Ausland28. August 2021

Afghanistan:

Kein sauberes Ende für einen schmutzigen Krieg

von John Wojcik, Chefredakteur von »People's World«, New York

Das russische Außenministerium gab am Donnerstag als erstes bekannt, daß bei einem Selbstmordanschlag vor dem Internationalen Flughafen in Kabul mindestens zwei Menschen getötet und 15 weitere verletzt wurden. Weitere Explosionen in Kabul, darunter eine in einem großen Hotel, wurden ebenfalls gemeldet. Spätere Berichte sprachen von mindestens 15 getöteten USA-Bürgern und Afghanen.

Am späten Mittwoch hatte die USA-Botschaft ihre Bürger an drei Gates des Flughafens gewarnt, diesen aufgrund einer nicht näher bezeichneten »Sicherheitsbedrohung« sofort zu verlassen. Auch Australien, Britannien und Neuseeland rieten ihren Bürgern am Donnerstag, dem Flughafen fernzubleiben, wobei der australische Außenminister erklärte, es bestehe eine »sehr hohe Gefahr eines Terroranschlags«.

Hinter den Bombenanschlägen wird eine extremistische Gruppe, »ISIS K«, vermutet. Sie hat eine Reihe brutaler Anschläge verübt, die sich vor allem gegen die schiitische muslimische Minderheit Afghanistans richteten, darunter ein Angriff auf ein Entbindungskrankenhaus in Kabul im Jahr 2020, bei dem Frauen und Säuglinge getötet wurden.

Die Taliban haben in Afghanistan gegen den »Islamischen Staat« gekämpft. »ISIS K«-Leute wurden jedoch während des raschen Vormarschs der Taliban wahrscheinlich zusammen mit anderen Gefangenen aus den Gefängnissen befreit. Möglicherweise haben die Extremisten schwere Waffen und Ausrüstung erbeutet, die von den afghanischen Truppen bei ihrer überstürzten Flucht zurückgelassen wurden.

Trotz der Warnungen westlicher Diplomaten strömen jedoch Tausende Afghanen zum Flughafen, in der Hoffnung, einen Platz in der von den USA geführten »Luftbrücke« zu ergattern, die nach Angaben der USA-Regierung bereits mehr als 100.000 Menschen aus dem Land ausgeflogen hat.

Die bürgerliche Presse hat sich auf die »Luftbrücke« gestürzt und die Regierung Biden für die angebliche schlechte Ausführung der Operation verurteilt. Wenn sie auch einräumen, daß die Bevölkerung der USA den Abzug mit überwältigender Mehrheit befürwortet, betonen die Kommentatoren der großen Medien, daß die Bürger »die Art und Weise«, wie er durchgeführt wurde, nicht unterstützen. Sicher würde jeder ein »Hollywood-Ende« bevorzugen, aber schmutzige Kriege enden eben nicht auf diese Weise.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Menschen in den USA in den Wochenschauen und Filmen mit »Hollywood-Enden« dieses schrecklichen Krieges überschüttet. In den westeuropäischen Städten gab es immer wieder Szenen, in denen sich glückliche Menschen um die US-amerikanischen Befreier scharten, die durch ihre Städte marschierten. Die Kriege der USA enden mit einem glücklichen Ende für alle – so lautete die Botschaft.

Nach dem Vietnamkrieg bekamen die Menschen in den USA ganz andere Bilder zu sehen – ein Video, in dem gezeigt wurde, wie Hubschrauber vom Dach der USA-Botschaft in Saigon abhoben, als die letzten Truppen von den vietnamesischen Befreiern aus dem Land vertrieben wurden und die jahrzehntelange Kolonialherrschaft und die ausländische Einmischung endlich beendet waren. Tausende US-Amerikaner und vietnamesische Unterstützern der Besetzung des Landes wurden zurückgelassen.

Wie der Krieg in Vietnam war auch der Krieg in Afghanistan von Anfang an, als sich die USA in die Angelegenheiten des Landes einmischten, ein schmutziger Krieg. In den 1980er Jahren unterstützte die CIA die fundamentalistischen Kräfte, aus denen schließlich die Taliban hervorgingen – und ebnete damit den Weg für die spätere Übernahme des Landes durch die Taliban. Davor hatte Afghanistan eine fortschrittliche sozialistische Regierung, die das Land auf den Weg des Fortschritts und der Demokratie gebracht hatte.

Es blieb ein schmutziger Krieg, als die USA intervenierten, um die Taliban-Regierung durch ein Marionettenregime zu ersetzen, das angeblich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 uns alle vor dem Terrorismus retten sollte. Die USA haben diese korrupte und unpopuläre Regierung dann 20 Jahre lang gestützt, lange nachdem behauptet werden konnte (falls dies jemals wahrheitsgemäß möglich war), daß Afghanistan der Ort war, von dem aus künftige Terroranschläge auf die USA verübt werden könnten.

Wenn überhaupt, dann stärken die Anschläge vom Donnerstag auf dem Kabuler Flughafen, während die Luftbrücke auf ihr Ende zusteuert, die Argumente derjenigen, die sagen, wir sollten uns aus diesem schmutzigen Krieg zurückziehen. Das »Hollywood-Happy-End« wird es nie geben, denn ein sauberer »Sieg« war von Anfang an ein unmögliches Ziel.

Man kann sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen, eine fortschrittliche Regierung stürzen, an ihrer Stelle rechte religiöse Fundamentalisten einsetzen und sie dann durch eine korrupte Marionettenregierung ersetzen, die nach der Pfeife der Besatzer tanzt, und am Ende eitel Sonnenschein und bunte Regenbögen erwarten.

Diejenigen, die sagen, daß sie den Rückzug unterstützen, aber nicht die Art und Weise, wie er durchgeführt wurde, haben bis jetzt keine alternative Ausstiegsstrategie vorgeschlagen. Das liegt daran, daß es absolut keinen sauberen Weg gibt, einen schmutzigen Krieg zu beenden – einen Krieg, der Billionen von Dollar und unzählige Menschenleben gekostet hat.

Stattdessen wird das Blutbad für die Menschen in Afghanistan weitergehen, lange nachdem die USA bereits ihren nächsten Krieg begonnen haben.