»Krieg der Sterne«
Weltraummanöver in Frankreich. Der Westen rüstet massiv für den Krieg im All auf
Unter Beteiligung deutscher, italienischer und US-amerikanischer Soldaten hat vergangene Woche ein erstes westeuropäisches Weltraummanöver stattgefunden. Ausrichter war Frankreich; dort trainierten rund 60 Militärs Operationen gegen angreifende Satelliten oder Nanosatelliten feindlicher Mächte. Unter anderem habe man das Blenden eines gegnerischen Flugkörpers geübt, heißt es in Berichten.
»AsterX«
Im Rahmen der Übung »AsterX«, des ersten Weltraummanövers in Europa überhaupt, das vergangene Woche vier Tage lang in Toulouse durchgeführt wurde, trainierten rund 60 Soldaten verschiedene Maßnahmen zum »Schutz vor Angriffen im All«. So habe man etwa die Attacke eines feindlichen Satelliten abzuwehren trainiert, der einen Satelliten eines verbündeten Staatenbundes habe zerstören sollen, hieß es anschließend. Darüber hinaus habe man einen überraschenden Überfall von zwei Nanosatelliten aufgedeckt, die jeweils – bei einem Gewicht von nur einigen hundert Gramm – die Fähigkeit besessen hätten, einen feindlichen Satelliten zu vernichten. Es sei dabei gelungen, den von ihnen bedrohten eigenen Flugkörper durch die Änderung seiner Umlaufbahn in Sicherheit zu bringen.
»AsterX« habe nicht nur dazu beigetragen, die Fähigkeit zur Analyse eines unbekannten Objekts im Weltraum zu trainieren; man habe auch die Störung von gegnerischen Signalen durch das Blenden eines feindlichen Geräts durchgespielt, wird berichtet. Beteiligt waren neben den zuständigen Einheiten aus Frankreich Militärs aus den USA, aus Italien und aus der Bundesrepublik Deutschland – Verbindungsbeamte des deutschen Weltraumlagezentrums in Uedem am Niederrhein.
Deutschlands Weltraumoperationszentrum
Die deutsche Beteiligung an »AsterX« ist auch deshalb von Bedeutung, weil die Bundeswehr seit geraumer Zeit ihre eigenen Weltraumaktivitäten ausweitet. Das »Weltraumlagezentrum« in Uedem, das bereits 2009 eingerichtet wurde, ist vor allem mit der Beobachtung des Weltraums und dem Aufspüren möglicher Gefahren für Deutschlands zivile und militärische Weltrauminfrastruktur befaßt. Dazu gehört neben der Beobachtung von Weltraumschrott, der Satelliten durch Kollision beschädigen oder sogar zerstören kann, auch das Ausspionieren potenziell gegnerischer Flugkörper im All.
Das Weltraumlagezentrum kann dazu inzwischen auch Daten des ersten deutschen Weltraumradars (GESTRA, German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar) nutzen, das im Herbst 2020 bei Koblenz aufgestellt wurde und Weltraumobjekte im niedrigen Erdorbit aufspüren kann. Es trägt zur erstrebten Unabhängigkeit Deutschlands von US-amerikanischen Weltraumdaten bei. Ergänzend hat die Bundeswehr im September 2020, gleichfalls in Uedem, eine Zentrale für die Führung künftiger deutscher Weltraumoperationen (ASOC, Air and Space Operations Centre) in Dienst gestellt. Bereits zuvor hatte das Berliner Kriegsministerium im März 2017 eine eigene »Strategische Leitlinie Weltraum« verabschiedet.
Frankreichs Luft- und Weltraumstreitkräfte
In der EU konkurriert die Bundeswehr bei der militärischen Nutzung des Alls vor allem mit den Streitkräften Frankreichs. Paris hat am 3. September 2019, aufbauend auf dem 2010 geschaffenen Commandement interarmées de l'espace (CIE), ein neues Weltraumkommando (Commandement de l'espace, CDE) gegründet, das spätestens 2025 mit rund 500 Soldaten voll einsatzfähig sein soll. Dafür stellt die Regierung 4,3 Milliarden Euro bereit. Das CDE nimmt alle inzwischen bestehenden Weltraumeinrichtungen der französischen Streitkräfte auf, etwa das Centre militaire d'observation par satellites (CMOS) und das Centre opérationnel de surveillance militaire des objets spatiaux (COSMOS). Es ist seinerseits in die französischen Luftstreitkräfte integriert, die dazu am 11. September 2020 in »Luft- und Weltraumstreitkräfte« (Armée de l'air et de l'espace) umbenannt wurden.
