Kampf gegen Ölkonzern
Dakota-Access-Pipeline in den USA: Kampf in entscheidender Phase
Die indigenen Völker Nordamerikas lassen nicht nach im Kampf gegen die Öl- und Gasindustrie und für den Schutz des Lebens auf der Erde. Derzeit ist wieder Druck auf die USA-Regierung angesagt, die hart umkämpfte Dakota-Access-Pipeline (DAPL) stillzulegen. Deren Bau hatte 2016 einen kollektiven Aufstand auf dem Land der Standing Rock Sioux im Bundesstaat North Dakota ausgelöst, der von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen aus den USA und aus aller Welt unterstützt wird.
In einer per Video verbreiteten Stellungnahme zur aktuellen Situation erklärt Janet Alkire, Vorsitzende der Standing Rock Sioux: »Der Kampf ist noch nicht vorbei – der Kampf für unser Wasser, die Ungeborenen und für Mutter Erde!« Die gegen den erklärten Willen und jahrelangen Protest der Betroffenen über ihr Gebiet geleitete Pipeline stelle »einen fortwährenden Hausfriedensbruch gegen die Standing Rock Sioux« dar. Jeden Tag bestehe die Gefahr, daß eine Havarie »unsere wertvollste Wasserquelle, den Missouri River, vergiftet«, warnt Janet Alkire.
Für die abschließende Umweltverträglichkeitserklärung (Environmental Impact Statement, EIS) und damit für die Erteilung einer endgültigen Betriebserlaubnis für die Pipeline ist das U. S. Army Corps of Engineers (USACE) zuständig. Seit Mitte September liegt die Erklärung nun im Entwurf aus und wird von den Sioux scharf kritisiert. Damit ist die Phase, in der Betroffene und auch die Öffentlichkeit ihre Einwände zu dem Statement abgeben können, eingeleitet. Alkire bittet deshalb »unsere indigenen Stammesnationen, unsere Freunde und Verbündeten« darum, sich massenhaft dem Kampf anzuschließen und gegen die Umweltverträglichkeitserklärung Einspruch zu erheben. »Von uns wird erwartet, daß wir uns an das Gesetz halten, also erwarten wir das gleiche vom Armeekorps«, schließt die Vorsitzende ihr Plädoyer.
Gerichtsbeschluß ignoriert
Im Newsletter zu dem vom Aktionszentrum des Lakota People’s Law Project (LPLP) weltweit verbreiteten Video bekräftigt das gemeinnützige Rechtshilfeprojekt, es sei »jetzt an der Zeit, aktiv zu werden und DAPL zu stoppen« und »die Standing Rock Sioux in diesem kritischen Moment zu unterstützen«.
Es ist mehr als sechs Jahre her, daß damit begonnen wurde, Rohöl durch die neugebaute DAPL zu pumpen, und fast anderthalb Jahre, seit das Bezirksberufungsgericht in Washington, D.C. den Versuch des texanischen Pipelinebetreibers Energy Transfer Partners (ETP) zurückwiesen hat, ohne Erstellung der erforderlichen Umweltverträglichkeitserklärung auszukommen. Aber auch trotz einer weiteren gerichtlichen Anordnung und ohne die rechtsgültige Betriebserlaubnis hat das Unternehmen seine Pipeline bislang immer noch nicht stillgelegt.
Das Lakota People’s Law Project bezeichnet den EIS-Entwurf als »Schwindel, der von einem dem American Petroleum Institute angeschlossenen Unternehmen erstellt wurde, das sich gegen Standing Rock und für DAPL eingesetzt hat«. Auch wegen dieses Interessenkonflikts fordern die Standing Rock Sioux, den Entwurf für ungültig zu erklären und die Pipeline »bis zu einer unparteiischen Überprüfung stillzulegen«.
