Ausland24. August 2023

Ultrarechte Terroristen mit Beziehungen bis in die Armee

Ermittler in Frankreich vereitelten Anschläge gegen Moscheen

von Ralf Klingsieck, Paris

In Paris wird ein Prozeß gegen 16 Mitglieder einer ultrarechten Terrorgruppe mit dem großspurigen Namen Action des forces opérationnelles AFO vorbereitet. Die Antiterrorismus-Sonderstaatsanwaltschaft hat die Akte Anfang Juni abgeschlossen und Anklage erhoben, doch der Prozeßtermin ist noch offen.

Vor dem Pariser Strafgerichtshof werden 16 AFO-Mitglieder stehen, 13 Männer und drei Frauen. Darunter sind mehrere ehemalige Militärs und ein Berufsdiplomat. Bis auf einen der Angeklagten, der sich lediglich für unbefugten Waffenbesitz rechtfertigen muß, wird allen vorgeworfen, eine terroristische Gruppierung gebildet und in den Jahren 2018 und 2019 Attentate gegen Moscheen und einzelne Imame geplant und vorbereitet zu haben.

Die Terroristengruppe wurde durch einen eingeschleusten Ermittler aufgeklärt und enttarnt, so daß ihre Mitglieder von der Polizei festgenommen werden konnten, bevor sie aktiv wurden. Bei Verhören in der Untersuchungshaft haben die Terroristen erklärt, sie hätten den »Großen Austausch« der geborenen Franzosen gegen Muslime und damit verbunden neue islamistische Anschläge und einen dem nachfolgenden gefürchtet und wollten dem zuvorkommen, indem sie gezielt salafistische Imame »unschädlich machen«. Ferner wollten sie in den Supermärkten der weitgehend von Muslimen bewohnten Stadtviertel willkürlich Halal-Nahrungsmittel mit Rattengift vergiften und im Verkehrsstau Bomben in die Autos muslimischer Familien werfen.

Wie die Ermittler festgestellt haben, ist die AFO ursprünglich aus der rechtsnationalistischen Organisation Volontaires pour la France (VPF) hervorgegangen, bei der es sich um einen bei den Behörden eingetragenen Verein handelte, den der frühere General Antoine Martinez und Yvan Blot, ein ehemaliger EU-Abgeordneter der Front National, 2015 als Reaktion auf die islamistischen Terroranschläge von Paris gebildet haben und der sich zum Ziel setzt, »die Islamisierung und Afrikanisierung Europas« zu bekämpfen, »die französische Identität« zu verteidigen und »gegen die internationalen Lobbies zu kämpfen, die sich die demokratische Macht des Volkes aneignen wollen«.

Der pensionierte General Antoine Martinez ist aber nicht nur Mitbegründer und Vorsitzender der Volontaires pour la France, sondern er gehörte auch 2021 zu den Initiatoren und Erstunterzeichnern eines Offenen Briefes von 1.500 ehemaligen oder noch aktiven Militärs, darunter zwei Dutzend Generäle und mehr als 100 Offiziere, an Präsident Emmanuel Macron. Sie forderten die offensive »Verteidigung der abendländischen Zivilisation« in Frankreich. Gegen »die islamistischen Bedrohungen« und gegen »die Horden aus den Vorstädten« müsse »konsequent und hart durchgegriffen« werden. Unverhohlen wurde gedroht: »Wenn die Laschheit anhält und sich noch weiter ausbreitet, wird das unausweichlich zu einer Explosion und zum Eingreifen unserer Kameraden im aktiven Dienst führen.«

Da die VPF um ihre Legalität besorgt war und es daher bei politischen Erklärungen beließ und dem keine Handlungen folgten, hatten einige Gründungsmitglieder im Sommer 2017 – mit oder ohne Wissen der Führung – einen militärischen Arm dieser Organisation, die AFO, gebildet. Einige Monate später wandten sie sich enttäuscht völlig von der VPF ab. Den Initiatoren dieser Abspaltung, Guy S. und Dominique C., bei denen es sich um die Verantwortlichen der VPF für Nord- und für Westfrankreich handelte, folgten mehr als 50 Mitglieder.

Ihre neue Organisation AFO war in drei »Kreise« untergliedert. Den »weißen Kreis« bildeten Mitglieder, die sich nicht an »Aktionen« beteiligen, sondern logistische Unterstützung leisten sollten. Beim »grauen Kreis« handelte es sich um Ausbilder, die auch bei »Aktionen« praktisch helfen sollten. Der »schwarze Kreis« setzte sich aus einem Dutzend Personen zusammen, die den anderen AFO-Mitgliedern unbekannt bleiben sollten und die mit der Durchführung der bewaffneten »Aktionen« beauftragt waren.

Neue Mitglieder suchte die AFO vor allem unter aktiven Angehörigen und Reservisten der Armee, bei der Polizei und der Gendarmerie sowie bei privaten Sicherheitsdiensten und in Vereinen von Sportschützen. Dazu gab es auf der von der AFO eingerichteten Internetseite guerredefrance.fr (Frankreichs Krieg) einen Reiter »Bürger-Soldaten«, wo interessierte Personen aufgerufen wurden, sich militärisch »am Krieg zu beteiligen, der sich auf dem Territorium Frankreichs abzeichnet«.

Als Gegner wurden alle »Aktivisten des muslimischen Systems« und »Schwarzafrikaner, selbst solche mit katholischem Glauben« ausgemacht, ferner »aktive Linke« und »Menschenrechts-Aktivisten«. Die AFO-Führungspersonen trugen Tarnnamen – beispielsweise »Richelieu« für Guy S. und »Attila« für die militanteste Frau – und kommunizierten untereinander per Internet mit Hilfe einer verschlüsselten Nachrichten-Software.

Die Terrorgruppierung AFO wurde über lange Zeit durch den Inlandgeheimdienst DGSI beobachtet, dem es bereits 2018 gelang, einen eigenen Mitarbeiter einzuschleusen. Dieser hatte über die AFO-Internetseite den Kontakt hergestellt und es gelang ihm recht schnell, das Vertrauen der Führungspersonen zu gewinnen. Dadurch erlangte er sehr weit gehenden Einblick in die Personalstruktur, die Waffen- und Sprengstoffbestände und die Pläne der Organisation. Dazu gehörte beispielsweise, den Schweizer Imam und Islam-Forscher Tariq Ramadan zu ermorden, dadurch einen »Aufruhr der muslimischen Gemeinschaft« zu provozieren und so den Staat zu zwingen, »Partei zu ergreifen«.

Dank der Informationen des DGSI-Agenten konnten am 23. Juni 2018 die AFO-Gründer Philippe C. und Daniel R. sowie rund ein Dutzend weiterer Führungspersonen festgenommen und Beweismaterial sichergestellt werden. Nach einer mehrmonatigen Untersuchungshaft, während der sie verhört wurden und dabei durchweg versuchten, ihre eigene Rolle herunterzuspielen und sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben, wurden alle bis zum Prozeß unter Polizeiaufsicht wieder auf freien Fuß gesetzt.