Ausland03. März 2022

Kiews »Internationale Legion«

Ehemalige Elitesoldaten aus NATO-Staaten beteiligen sich in der Ukraine am Krieg gegen Rußland

von German Foreign Policy

Ehemalige Angehörige von NATO-Spezialkräften kämpfen im Krieg auf ukrainischer Seite gegen Rußland, berichtet ein US-amerikanisches Nachrichtenportal. Am Wochenende bereiteten sich mehrere aus dem Dienst geschiedene westliche Elitesoldaten mit Erfahrung im Nah- und »Antiterrorkampf« darauf vor, aus Polen in die Ukraine in den Krieg zu ziehen. Die juristischen Voraussetzungen hat mittlerweile die Regierung in Kiew mit der Gründung einer »Internationalen Legion« geschaffen, um sicherzustellen, daß die einreisenden Soldaten mit fremder Staatsbürgerschaft regulären Kombattantenstatus erhalten.

Beobachter urteilen, der freiwillige Einsatz einstiger Militärs aus dem Westen ersetze in gewissem Maß reguläre NATO-Truppen, die das Militärbündnis nicht entsenden wolle, um nicht offiziell in den Krieg mit der Atommacht Rußland einzutreten. Derlei Praktiken sind unter anderem aus dem Afghanistan-Krieg der 1980er Jahre bekannt. Eine Anlaufstelle in der Ukraine ist zur Zeit eine »Georgische Legion«.

Die »Georgische Legion«

Bei der »Georgischen Legion« handelte es sich ursprünglich um eine der diversen zunächst irregulären Milizen, die im Lauf des Jahres 2014 von Freischärlern gebildet wurden, um in der Ostukraine gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk zu kämpfen. Diese hatten sich nach dem Umsturz in Kiew von der Ukraine abgespalten, freilich ohne international als eigene Staaten anerkannt zu werden. In den Milizen kämpften neben Ukrainern viele Freischärler aus anderen Ländern der früheren Sowjetunion; so bildete sich eine Miliz exilierter Tschetschenen, die nach dem Scheitern ihres Aufstandes nun in der Ukraine den Kampf fortsetzten (»Dschochar-Dudajew-Bataillon«).

Eine weitere Einheit, die 2014 gebildet wurde, ist die »Georgische Legion«, in der vormalige Militärs der georgischen Streitkräfte stark vertreten waren, darunter Veteranen des russisch-georgischen Kriegs vom August 2008. Die Truppe machte 2017 international Schlagzeilen, als drei Georgier gegenüber italienischen TV-Journalisten berichteten, sie seien im Januar 2014 in Tbilissi für einen Einsatz in Kiew auf Seiten der Maidan-Opposition angeworben worden und hätten sich am 20. Februar 2014 an den Todesschüssen auf dem Maidan beteiligt. Dabei wurden sie laut eigener Aussage von dem Georgier Mamuka Mamulaschwili angeworben und geführt, dem heutigen Kommandeur der »Georgischen Legion«.

»Den Austausch pflegen«

Die »Georgische Legion« geriet bereits vor Jahren in den Blick von Beobachtern, weil ihr eine kurze Zeit der US-Amerikaner Craig Lang angehörte, ein Irak- und Afghanistan-Veteran, der 2015 als Freischärler in die Ukraine gegangen war. Die USA-Justiz ermittelte wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen in der Ostukraine gegen ihn. Nachdem er in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt war, beging er dort gemeinsam mit einem anderen Ex-Freischärler einen Raubmord, um eine Reise nach Venezuela zu finanzieren, wo er sich am Kampf gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro beteiligen wollte. Er konnte fliehen, landete jedoch in Kiew in Auslieferungshaft.

Craig Lang hatte in der Ostukraine vor allem für die Miliz der faschistischen Partei Rechter Sektor gekämpft, die neben dem Bataillon Asow eine der bekanntesten extrem rechten Milizen in der Ukraine ist. Aktuelle Recherchen zeigen, daß extrem rechte Ukrainer, die dem Bataillon Asow nahestehen, aber eine Karriere in den Streitkräften anstreben, an Ausbildungsmaßnahmen im Ausland teilgenommen haben – den Recherchen zufolge auch in Deutschland. So soll ein extrem rechts zu verortender ukrainischer Soldat bei der »30. Internationalen Woche« der Offiziersschule des Heeres in Dresden zugegen gewesen sein. Die Veranstaltung dient nicht zuletzt dazu, »den Austausch von Angehörigen der Streitkräfte« sowie »Partnerschaften« zu pflegen.