Das sei die »letzte, vielleicht aber beste Chance, DAPL zu beenden«, erklärte Chase Iron Eyes von den Oglala Sioux, der als Anwalt und Kodirektor für das LPLP arbeitet. »Und hier kommt ihr ins Spiel«, richtet er sich im Newsletter direkt an die Kräfte der internationalen Solidarität. »Ihr habt jetzt noch wenige Wochen Gelegenheit, öffentliche Kommentare abzugeben und das Armeekorps schriftlich aufzufordern, den Betrieb der Pipeline zu stoppen und eine neue Umweltverträglichkeitsstudie zu fordern.«
Das Law Project hatte bereits im März 2022 den Verdacht geäußert, das Ingenieurkorps der Armee werde eine dem Fortbestand der DAPL gegenüber positive EIS-Studie abgeben. Wegen der »Dimension der Verschwörung« – zwischen dem USACE und dem Betreiber ETP – und dem »Ausmaß der Rücksichtslosigkeit bei der Durchsetzung des Projekts im Namen des Profits« bereitete die Sioux-Vorsitzende Janet Alkire die Öffentlichkeit schon damals auf die Möglichkeit vor, Eingaben gegen die zu erwartende »mangelhafte Umweltverträglichkeitserklärung« einzureichen.
Veränderung im internationalen Geschäft
Niemand ahnte, daß dieser Moment durch die Behörden noch so lange hinausgezögert würde. Aber zu jenem Zeitpunkt setzte bereits eine grundlegende Veränderung im internationalen Geschäft mit fossilen Brennstoffen ein, die neben der militärischen Hochrüstung vage unter dem Begriff »Zeitenwende« gefaßt ist.
Nun ist der von Janet Alkire schon vor anderthalb Jahren anvisierte Moment des Handelns gekommen, und es ist notwendiger denn je, eine unparteiische Umweltverträglichkeitsprüfung ohne Einmischung der fossilen Brennstoffindustrie zu fordern. Andernfalls bedeutet es, daß die Pipeline weiterhin die Lebensgrundlage der Standing Rock Sioux und von Millionen weiterer Menschen in der Region des Missouri River in North und South Dakota gefährden kann.
Der Stausee des Lake Oahe, der sich entlang dem Missouri 372 Kilometer bis nach Bismarck, der Hauptstadt North Dakotas erstreckt, ist der drittgrößte der USA und damit eines der größten Trinkwasserreservoirs. Eine Ölhavarie wäre »eine Katastrophe«, warnte Chase Iron Eyes, weshalb es »eurer Botschaft der Solidarität bedarf: Bitte steht den Standing Rock Sioux zur Seite. Stoppen wir gemeinsam diese Pipeline – jetzt sofort!«
Eingaben gegen Pipeline
Die Standing Rock Sioux wollen die Dakota Access Pipeline (DAPL), die ohne die im National Environmental Policy Act (NEPA) geforderte Erlaubnis betrieben wird, stilllegen. Im September hat das dafür zuständige U. S. Army Corps of Engineers (USACE) einen Entwurf der Umweltverträglichkeitserklärung (EIS) für die DAPL vorgelegt. Daraufhin haben die indigenen Aktivisten eine Eingabe eingereicht.
Die angeführten Gründe: Es habe keine »vollständige und faire Diskussion über die Auswirkungen« mit den Standing Rock Sioux gegeben. Das DAPL-Projekt negiere die Rechte der Sioux auf Selbstverwaltung, ihre im Vertrag von Fort Laramie aus dem Jahr 1868 vereinbarten Jagd- und Fischereirechte sowie ihre Wasserrechte am Missouri River und seinen Nebenflüssen. Jede Rohölhavarie der DAPL würde das Trinkwasser vergiften und die Gesundheit aller in der Standing Rock Reservation gefährden.
Die Beteiligung des American Petroleum Institute (API) am EIS-Entwurf sei inakzeptabel wegen eines Interessenkonflikts, da das API im Klageverfahren »Standing Rock Sioux Tribe gegen USACE« Partei gegen die Sioux und für DAPL ergriffen hat.
Laut dem Bezirksberufungsgericht in Washington, D.C. darf DAPL nicht auf Reservatsgemeindeland in Betrieb genommen werden – das sei ein Verstoß gegen den Mineral Leasing Act von 1918 – und weil eine gültige Genehmigung gemäß Paragraph 10 des Rivers and Harbors Act für den Betrieb in einem Hochwasserschutzprojekt fehle.
