Lob vom Kapital
Reaktionen auf die erste Regierungserklärung von BRD-Kanzler Merz
Der Koalitionsvertrag trage »eine deutliche sozialdemokratische Handschrift«. Noch bei der Vorstellung des 146-seitigen Papiers geisterte diese von der Parteiführung der deutschen Sozialdemokraten in die Welt gesetzte Formulierung durch die Medien. Spätestens mit der Regierungserklärung des neuen Kanzlers wurde jedoch offensichtlich, wohin die Reise wirklich geht.
»Schwarz-rote-Koalition unter Merz: Ein neues Grundverständnis für die Wirtschaft“ titelte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ). In seiner ersten Regierungserklärung habe Friedrich Merz »seine Koalition und die Bürger auf eine enorme Kraftanstrengung eingestimmt, um Deutschland wirtschaftlich wieder nach vorne zu bringen«, frohlockte das Blatt, das sich selbst als »Zeitung für Deutschland« bezeichnet. Zu diesem »neuen Grundverständnis« gehört nach Auffassung von Merz, daß die Wirtschaft regulatorisch »einen Vertrauensvorschuß« bekommen soll, der ihr »neue Handlungsfreiheit ermöglicht«. Die Regierung, so der Kanzler, werde Schaffenden und Betrieben durch eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit mehr Flexibilität geben und freiwilliges Weiterarbeiten auch jenseits des 67. Lebensjahrs ermöglichen.
Lob, nicht nur zur Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes, kommt von den Kapitalverbänden: »Der Klartext des Bundeskanzlers ist das richtige Signal zur richtigen Zeit«, kommentierte Rainer Dulger die Pläne der neuen Regierung. Diese Regierungserklärung mache Mut. Jetzt zähle die Umsetzung, so der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) weiter. Dabei hob er die »neue Arbeitsmarktpolitik« der Regierung hervor, die auf mehr Leistung und mehr Wohlstand setze. Das Arbeitsvolumen in der BRD liege im internationalen Vergleich auf einem der hinteren Plätze. »Wir müssen wieder mehr arbeiten, um wirtschaftlich nicht weiter abgehängt zu werden.« Dafür seien politische Kurswechsel nötig. »Bislang hat sich das Arbeitsministerium leider darauf konzentriert, mehr Arbeit weniger attraktiv zu machen. Das Gegenteil sollte das Ziel sein«, lautet das Credo des BDA-Präsidenten.
Zustimmung kommt auch vom Industriepatronat. BDI-Präsident Peter Leibinger lobte das geplante Gesetz zur degressiven Abschreibung und forderte eine rasche Reduzierung der Stromsteuer, gedeckelte Netzentgelte durch eine staatliche Kofinanzierung und die Abschaffung der Gasspeicherumlage sowie »konkrete Schritte beim Rückbau der massiven Bürokratiebelastung«. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, erklärte, viele der von Merz angekündigten Maßnahmen seien aus Sicht des Patronats »überfällig«, und forderte »klare Entlastungssignale an die Wirtschaft noch vor der Sommerpause«. Die geplante Unternehmenssteuerreform sollte zum Beispiel vorgezogen werden.
Das überschwänglichste Lob kommt aus Bayern: »Der Bundeskanzler hat mit dieser Regierungserklärung eindrucksvoll seine Führungsstärke gezeigt. Er hat klargemacht, daß die Stärkung der Wirtschaft im Mittelpunkt seiner Amtszeit steht«, so Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Besonders hervorzuheben sei, daß Merz die wirtschaftsfördernden Maßnahmen des Koalitionsvertrags zügig und mit hoher Priorität umsetzen wolle. Positiv sei zum Beispiel, daß Merz die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen, die ab 2028 in eine Senkung der Körperschaftssteuer mündet, noch vor dem Sommer auf den Weg bringen will. Zudem setzt der Kanzler einen klaren Fokus auf die dringend notwendige Senkung der Energiepreise und den Bürokratieabbau. Zu begrüßen sei, daß »Merz die Flexibilisierung der Arbeitszeit anpacken und umsetzen will«. »Mit dieser klaren Schwerpunktsetzung gibt er dem Wirtschaftsstandort Deutschland Zuversicht«, freute sich Brossardt.
Ob die Lohnabhängigen in der BRD trotz der vermeintlich »deutlichen sozialdemokratischen Handschrift« ebenfalls zuversichtlich in die Zukunft schauen dürfen, darf bezweifelt werden.