Diese sollen in Zukunft Weltraumwaffen erhalten – etwa Laserkanonen zur Ausschaltung feindlicher Solaranlagen und Sensoren, aber auch Waffen, die mit Mikrowellenbündeln oder elektromagnetischen Impulsen operieren; zudem ist die Beschaffung von Weltraumdrohnen im Gespräch. Errichtet wird das CDE in Toulouse, dem Zentrum der französischen Weltraumforschung (Centre National d'Études Spatiales, CNES) und -industrie (Airbus, Thales).
NATO: das fünfte Operationsgebiet
Die Maßnahmen Deutschlands und Frankreichs sind Teil einer systematischen Ausweitung der westlichen Militäraktivitäten im All. Die USA haben im Dezember 2019 ihre Space Force aus der Air Force ausgegliedert und sie zu einer eigenen Teilstreitkraft aufgewertet. Sie verfügt dieses Jahr über Mittel in Höhe von 15,4 Milliarden US-Dollar; in den kommenden Jahren soll ihr Budget Insidern zufolge weiter aufgestockt werden. Britanniens Premierminister Boris Johnson hat am 18. November 2020 die Gründung eines eigenen Weltraumkommandos in Aussicht gestellt; zudem ist die militärische Nutzung eines künftigen Weltraumbahnhofs in Schottland im Gespräch.
Die NATO wiederum hat bereits 2019 eine neue »Weltraumpolitik« beschlossen und auf ihrem Gipfeltreffen am 3./4. Dezember 2019 den Weltraum offiziell zu ihrem fünften Operationsgebiet erklärt – neben Land, Wasser, Luft und Cyber. Darüber hinaus richtet die NATO ein neues »Center of Excellence« für die Kriegführung im Weltraum ein. Wie alle anderen Centers of Excellence hat es die Aufgabe, Analysen zu erstellen, Strategien zu entwickeln und Trainingsprogramme durchzuführen. Beworben hatte sich Deutschland, wo auf der U.S. Air Base Ramstein ein NATO Space Center errichtet wird. Den Zuschlag ging dann aber an Toulouse.
Satelliten im Fokus
Die aktuellen Planungen für etwaige Weltraumkriege konzentrieren sich stark auf Satelliten. Zur Zeit schweben laut Schätzung von Experten bereits mehr als 3.000 Satelliten im Orbit; in den kommenden Jahren wird ihre Zahl voraussichtlich stark zunehmen. Sie werden sowohl zivil wie auch militärisch genutzt und sind schon im heutigen zivilen Alltag faktisch unverzichtbar: Auf ihnen beruhen zahllose Anwendungen von der Navigation über die Kommunikation bis zur Wetterbeobachtung. Werden sie beschädigt oder gar zerstört, drohen dramatische Folgen.
Bisher sind zumindest die USA, Rußland und China schon in der Lage, sie mit Cyberattacken, durch Jammen oder auch durch Blenden per Laser auszuschalten. Experten halten es für denkbar, sie künftig auch durch Besprühen ihrer Linsen oder ihrer Solarmodule zu neutralisieren.
Zudem sind mehrere Staaten, etwa auch Indien, in der Lage, gegnerische Satelliten mit Raketen zu zerstören. Dabei entstünde Weltraumschrott – im All herumfliegende Trümmer –, der womöglich andere Satelliten treffen und vernichten könnte; unkontrollierbare Kettenreaktionen sind nicht auszuschließen. Wegen der Folgeschäden bei den militärischen wie auch bei den zivilen Anwendungen ist das Zerstörungspotenzial unkalkulierbar.