Einstige Römergebiete in Deutschland sind noch heute im Vorteil
Köln/Wien – Vor 2.000 Jahren gehörte ein Teil des heutigen Deutschland zum Römischen Imperium – und profitiert bis heute davon. Einer Studie zufolge sind ehemals römisch besiedelte Gebiete in Deutschland heute noch immer tendenziell wohlhabender und dichter besiedelt als ehemalige germanische Territorien. Diese Unterschiede lassen sich Forschungsergebnissen des Historikers Fabian Wahl von der Wirtschaftsuniversität Wien zufolge oft sogar für direkt aneinander angrenzende Regionen nachweisen.
In den ehemals römischen Gegenden leben demnach heute mehr Menschen, die zudem wohlhabender und lebensbejahender sind, mehr Unternehmen gründen und im Durchschnitt ein halbes bis ein Jahr länger leben. »Wir haben Landkreise, Städte und sogar Individuen im direkten Umkreis der alten römischen Grenze, des Limes, miteinander verglichen«, erläuterte Wahl. Eigentlich würde man erwarten, daß es dort keine großen Unterschiede gibt, weil sich die Regionen so nah und landschaftlich fast identisch sind.
»Die römische Grenze wurde oft eher zufällig gezogen und nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten.« So verlief der Limes nordöstlich von Stuttgart über eine Strecke von rund 80 Kilometern schnurgerade wie mit einem Lineal gezogen. »Es war also nicht so, daß die Römer konsequent fruchtbare Gebiete besiedelt und schlechte Böden ignorierten«, sagte Wahl. »Dann ließen sich die heutigen Unterschiede ja relativ leicht erklären – aber so ist es eben nicht.«
Wahl hat zu dem Themenkomplex gemeinsam mit anderen Forschern drei Studien veröffentlicht, die sich jeweils auf einen anderen Aspekt konzentrieren: auf die wirtschaftliche Entwicklung, auf »Innovation und Unternehmertum« sowie auf die Persönlichkeitsmerkmale, Lebenszufriedenheit und Gesundheit der Bewohner.
Die Wissenschaftler werteten zum Beispiel die Nacht-Licht-Intensität der Regionen aus, um die Besiedlungsdichte festzustellen – und wie sich zeigte, leuchten die ehemals römischen Gebiete noch heute in der Nacht heller.
Für die Studie zu den Effekten der Römer auf Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit oder Rücksichtnahme wurden Daten von 90.000 Teilnehmern ausgewertet, was eine Repräsentativität der Daten sicherstelle. Insgesamt seien mehr als 100.000 Beobachtungen in die Studien eingeflossen.
Die Erklärung für die bis heute bestehenden Unterschiede sieht Wahl in einem »Startvorteil« der römischen Gebiete durch frühe Urbanisierung und Infrastruktur. Man könne zum Beispiel argumentieren, daß die römische Bäderkultur höhere Hygienestandards etabliert habe, die dann noch weit über die Römerzeit hinaus nachgewirkt hätten.
Es gebe auch eine große Kontinuität des Straßennetzes – viele Autobahnen folgten noch heute verblüffend genau römischen Handelsstraßen. Römische Stadtgründungen wie Köln, Trier und Mainz seien früh Bischofssitze geworden und dadurch auch im Mittelalter bedeutende Verwaltungszentren geblieben. In Köln sind die Immobilienpreise im einst römisch besiedelten linksrheinischen Teil noch heute höher als auf der rechten Rheinseite, die früher »Barbarenland« war.

