Kein bißchen Frieden
Aufrüstung ist Chefsache: Premier und Vizepremier zu NATO-Jubiläumsgipfel in Washington
Ohne Armeeministerin Yuriko Backes, die weiter an einem Schienbeinbruch laboriert, den sie sich vor anderthalb Wochen bei einem Basketballspiel der Special Olympics zugezogen hat, sind Premier Luc Frieden und sein Vize, Außenminister und Amtsvorgänger Xavier Bettel nach Washington D.C. geflogen, wo am Dienstag der noch bis Donnerstag dauernde NATO-Jubiläumsgipfel zur Feier des 75. Jahrestags der Gründung des westlichen Militärbündnisses begann. Doch Aufrüstung ist unter Premier Frieden ohnehin Chefsache, wie er dem scheidenden Generalsekretär Jens Stoltenberg 20 Tage nach Amtsantritt im NATO-Hauptquartier in Brüssel versichert hat (Foto).
In seiner ersten »Rede zur Lage der Nation« am 11. Juni hatte der CSV-Premier dann in der Chamber angekündigt, Luxemburg werde sein jährliches Militärbudget bereits bis zum Ende des Jahrzehnts auf zwei Prozent seines Bruttonationaleinkommens (BNE) erhöhen. Das würde bedeuten, daß bereits ab 2030 Jahr für Jahr rund 1,4 Milliarden Euro für die Armee verpulvert würden. Im Koalitionsvertrag von CSV und DP wurde noch kein Datum zur Erreichung dieses »ehrgeizigen, aber notwendigen Ziels« (Armeeministerin Backes) genannt.
Gerademal ein Jahr ist es her, daß der damalige olivgrüne Armeeminister François Bausch das Aufrüstungsziel eine Milliarde Euro pro Jahr bis 2028 ausgab. Doch obwohl schon das einer Verdreifachung der jährlichen Aufwendungen für die Armee im Vergleich zum Jahr 2017 und fast einer Verfünffachung gegenüber dem Militärbudget des Jahres 2013 entsprochen hätte, forderte die NATO noch mehr. Zur Begründung hieß es in Brüssel, mit einer Milliarde Euro pro Jahr sei die bereits vor 22 Jahren auf einem Gipfel in Prag beschlossene Zielvorgabe, jedes Jahr mindestens zwei Prozent der jeweiligen Jahreswirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) für Militärisches zu verpulvern, erst zur Hälfte erreicht. Also legte Bausch noch einmal nach und einigte sich mit der NATO, statt der üblichen zwei Prozent des BIP strebe Luxemburg ein Militärbudget in Höhe von zwei Prozent des BNE an.
Während beim BIP der Gesamtwert aller Güter, die innerhalb eines Jahres in einer Volkswirtschaft hergestellt wurden, ermittelt wird, in dem auch die von Grenzgängern erbrachte Leistung enthalten ist, findet die von Grenzgängern erbrachte Arbeitsleistung keinen Eingang ins luxemburgische BNE, sondern wird zum BNE ihres Wohnlandes hinzugerechnet. Die Leistung eines Schaffenden, der im Großherzogtum arbeitet, aber zum Beispiel in Frankreich wohnt, erscheint also im luxemburgischen BIP, aber im französischen BNE.
Nun ist aber das luxemburgische BIP nicht doppelt so groß wie das BNE, so daß schon Bauschs Versprechen, ein Militärbudget in Höhe von zwei Prozent des BNE anzustreben, eine weitere deutliche Erhöhung bedeutet hätte. In den vergangenen Jahren betrug das luxemburgische BNE nämlich fast 70 Prozent des luxemburgischen BIP, so daß das Aufrüstungsziel von zwei Prozent des BNE also im Bereich von rund 1,4 Prozent des BIP oder bei 1,4 Milliarden Euro pro Jahr liegen würde. Neben der Aufstellung eines gemeinsamen Aufklärungsbataillons mit Belgien bis zum Jahr 2030 und dem Ausbau des NATO-Flughafens Findel sollen davon – verteilt auf mehrere Jahre – 2,6 Milliarden Euro in neue gepanzerte Fahrzeuge gesteckt werden, außerdem sollen laut Ressortchefin Backes Luxemburgs militärische »Satellitenkapazitäten« ausgebaut und besser geschützt werden.
Die drei Schwerpunkte des Washingtoner NATO-Gipfels sind laut Generalsekretär Stoltenberg die Kriegsvorbereitung des Bündnisses – »das Kerngeschäft der NATO«, wie manche sagen –, die weitere Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Rußland und der Aufbau einer Front gegen China.