»Hi, ich bin Alicia und muß dir was sagen«
Neues Album von Pink
Wäre das Leben doch bloß wie ein Song von Whitney Houston! Das wünscht sich Pink in einem Song von ihrem neunten Album »Trustfall«. Die mitreißende und sehr tanzbare Gute-Laune-Single »Never Not Gonna Dance Again« ist ein Plädoyer dafür, die schönen Dinge im Leben nicht zu versäumen. »Ich bin niemand, der etwas bereut«, versichert die US-amerikanische Sängerin bestens gelaunt im Interview in London. »Aber ich denke zu viel über alles nach.«
Es mag den Anschein haben, Pink habe in ihrer gut 20-jährigen Karriere kaum etwas ausgelassen, doch im Privatleben sieht es anders aus. Es sind die vermeintlich normalen Dinge, bei denen es für den Popstar nicht immer wie erhofft läuft. Auf »Trustfall« erzählt Pink, die bürgerlich Alicia Moore heißt, von den Höhen und Tiefen ihres Lebens jenseits der Bühne – und gibt dabei wie gewohnt sehr intime Einblicke.
So habe sie ein Strandausflug mit ihren Kindern, bei dem sie von Paparazzi verfolgt wurde, zum Song »Never Not Gonna Dance Again« inspiriert. »Ich wollte nicht, daß die ein Foto von mir in meinem Badeanzug machen, weil ich mich unsicher fühlte«, erzählt die 43-Jährige. »Also habe ich nicht mit meinen Kindern gespielt. Und das hat mich so geärgert. Ich habe mich über mich selbst geärgert, daß ich die Zeit verschwendet habe und wir wegen sowas Blödem eine schöne gemeinsame Erinnerung verpaßt haben. Da habe ich entschieden: Sowas kommt nie wieder vor!«
Auf ihrem neuen Album wechseln sich stimmungsvolle Popsongs mit melancholischen Balladen ab. Eine bewußte Entscheidung. »Die Reihenfolge auf diesem Album war mir sehr wichtig.« Eine Teilung in »Tanzparty« und eine deprimierende zweite Hälfte sei nicht in Frage gekommen: »Für mich ist das Leben ein Auf und Ab. Und ich wollte, daß das Album eine vollständige emotionale Reise ist.«
Mit der Pianoballade »When I Get There« ist schon der Einstieg sehr melancholisch. »Nach dem Motto: Hi, ich bin Alicia. Setz dich hin, ich muß dir was sagen und hier sind ein paar Taschentücher.« Es geht in dem Song um die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit geliebten Menschen, die nicht mehr unter uns sind. »Wir haben alle Verlust und Trauer erlebt, und das ist hart«, sagt die Sängerin, die vor anderthalb Jahren ihren Vater an den Krebs verlor – und kurz darauf die Nanny ihrer Kinder, die auch eine liebe Freundin war.
Demgegenüber steht dynamischer Pop wie der mutmachende Titelsong mit fetten Synthesizern und EDM-Beats. »Trustfall« ist übrigens das englische Wort dafür, sich gezielt fallenzulassen in der Annahme, von anderen aufgefangen zu werden. Fallenlassen, Vertrauen wagen – damit beschreibt sie nach eigener Aussage ihren aktuellen Lebensabschnitt. »Ich habe das Gefühl, als Mensch braucht man derzeit viel Vertrauen. Im Beziehungsleben, als Eltern, als Kind, wenn man sein Kind an der Schule absetzt, wenn man zur Wahl geht, sogar wenn man eine eigene Meinung hat – oder eine Vagina. Alles braucht Vertrauen.«
Die Überraschung des Albums ist »Runaway«, ein mitreißender, moderner Synthie-Popsong. Damit folgt Pink dem an die 80er Jahre angelehnten Retro-Wave-Trend, mit dem The Weeknd (»Blinding Lights«) oder die aufstrebende Band The Midnight (»Days Of Thunder«) zuletzt großen Erfolg hatten. »Die 80er haben so viel Spaß gemacht, so einfach ist das«, sagt sie. »Alles war gerade so ernst in der Welt. Ich wollte einfach ein bißchen Spaß haben und einfach tanzen.«
Hingegen singt Pink in »Hate Me« und »Lost Cause« – mit teils deutlichen Worten – über das bittere Ende einer Beziehung. Woher nimmt die zweifache Mutter, die seit gut 20 Jahren mit dem Vater ihrer Kinder, dem ehemaligen Motorradprofi Carey Hart, liiert ist, die Inspiration? »Oh nein, die Lieder sind über Carey«, stellt sie klar und lacht. »Ich bin jetzt seit 17 Jahren verheiratet. Manchmal möchte ich diesen Typen treten! Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie es erst sein muß, mit mir verheiratet zu sein.«
Passend dazu endet die neue LP mit »Just Say I'm Sorry«, einem Duett mit Chris Stapleton, das quasi der versöhnliche Abschluß dieser »emotionalen Reise« ist. Weitere Gäste sind The Lumineers und das schwedische Duo First Aid Kit. Mehr als 20 Jahre nach ihrem Debüt »Can't Take Me Home« zeigt Pink mit »Trustfall« erneut, warum sie zu den größten Stars der Popmusik zählt. Radiotaugliche Pophits und ergreifende Balladen sind ihre Spezialität. Der Stoff für authentische Texte geht der dreifachen Grammy-Gewinnerin garantiert auch in Zukunft nicht aus.
Im Sommer wird sie wieder live singen. Im Rahmen ihrer Summer Carnival Tour gibt Pink rund 20 Konzerte in Europa. Was die Fans erwartet: »Das reine Chaos. Es wird ein großer Spaß werden. Ich freue mich schon sehr.«