»Wir rekrutieren Profis«

Die »Georgische Legion« hat, wie das US-amerikanische Nachrichtenportal BuzzFeed News berichtet, seit 2014 mehr als 300 westliche Freischärler aufgenommen und ihnen damit die Beteiligung am Krieg in der Ostukraine ermöglicht. Seit mehreren Wochen ist sie verstärkt bemüht, mehr westliche Ausländer einzubinden; schon Ende Januar berichtete Mamulaschwili, seine Einheit habe »mehr als 30 Anfragen« erhalten – die meisten aus den USA und Britannien. »Wir rekrutieren Profis«, erläuterte Mamulaschwili gegenüber BuzzFeed News, darauf verweisend, daß die »Georgische Legion« militärische Fähigkeiten zur Aufnahmebedingung macht, und er fügte Ende Januar hinzu: »Wir haben grünes Licht bekommen.«

Nach der Publikation des Berichts erhielt das Onlineportal E-Mails von »Dutzenden Männern aus den USA, dem Vereinigten Königreich und Ländern der Europäischen Union«, die mitteilten, sie seien interessiert, in der Ukraine gegen russische Einheiten zu kämpfen, sollten diese wirklich in das Land einmarschieren. Am Sonntag meldete BuzzFeed News, es bereiteten sich gerade zehn Elitesoldaten mit Erfahrung im Nah- und im Antiterrorkampf darauf vor, die polnische Grenze zur Ukraine zu überschreiten, um in den Krieg zu ziehen. Unter ihnen seien sechs US-Amerikaner, drei Briten und ein Deutscher.

In der Befehlskette

Dafür, daß Milizionäre wie sie in der Ukraine nicht als irreguläre Kräfte kämpfen, sondern als reguläre Soldaten den vollen Schutz des Humanitären Völkerrechts beanspruchen können, hat die Regierung in Kiew mittlerweile die Voraussetzungen geschaffen. Wie der ukrainische Präsident Wladimir Selenski am Wochenende mitteilte, haben die Streitkräfte jetzt eine »Internationale Legion« gegründet, in die Bürger fremder Staaten eintreten können. Außenminister Dmitro Kuleba bestätigte, es gebe nun »den gesetzlichen Rahmen«, ohne eine ukrainische Staatsbürgerschaft »in der Befehlskette der ukrainischen Streitkräfte zu kämpfen«.

In dieser Befehlskette steht unter anderem auch die 2016 in die Streitkräfte integrierte »Georgische Legion«. Die britische Außenministerin Liz Truss gab auf westlicher Seite grünes Licht, indem sie am Sonntag mitteilte, sie unterstütze es »auf jeden Fall«, sollten britische Bürger in der Ukraine in den Krieg gegen Rußland ziehen wollen. Letzteres ist als offizielle Position neu. Im Jahr 2014 warnte der britische Crown Prosecution Service noch explizit, Briten, die nach Syrien reisten, um dort in den Krieg zu ziehen, begingen auch dann eine Straftat, wenn sie sich syrischen Aufständischen anschlössen, die Präsident Baschar al Assad stürzen wollten. Assads Sturz zählt immerhin zu den politischen Zielen der britischen Regierung.

Wie in Afghanistan

Die Beteiligung aus dem Dienst geschiedener westlicher Soldaten am Kampf gegen die russischen Streitkräfte ist eine klare Parallele zwischen dem westlichen Vorgehen im Krieg im Afghanistan der 1980er Jahre und im heutigen Krieg in der Ukraine: Bereits damals waren unter anderem bundesdeutsche Soldaten, offiziell freigestellt, am Hindukusch im Einsatz. Zudem wurde damals der Aufstand gegen die sowjetischen Truppen genauso mit Waffen unterstützt wie heute. Prominenteste Parallele: Damals wie jetzt liefern die westlichen Staaten tragbare Luftabwehrraketen des Typs »Stinger«. In Afghanistan trugen sie maßgeblich zur militärischen Niederlage der Sowjetunion bei.