Nicht nur Einsen und Nullen
In Luxemburg soll ein Quantencomputer aufgestellt werden, der grundlegend anders funktioniert als klassische Rechner
Nachdem es sehr ruhig um die »Zukunftstechnologie Space Mining«, dem Steckenpferd von LSAP-Wirtschaftsminister Etienne Schneider (Februar 2012 bis Februar 2020), geworden ist, hat sich die Regierung schon die nächste mögliche »Zukunftstechnologie« angelacht. »Luxemburg bekommt seinen eigenen Quantencomputer«, verkündete der seit bald einem Jahr wieder von der DP gestellte Wirtschaftsminister Lex Delles am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Digitalisierungsministerin Stéphanie Obertin und der EU-Kommission.
Deren praktischerweise in Luxemburg ansässiges Gemeinsames Unternehmen für europäisches Hochleistungsrechnen (European High Performance Computing Joint Undertaking, GU EuroHPC) wird die Hälfte der Anschaffungs- und der auf fünf Jahre angesetzten Betriebskosten des Quantencomputers von 17 Millionen Euro übernehmen, die zweite Hälfte übernimmt die Regierung. Außerdem nahmen der Direktor der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kommission, Gustav Kalbe, und Arnaud Lambert, CEO des Betreibers des 2021 in Betrieb genommenen klassischen Supercomputers MeluXina, LuxProvide, an der Pressekonferenz teil.
Luxemburg werde »ungefähr im Sommer 2025« erst das siebte EU-europäische Land, in dem ein Quantencomputer stehen wird, betonte Minister Delles. Dieser solle in MeluXina integriert werden. Damit sei das Land auf das wohl bald heraufziehende »Quantenzeitalter« bestens vorbereitet. Indem sie nicht nur Einsen und Nullen als Basis ihrer Berechnungen verwenden, sondern auch beliebige Zwischenzustände, funktionieren Quantencomputer grundlegend anders als klassische Rechner. Das ermöglicht ganz andere Methoden zur Berechnung und Lösung von Problemen. Allerdings sind Quantencomputer schwer zu stabilisieren. Sie schon früh in klassische Supercomputer wie MeluXina zu integrieren, soll sie einerseits tauglich zum Beispiel für den internationalen Wertpapierhandel, bei dem es Ministerin Obertin zufolge »auf Millisekunden ankommt«, aber auch für die Cybersicherheit, die Material- und Medikamentenforschung machen. Andererseits sollen sie Supercomputer beschleunigen, deren gewaltigen Energieverbrauch senken und dabei helfen, Leistungsgrenzen zu überwinden, denen mit der klassischen Prozessortechnologie nicht beizukommen ist.
Wie Minister Delles ausführte, ist der Quantencomputer, für den die Software erst noch entwickelt werden muß, »der erste, der auf Silizium basiert«. Der Halbleiter ist Basis für nahezu alle Computertechnik und Elektronik – auch die industrielle Chipfertigung ist auf Silizium eingestellt. Umso praktischer wäre es, wenn auch Quantencomputer auf Siliziumbasis funktionieren würden. Als Recheneinheiten – Qubits – dienen dabei Fremdatome wie Phosphor oder Fehlstellen im Kristallgitter des Halbleiters.
Doch um Siliziumquantencomputer konkurrenzfähig und skalierbar zu machen, ist ein weiterer Schritt nötig: Das Silizium muß bereinigt werden. Natürlich vorkommendes Silizium besteht zwar vorwiegend aus dem erwünschten Isotop Silizium-28, aber auch aus gut 4,5 Prozent Silizium-29. Weitere drei Prozent entfallen auf das noch schwerere Silizium-30. Die zusätzlichen Neutronen im Atomkern dieser schwereren Siliziumisotope wirken wie kleine Störmagnete, die die für das Quantenrechnen wichtige Spinausrichtung der Qubits stören. In der Folge geht die Quantenkohärenz verloren und es kommt zu Rechenfehlern. Um stabile Siliziumqubits zu erzeugen, müssen diese Störisotope deshalb entfernt werden. Das ist Physikern der australischen University of Melbourne erst im Mai dieses Jahres zum ersten Mal gelungen. Sie senkten den Anteil der beiden schwereren Siliziumisotope 29 und 30 auf unter 0,0002 Prozent.