Ausland25. September 2021

Vorsichtige Schritte

Neue Regierung des Libanon bemüht sich um Verbesserung der Situation. Öl aus dem Iran trifft ein

von Karin Leukefeld

Ein zweites Schiff mit Heizöl aus dem Iran für den Libanon ist in der Nacht zu Freitag in den Gewässern des syrischen Hafens Baniyas vor Anker gegangen. Das teilte die libanesische Hisbollah am Freitagmorgen mit. Das Öl wird durch unterseeische Pipelines in Tanks im Hafen gepumpt, von wo Tanklastwagen das Öl aufnehmen werden, um es in einem Konvoi in den Libanon zu transportieren. In den vergangenen Tagen waren bereits vier Konvois mit Diesel und Heizöl auf diesem Weg in den Libanon gelangt.

Weder die USA noch Israel unternahmen Schritte, um die Lieferung zu behindern, die gegen das von den USA gegen Syrien verhängte »Caesar-Gesetz« sowie gegen die USA-Sanktionen gegen den Iran verstößt, laut denen es nicht erlaubt werden soll, Öl aus dem Iran zu kaufen. Aus der Sicht der Hisbollah ist es ein großer Erfolg, einerseits dringend benötigten Treibstoff für den Libanon beschaffen zu können, und gleichzeitig die USA-Blockade gegen den Libanon durchbrochen zu haben.

Das libanesische Parlament hat derweil der neuen Regierung von Najib Mikati das Vertrauen ausgesprochen. Mit erheblicher Verzögerung und nach einer stundenlangen Debatte und einem Stromausfall im Parlament sprachen sich am Dienstag 85 der 100 Abgeordneten für die von Najib Mikati vorgeschlagene Regierung von 23 Ministern und einer Ministerin aus. 15 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung.

Bei einem ersten Arbeitstreffen am gleichen Tag zwischen Staatspräsident Michel Aoun, Premierminister Najib Mikati und dem neuen Außenminister Abdullah Bou Habib, dem bisherigen Botschafter Libanons in Washington, sprachen die Politiker über die Lage an der südlichen maritimen Grenze und dort liegenden libanesischen Gasvorkommen. Während für den Libanon der rechtmäßige südliche Nachbar das von Israel besetzte Palästina ist, versucht Israel die seeseitige Waffenstillstandslinie zum Libanon, die sogenannte »Blaue Linie«, nach Norden zu verschieben.

Gespräche zwischen dem Libanon und Israel über das von beiden Seiten beanspruchte Seegebiet finden unter Vermittlung der UNO statt. Auf israelischer Seite haben sich allerdings die USA ins Spiel gebracht, was von Beobachtern eher als Verzögerungstaktik eingeschätzt wird. Der libanesische Journalist Mohamad Ballout erläuterte gegenüber der Autorin, die Verhandlungsführung der USA laufe darauf hinaus, den Libanon daran zu hindern, seine Gasressourcen zu erschließen, um die elementaren Probleme des Treibstoffmangels überwinden zu können.

Israel hatte kürzlich eine Firma aus den USA damit beauftragt, Erkundungsdienste für die Förderung von Gas und Öl in dem umstrittenen Gebiet vorzubereiten. Dieses Vorgehen widerspricht dem Inhalt der bisherigen Verhandlungen über die Grenzfestlegung. Die Regierung des Libanon versteht die Beauftragung einer Firma durch Israel als Provokation und hat sich bereits mit einem förmlichen Protest an die UNO gewandt. Der Libanon hat das Seegebiet zu einer »Exklusiven Wirtschaftszone« erklärt. Die libanesische Hisbollah, die den Libanon an seiner südlichen Grenze gegenüber Israel militärisch schützt, hat Israel wiederholt gewarnt, in dieser vom Libanon markierten Wirtschaftszone aktiv zu werden.

Die erste Auslandsreise führte den neuen libanesischen Ministerpräsidenten nach Frankreich. Am Donnerstag traf Mikati in Paris zu einem Arbeitsbesuch ein, am Freitag stand ein Treffen mit Präsident Emmanuel Macron auf dem Programm, berichtete die libanesische Nachrichtenagentur NNA.

Bei den Gesprächen in Paris geht es im Wesentlichen um Geld. Namentlich nicht näher genannte politische Kreise im Libanon zeigten sich laut dem libanesischen Internetportal Naharnet optimistisch, daß das Treffen der beiden Politiker »den Weg zu weiteren Besuchen (Mikatis) in Europa und in den arabischen Ländern ebnen« und zu einem »französischen Tor« für weitere Unterstützung für den Libanon aus dem Ausland werden könne.

Dabei soll es um die Freigabe der Hilfsgelder geben, die im August 2021 bei einer von Frankreich organisierten »Geber-Konferenz« zugesagt worden waren. Premierminister Mikati wollte mit Macron auch darüber sprechen, wie die 11 Milliarden US-Dollar, die bereits 2018 bei der CEDRE-Konferenz in Paris dem Libanon zugesagt worden waren, freigegeben werden könnten. Mikati werde auch über »Reformpläne« der Regierung berichten, hieß es vor dem Treffen im Élysée, um den Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu genügen, damit dieser Krediten für das Land zustimmt. Paris hatte bereits angekündigt, sich dafür einzusetzen.