Rangeleien im Mittelmeer
Türkei verschärft im Kampf um Rohstoffressourcen und Einfluß im Mittelmeer Konfrontation mit NATO-Partnern
Frankreich verstärkt in dem Konflikt im östlichen und im südlichen Mittelmeer den Druck auf NATO-Partner Türkei. Anlaß ist ein Vorfall vom 10. Juni. An jenem Tag versuchten mehrere EU- und NATO-Kriegsschiffe ein mutmaßlich mit Waffen beladenes Frachtschiff auf dem Weg in die libysche Hauptstadt Tripolis zu kontrollieren. Die griechische Fregatte »Spetsai«, im Rahmen des EU-Einsatzes »Irini« im Mittelmeer präsent, ließ davon ab, als türkische Kriegsschiffe, die den Frachter begleiteten, per Funk zu erkennen gaben, sie würden eine Überprüfung nicht hinnehmen.
Die Türkei unterstützt die libysche Kriegsfraktion, die von der UNO anerkennte »Einheitsregierung« in Tripolis nicht zuletzt mit Waffen. Als die französische Fregatte »Courbet« – sie kreuzte ihrerseits im Rahmen der NATO-Operation »Sea Guardian« im Mittelmeer – ebenfalls den Frachter kontrollieren wollte, richtete ein türkisches Kriegsschiff gar sein Feuerleitradar auf sie.
Paris veranlaßte daraufhin die NATO, sich mit dem Vorfall zu befassen. Da das Militärbündnis aber offenbar die Türkei bei der Stange halten will und sie nur mit Samthandschuhen anfaßt, hat das französische Kriegsministerium nun angekündigt, bis der Konflikt beigelegt sei, werde man sich nicht mehr an »Sea Guardian« beteiligen.
Am Donnerstag stärkte auch der deutsche Außenminister Heiko Maas – höchster diplomatischer Vertreter der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft sowie der rotierenden Präsidentschaft im UNO-Sicherheitsrat, der Türkei den Rücken. Er bot dem türkischen Außenminister Cavusoglu bei dessen Besuch in Berlin eine Tribüne, um die türkische Version der Zwischenfälle im Mittelmeer darzustellen und sogar vor der Presse eine Entschuldigung von Frankreich zu verlangen.
Der Konflikt zwischen den beiden NATO-Ländern Türkei und Frankreich hat zwei Ebenen. Eine davon betrifft die Frage, wer in den strategisch bedeutenden Gebieten des Nahen Ostens und Nordafrikas wieviel Macht ausüben kann. Zweitens geht es um den Zugriff auf Rohstoffe, und zwar zum einen in Libyen, zum anderen im östlichen Mittelmeer. In Libyen ist Frankreich vor einigen Jahren dazu übergegangen, den ostlibyschen Warlord Khalifa Haftar zu unterstützen.
Und wie es der Zufall will: Anfang März 2018 teilte der französische Energiekonzern Total mit, er habe – zusätzlich zu seit vielen Jahren bestehenden Förderprojekten in Libyen – für 450 Millionen US-Dollar einen Anteil von 16,33 Prozent an der Waha Oil Company übernommen. Die aber besitzt Konzessionen vor allem im von Haftar kontrollierten Osten des Landes. Die Tatsache nun, daß Haftars Gegner – die Tripolis-Fraktion – seit dem Frühjahr dank erheblicher militärischer Unterstützung der Türkei Richtung Osten vorrücken, versetzt Paris in Alarmstimmung.
Hinzu kommt eine Zuspitzung im Kampf um die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer, im Seegebiet zwischen Zypern, Ägypten und Israel. Die Lagerstätten dort können zwar nicht mit den ganz großen Erdgasfeldern etwa in Katar, im Iran oder gar in Rußland mithalten. Sie reichen aber aus, um vor allem innerhalb der EU die absehbaren Ausfälle durch den bevorstehenden Förderstopp in den Niederlanden und die sinkende Förderung in der Nordsee auszugleichen. Eine Pipeline aus den Fördergebieten ist in Planung.
Die Türkei ist von den federführenden Staaten – Zypern, Griechenland, Israel – nicht in das Vorhaben eingebunden worden. Ankara sucht sich nun dort seit einigen Jahren eigenständig Zugriff zu verschaffen. Es erhebt Anspruch auf größere Seegebiete als üblich – und tritt sogleich als Fürsprecher des von ihm besetzten Nordzyperns auf, das an der Förderung beteiligt werden müsse. Türkische Bohrschiffe haben bereits vor Monaten mit Erkundungsprojekten in mehreren von der Republik Zypern beanspruchten Feldern begonnen.
Der Konflikt war eines der Themen, über die der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Donnerstag in Berlin mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas sprach. Cavusoglu stritt dabei alle Vorwürfe Frankreichs schlicht ab und verlangte eine Entschuldigung. Maas versuchte abzuwiegeln und forderte, die Differenzen »im Dialog« zu beseitigen. Berlin ist nach wie vor um eine enge Kooperation mit Ankara bemüht – vor allem aus geostrategischen Erwägungen.
Dies ist auch der Grund, weshalb Sanktionen der EU gegen die Türkei bislang nur zwei führende Angestellte des Mineralölkonzerns Türkiye Petrolleri (TPAO) treffen. Die französische Regierung will die Sanktionen bei einem Treffen der EU-Außenminister am 13. Juli ausweiten.
Jörg Kronauer
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu triumphiert am Donnerstag vor der Presse in Berlin, und sein deutscher Kollege Heiko Maas schaut zu (Foto: Michael Sohn/POOL/AFP)