»Energy Transfer Partners« habe den Anspruch auf eine Betriebserlaubnis verwirkt, da an der Pipelinetrasse Grabstätten der Sioux zerstört wurden – ein Verstoß gegen den National Historic Preservation Act.
Folglich müsse die USA-Regierung die DAPL außer Betrieb setzen und eine unparteiische neue Unverträglichkeitsstudie erstellen lassen, die alle von den Standing Rock Sioux vorgebrachten Bedenken einbezieht.
Konkurrenz vom Militär weggesprengt
In der Frage der Ausbeutung der Energieressourcen Erdgas und Rohöl geschah vor sieben Jahren Entscheidendes. Zwei große Pipelineprojekte trafen auf vehementen Widerstand. Der Unterschied: Bei dem einen Projekt waren die Gründe imperiale Konkurrenz und Weltmachtpolitik, bei dem anderen der Widerstand indigener Völker gegen die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen.
Während im Sommer 2016 Tausende »Wasserschützer« in North Dakota den Bau einer Pipeline der Frackingindustrie der USA zu blockieren versuchten, sorgte in Europa die Blockadehaltung der polnischen Regierung für Meldungen, daß der Bau des zweiten Strangs der Gaspipeline »Nord Stream 2« durch die Ostsee sich »womöglich verzögern« werde. Die Dachgesellschaft Nord Stream, der fünf westeuropäische Unternehmen angehörten, die die Gaspipeline gemeinsam mit dem russischen Konzern Gasprom bauen wollten, sah sich am 12. August 2016 zu der Erklärung genötigt, das Projekt werde »wie geplant realisiert«, und die polnische Blockadehaltung werde »keinen Einfluß auf die Projektierungs- und Bauarbeiten haben«.
Ein Irrtum, wie heute bekannt ist. Denn schon damals koordinierte die USA-Regierung unter Präsident Barack Obama den Widerstand »befreundeter« osteuropäischer Staaten gegen »Nord Stream 2«. Es galt stets, den Ausbau der Ostseepipeline zu verhindern, um künftig verflüssigtes Schiefergas aus den USA nach Europa zu verkaufen.
Einen provozierten Stellvertreterkrieg und eine willfährige und russenfeindliche deutsche Bundesregierung weiter erreichten die USA ihr Ziel 2022. Das Projekt »Nord Stream 2« war beendet, wurde gar durch Sabotage zerstört. Und Berlin ließ brav Terminals für die teuren Lieferungen von »Liquefied Natural Gas« (LNG) aus den USA aus dem Boden stampfen – »wertebasiert«.
Was parallel im USA-Bundesstaat North Dakota lief, hatte damit zu tun, auch wenn es bei der Pipeline der texanischen Energy Transfer Partners (ETP) um Öl und nicht um Gas geht. ETP plant, große Rohölvorkommen aus der sogenannten Bakken-Formation herauszupressen, die sich bis nach Kanada erstreckt. Die Ausbeutung versprach erst seit den Fortschritten beim Fracking gigantische Profite. Die USA waren durch sie 2014 zum weltgrößten Ölproduzenten aufgestiegen. Deshalb mußte die von den Sioux als »schwarze Schlange« bekämpfte, 1.900 Kilometer lange Pipeline als Weltmarkttrasse gebaut und der Widerstand gebrochen werden.
Auch am Missouri wurde daher wie später in der Ostsee militärische Sabotage angewandt. In Dakota allerdings gegen die Hunderttausende zählende friedliche Widerstandsbewegung gegen die DAPL. Polizei, Militär und Privatarmeen wie »Tiger-Swan« führten diesen »Bürgerkrieg von oben« brutal.
Die Regierung der USA in Washington war nie zimperlich, wenn es um den Griff nach Uran-, Öl- und Gasvorkommen in den Reservaten ging. Heute ist jede USA-Pipeline von strategischer Bedeutung für die fossile Industrie, weshalb der indigene Widerstand als Teil der Umweltbewegung dringend internationaler Solidarität bedarf.