Biedermeier-Schau: Fadenscheinige Idylle einer Epoche
Wien – So brave Kinder, so eine idyllische Familie. Der älteste Sohn zeigt seinem Vater sein neuestes Gemälde, seine Mutter und seine fünf Geschwister sitzen und stehen adrett gekleidet neben der Staffelei. Das Motiv atmet Ordnung, Sittlichkeit, Starrheit. Der österreichische Maler Leopold Stöber hat die Szene 1827 festgehalten – ein typisches Sujet der Epoche des Biedermeier. Motto: Heile Welt in den eigenen vier Wänden statt Kampf gegen die politische und soziale Unterdrückung und die Zensur.
Das Leopold Museum in Wien widmet der Zeit zwischen 1815 und 1848 unter dem Titel »Biedermeier – Eine Epoche im Aufbruch« bis zum 27. Juli nun eine Schau mit rund 200 Werken.
Der damalige Rückzug ins Private zeige Parallelen zu heute, meint Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger. »Den Hintergrund bilden heute die Ängste vor der Globalisierung, vor Kriegen und Migrationsbewegungen oder dem Verlust der Privatsphäre« in einer digitalisierten und überwachten Welt.
Allerdings gelte es, das Biedermeier nicht nur auf diesen Aspekt zu beschränken. Die Kunst dieser Jahrzehnte, die von der industriellen Revolution und einer Neugier auf die Welt geprägt gewesen seien, sei analytischer als oft angenommen, sagt Wipplinger. »Die Maler blicken auch auf die Schattenseiten des Lebens.«
Die Kluft zwischen Arm und Reich werde genauso thematisiert wie die Bedrohung durch Krankheiten, betont Wipplinger. Die Zerstörung der Wälder durch den Holzbedarf von Industrie und Bau habe damals viele Zeitgenossen bewegt, sagt Kurator Johann Kräftner.
Die Schau zeigt neben Gemälden auch – zum Teil überraschend modern anmutende – Möbel, Kleider und Vasen. Und sie erinnert an die Zeit um 1800, in der manche junge Frau aus Eitelkeit selbst im kalten Winter über ihrem hauchzarten Kleid auf den Mantel verzichtete – einige von ihnen starben an Lungenentzündung.