Nach 50 Jahren ist Schluß:
City drehen »Die letzte Runde«
Sie haben schon einige schwere Zeiten als Band erlebt. Doch 2020/21 erwischte es City so richtig: Schlagzeuger Klaus Selmke starb an Krebs, hinzu kam die Corona-Pandemie. Nun sind die Ostrock-Musiker mit voller Kraft zurück. Es ist zugleich ein Abschied.
Die Rocker-Rente? Nein, das sei noch lange nichts für sie, haben die Musiker der in der DDR-Hauptstadt Berlin gegründeten Band City jahrelang gern betont. Aber nun ist es doch soweit. Sie gehen in »Die letzte Runde«.
So heißt ihr neues und letztes Album. Es ist das erste ohne ihren Schlagzeuger Klaus Selmke, der 2020 starb. Im Jubiläums-Jahr 50 ist nun Schluß, aber mit riesigem Programm: Die vier Rocker im Alter um die 70 gehen bis zum Jahresende auf Konzertreise und werden mit einem Buch gewürdigt. Die Bandbiografie heißt »Einmal wissen, dieses bleibt für immer – CITY. Das Buch«. Buch und Album erscheinen am 1. April. Am 8. Juli beginnt die Abschiedstournee der Gruppe, die auf DDR-Rockklassiker wie »Am Fenster« (1977) zurückblickern kann.
Die Cover von Doppel-CD und Buch ähneln sich: Vor dem prägnanten City-Logo stehen die Bandmitglieder, sie schauen ernst. Doch das Buch zeigt fünf Musiker, das Album vier – Selmke fehlt. Sein Krebstod vor zwei Jahren war für die Band ein Schock. Der Schlagzeuger hatte die Band 1972 zusammen mit dem Gitarristen Fritz Puppel (77) gegründet.
»Selbstverständlich fehlt Klaus an allen Ecken und Enden. Als Schlagzeuger sowieso, aber besonders als Mensch«, sagt Sänger Toni Krahl (72). »Klaus hatte auch immer seine ganz besondere, oft praktische Sicht auf die Dinge.« Das letzte der 24 Stücke auf dem Album ist dem Barfuß-Drummer gewidmet – »War gut« heißt es. Der Refrain: »So war das aber nicht gedacht, mit stillem Abschied über Nacht. Und Blumen auf'm Grab. Kein Lachen und kein Trommeln mehr. Das Gras wächst und der See liegt leer. War gut, daß es dich gab.«
Das Album bietet die für diese Band typische Mischung: Gesellschaftskritik trifft auf Liebeslieder. Im mehr als fünf Minuten langen »Wir haben Wind gesät« heißt es: »Wir trocknen unsre Flüsse aus und stapeln unseren Dreck. Und wenn die letzte Stunde schlägt, dann sind wir kurz mal weg.« Im beschwingten, mitsingtauglichen »Die Sonne geht auf« schwärmt Krahl, begleitet vom satten Sound der Berliner Philharmoniker: »Du bist noch der Traum der ersten Nacht. Ich bin immer noch nicht aufgewacht. Noch 100 Jahre Arm in Arm. Du hältst mich fest, ich halt dich warm.«
Über die Doppelalbum-Produktion sagt Toni Krahl: »Zuerst haben wir an unseren neuen Songs gearbeitet, und die sind auch auf einer geschlossenen CD zu hören. Auf CD 2 dann haben sich aber unsere Freunde von Silly, ‚Maschine‘, Dirk Michaelis und auch Matthias Reim bei uns gemeldet und uns mit speziellen Versionen bekannter City-Songs überrascht.« Zusammen mit Ex-Puhdys-Sänger Dieter »Maschine« Birr und Dirk Michaelis singt Krahl das rockige »Born In The GDR« – selbstbewußt auf die Erfolge als DDR-Musiker zurückschauend. Mit Silly und »Maschine« geht es ab 8. Mai auf »Rocklegenden«-Tour.
Auch mit den Rolling Stones würde sich Toni Krahl gerne mal die Bühne teilen. Keyboarder Manfred Hennig wünscht sich, daß die Stones einen City-Song covern. Und Gitarrist Puppel ärgert sich, daß die Band vor 1990 mal eine Einladung von Herbert Grönemeyer zum Bier ausgeschlagen hat. All dies verraten die Musiker in ihrem Buch. Der Musikjournalist Christian Hentschel, der viele aus der DDR stammende Bands seit Jahrzehnten begleitet, gibt in 50 kurzweiligen Kapiteln Einblicke in die Geschichte von City.
Am 4. Februar 1972 im »ABC«-Klubhaus in Berlin-Köpenick ging alles los. Beim ersten Auftritt gab es keine Gage – die Band durfte dafür kostenlos in der Location proben. Im Buch ist ein 50 Jahre alter vergilbter Zettel abgebildet, auf dem die Einnahmen der sechs weiteren Auftritte im Gründungsmonat aufgelistet sind: 346 Mark. Auf einer Original-Setlist von einst ist zu erkennen, daß die City Band – so hieß sie am Anfang – zunächst nur englische Hits coverte.
50 Jahre zusammen durch Höhen und Tiefen – wie haben City das geschafft? »Grundvoraussetzung dafür ist in erster Linie, daß wir Spaß bei der Arbeit haben«, sagt Toni Krahl im dpa-Interview. »Und die Erkenntnis, daß, auch wenn wir, jeder einzeln, nicht unbedingt die weltbesten Musiker sind, aber zusammen, geeint, eben doch die beste City-Band sind, die es je gegeben hat.«
(dpa)