Eine Britin von nebenan
Emma Thompson wird 65
Daß Emma Thompson eine Schauspielerin ist, die viel zu sagen hat, läßt sich an einer Szene aus Berlin beobachten. Die Britin sprach mal bei den Filmfestspielen darüber, mit welchem Körperbild Frauen in unserer Gesellschaft aufwachsen. Frauen würden ein Leben lang dazu erzogen, ihre Körper zu hassen. »Das ist das Problem«, sagte Thompson, die am 15. April 65 Jahre alt wird. Alles um einen erinnere einen daran, daß man angeblich unperfekt sei und anders aussehen müsse.
»Versuchen Sie mal, Ihre Kleidung auszuziehen, sich vor einen Spiegel zu stellen und sich nicht zu bewegen«, sagte Emma Thompson. Man solle nicht versuchen, etwas einzuziehen oder sich wegzudrehen, sondern sich akzeptieren. »Und bewerten Sie sich nicht. Das ist das Schwierigste, was ich je tun mußte«, sagte Emma Thompson, die bei dem Auftritt vor zwei Jahren über eine Nacktszene in ihrem Film »Meine Stunden mit Leo« sprach.
Emma Thompson, die 1959 in London geboren wurde, gehört zu den bekanntesten Schauspielerinnen Britanniens. Sie hat nicht nur einen Oscar für ihre Schauspielleistung im Drama »Wiedersehen in Howards End« mit Anthony Hopkins gewonnen, sondern auch einen als Autorin für das Drehbuch zu »Sinn und Sinnlichkeit«.
Der US-amerikanische Moderator Stephen Colbert fragte mal, ob es eigentlich stimme, daß sie ihre Oscars an einem interessanten Platz aufbewahre. »Wissen Sie, worüber ich rede?«, fragte er in seiner Sendung »The Late Show with Stephen Colbert«. Und Emma Thompson antwortete im schönsten britischen Englisch: »They're in the loo«. Sie stünden auf der Toilette. Weil sie überall sonst lächerlich aussehen würden, befand sie.
Emma Thompson protestierte schon für mehr Klimaschutz, setzt sich für feministische Themen ein und hielt den Brexit, also den Austritt Britanniens aus der EU, für keine besonders gute Idee.
Übernehmen kann sie ernste wie auch ulkige Rollen. Emma Thompson spielte in den Harry-Potter-Verfilmungen mit (Professorin Sybill Trelawney), im Fantasyfilm »Die zauberhafte Nanny« und in »Bridget Jones's Baby« – auch im gerade erst angekündigten neuen Teil soll sie mitwirken. Sie war früher mit dem Filmemacher Kenneth Branagh (»Belfast«) verheiratet und heiratete später Schauspieler Greg Wise, der auch in »Sinn und Sinnlichkeit« mitspielte.
Als sie im Kinderfilm »Matilda – Das Musical« die Furcht einflößende Rektorin Knüppelkuh spielte, habe sie das Schrecklichsein erst lernen müssen, sagte Emma Thompson dem Magazin »Der Spiegel«. »Der Regisseur jedenfalls meinte irgendwann, ich solle aufhören, ständig alle Kinder am Set zu umarmen. Die sollten schließlich Angst vor mir haben.«
Eine besonders berührende Szene hatte sie im Episodenfilm »Tatsächlich Liebe«. In einer der dort erzählten Geschichten spielte sie eine Frau, deren Mann (Alan Rickman) mit seiner Kollegin (Heike Makatsch) anbandelt. Als ihr klar wird, daß etwas vor sich geht, läuft in der Szene »Both Sides Now« von Joni Mitchell. Vielleicht wirkt sie auch deswegen so überzeugend, weil sie in ihren Filmen oft wirkt wie jemand aus dem normalen Leben.
So war das auch in »Meine Stunden mit Leo«. Darin spielte Emma Thompson eine Frau, die noch nie einen Orgasmus hatte und deswegen einen Sexarbeiter für gemeinsame Stunden in einem Hotelzimmer engagiert. Beim Festival in Berlin sah man Emma Thompson damals mit blond-grauen Haaren, Faxen machend für die Fotografen. Und sie sprach darüber, daß weibliche Lust in der Gesellschaft nicht wichtig genug genommen werde. In dem Film sieht man dann auch, wie sie sich an einer Stelle vollkommen nackt im Spiegel betrachtet.
Auch in dem Interview mit Colbert erzählte sie, wie schwer ihr das gefallen sei, weil sie schon als Teenager angefangen habe, ihren Körper zu hassen. Was würde sie ihrem 14-jährigen Ich heute sagen? »Verschwende nicht deine Zeit. Verschwende nicht den Sinn deines Lebens, indem du dir Gedanken wegen deines Körpers machst«, antwortete Emma Thompson. Der Körper sei unser Gefäß. Unser Zuhause, in dem wir wohnten. »Es hat keinen Sinn, ihn zu beurteilen«, sagte sie und Applaus setzte ein. »Absolut keinen Sinn.«