Der rote Löwe am Hindukusch
Heute in zwei Wochen sollen in Afghanistan Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Doch der mittlerweile sogar in bürgerlichen Medien als Bürgermeister von Kabul verspottete Amtsinhaber Hamid Karsai sieht sich selbst in seinem Refugium Angriffen von Besatzungsgegnern ausgesetzt.
So verfehlte eine von Rebellen abgefeuerte Rakete am Dienstag nur knapp die Botschaft der USA in der afghanischen Hauptstadt und beschädigte das Haus eines hochrangigen Mitarbeiters des Innenministeriums. Der Raketenangriff mache deutlich, daß Karsai noch nicht einmal in Kabul für Sicherheit sorgen könne, erklärte ein Sprecher der Taliban und kündigte bis zum 20. August weitere Angriffe auf die Hauptstadt an.
Derweil wachsen auch die Schwierigkeiten und Verluste der westlichen Besatzungstruppen. Allein im Juli wurden offiziellen Angaben zufolge 74 ihrer Soldaten getötet – mehr als in irgendeinem anderen Monat seit dem Beginn der Militärintervention im Oktober 2001. Unter den Toten waren demnach 3 US-Amerikaner und 22 Briten. Der bis dahin verlustreichste Monat für die US-Streitkräfte war der September 2008, als sie 26 Soldaten verloren.
Mittlerweile befinden sich ungefähr 90.000 Besatzungssoldaten am Hindukusch und die Militärminister der NATO-Staaten haben US-Präsident Obama im Juni versprochen, deren Zahl bis Ende dieses Jahres auf über 100.000 zu erhöhen.
Dies, obwohl die bisherige Bilanz des seit fast acht Jahren währenden Krieges und die gegenwärtige Lage in Afghanistan niederschmetternd sind: Nach Angaben der Besatzungsmächte wurden 50.000 Menschen getötet, davon waren offiziell 9.000 Zivilisten. In der Drogenproduktion wird dieses Jahr eine Rekordernte erwartet. Acht Millionen Menschen leiden Hunger. Nur jeder vierte der 32 Millionen Einwohner hat Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Luxemburg, das sich seit Juli 2003 an der kurz darauf unter NATO-Kommando gestellten »Internationalen Afghanistan Schutztruppe« ISAF beteiligt, ist derzeit mit einem Offizier, einem Unteroffizier, einem »Caporal de carrière« und sechs »Soldats volontaires« in Afghanistan vertreten. Auf den ersten Blick mag dieser Beitrag gering erscheinen, doch wenn man die Zahl der Besatzungssoldaten mit der Einwohnerzahl in Verhältnis setzt, liegt das Großherzogtum unter den NATO-Staaten im oberen Mittelfeld.
Zudem darf nicht vergessen werden, daß die AWACS-Flugzeuge der NATO allesamt eine luxemburgische Flugzeugkennung haben. Diese fliegenden Flughafentower, deren Radar bei einer Flughöhe von 10.000 Metern den Luftraum in einem Umkreis von über 300 Kilometern überwachen kann, dienen nicht nur der »Überwachung des zivilen Luftverkehrs«, wie das Brüsseler Hauptquartier des Militärbündnisses stets behauptet.
Denn die AWACS-Maschinen mit ihren auf dem Flugzeugrumpf installierten Radartellern können auch »Aufgaben der technischen Gefechtsführung« wahrnehmen. Dabei halten sie die Zielanflugkorridore für Kampfbomber, Kampfhubschrauber und unbemannte Kampfdrohnen frei. Sie dienen auch als Kommunikationsrelais zwischen Kampfflugzeugen, der Kommandostation und Bodentruppen und können somit auch Feuerleitfunktionen übernehmen.
Die hiesige Friedensbewegung sollte daher nicht nur den sofortigen Abzug der neun luxemburgischen Armeeangehörigen fordern, sondern auch ein Ende des AWACS-Einsatzes unter luxemburgischen Hoheitszeichen.
Oliver Wagner