Libanon zwei Jahre nach der Explosion von Beirut
Getreidelieferung blockiert
USA und Partnerländer setzen Lebensmittel als politisches Druckmittel ein
Zwei Jahre nach der Explosion im Hafen von Beirut ist das große Getreidesilo in Teilen zusammengebrochen. Das imposante Gebäude ist nicht nur ein Symbol für die Hafenexplosion. Es ist auch ein Mahnmal dafür, wie die USA und Partnerländer Lebensmittel als politisches Druckmittel und als Ware einsetzen, um sich zu bereichern.
Das 50 Meter hohe Getreidesilo war bei der schweren Explosion am 4. August 2020 schwer beschädigt worden, war aber nicht zusammengebrochen. Den westlichen Teil von Beirut bewahrte das imposante Gebäude vor schwerer Zerstörung, während die direkt am Hafen liegenden alten Viertel von Beirut schwer verwüstet wurden. Damals waren mehr als 2.000 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die seit 2014 in einem Hangar gelagert hatten. Das Düngemittel, das je nach Zusammensetzung auch als Sprengstoff eingesetzt werden kann, war im September 2013 von dem Frachter MV Rhosus in Georgien aufgenommen worden und den Papieren nach für eine Sprengstofffabrik in Mosambique (FEM) bestimmt. Die Umstände, wie und warum die gefährliche Lieferung in Beirut strandete und der späteren Explosion sind bis heute nicht geklärt.
Kurz vor dem zweiten Jahrestag der Explosion, die 200 Menschenleben und enorme Zerstörung forderte, ist das Getreidesilo nun am 31. Juli teilweise zusammengebrochen. Nach Angaben des amtierenden Ministerpräsidenten Najib Mikati hatte sich dort lagerndes Getreide erhitzt und ein Brand war ausgebrochen. Wiederholte Versuche, den Brand zu löschen, seien nicht geglückt, die Feuerwehrleute seien schließlich aufgefordert worden, das Gelände aus Sicherheitsgründen zu verlassen. Tausende Tonnen Getreide waren nach der Explosion vor zwei Jahren in dem beschädigten Silo belassen worden, um das Gebäude zu stabilisieren. Eine Entfernung des Getreides, so die Befürchtung, hätte das Silo zum Einsturz bringen können.
Krise im Libanon
Der Libanon ist seit 2019 von einer anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise schwer gezeichnet. Nach den Parlamentswahlen im vergangenen Mai gestaltet sich darüber hinaus die Bildung einer neuen Regierung weiterhin schwierig. Die USA, EU und westliche Länder, vor allem Frankreich, machen ihre Unterstützung für den Libanon von »Reformen« abhängig. Sobald diese umgesetzt würden, könne das Land mit Geld aus Brüssel und Washington und mit Krediten des Internationalen Währungsfonds rechnen. Die arabischen Golfstaaten, darunter vor allem Saudi-Arabien, haben ihr langjähriges Interesse an dem Land weitgehend verloren.
Um die offensichtliche Not im Libanon zu lindern, setzt der Westen unter Einbeziehung der UNO diverse Nichtregierungsorganisationen als »soft power« ein. Deren Aufgabe ist es, im Zielland Macht auszuüben, indem die Bevölkerung und politische Akteure – die so genannte Zivilgesellschaft – beeinflußt werden. Zentrales Mittel dabei ist der Einsatz von Hilfsgeldern.
Getreidelieferung von Sanktionen blockiert
Nach der Intervention der russischen Armee in die Ukraine, wurde Rußland vom Westen beschuldigt, »Weizen als Waffe« einzusetzen. Das treffe vor allem arme Länder wie den Libanon, hieß es auch von Seiten der EU. Rußland ist mit einem Anteil von rund 24 Prozent weltweit der größte Getreideexporteur, gefolgt von den USA und Kanada mit jeweils rund 12 Prozent. Frankreich nimmt mit einem Anteil von rund 10 Prozent Platz vier der Liste der weltweiten Getreideexporteure ein, gefolgt von der Ukraine mit einem Anteil von rund 9 Prozent. Rußland beliefert vor allem Länder des Nahen und Mittleren Ostens und Afrika mit Getreide, darunter auch den Libanon und vor allem Ägypten.
Seit Beginn des aktuellen Ukraine-Konflikts wurden Getreidelieferungen sowohl aus Rußland als auch aus der Ukraine erschwert. Grund für ausbleibende Lieferungen aus der Ukraine war die unklare Lage um die Hafenstadt Odessa. Sanktionen der EU und der USA gegen Rußland führten dazu, das Schiffsfirmen und Versicherungen Getreideladungen aus Rußland nicht übernehmen und versichern wollten aus Angst, selber von den Sanktionen betroffen zu werden.
Rußland nahm die Getreidelieferungen teilweise über den Seehafen Sewastopol auf der Krim wieder auf. Von dort startete kürzlich auch der Frachter Laodicea, der unter syrischer Flagge fährt und 2015 von den USA unter Sanktionen gestellt wurde. Seit einer Woche wartet das Schiff im nordlibanesischen Hafen Tripoli darauf, seine Ladung aus Mehl und Gerste zu löschen.
Verhindert wird die Entladung von der Ukraine, die behauptet, Rußland habe das Getreide »gestohlen«. Eine Untersuchung der libanesischen Behörden hat den Vorwurf nicht bestätigt. Die Ladung ist teilweise für einen privaten Importeur im Libanon und teilweise für Syrien gedacht. In beiden Ländern fehlt es an Getreide und Mehl.