidigungsminister« Rudolf Scharbing informierte sich persönlich im schwäbischen Fliegerhorst Lechfeld über den Einsatz der dort zu ihren todbringenden Einätzen in Serbien aufsteigenden Tornadopiloten.
15 Jahre später räumte der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder ein: die Bundesregierung habe »unsere Flugzeuge nach Serbien geschickt«, und die haben »zusammen mit der NATO einen souveränen Staat zerbombt – ohne daß es einen Sicherheitsratsbeschluß gegeben hätte«.