Luxemburg28. Dezember 2020

Große Worte, wenig Wirklichkeit:

Gar nicht so viele Breitband-Internetanschlüsse im Land

Premier- und Medienminister Xavier Bettel wirft sich bei jeder Gelegenheit stolz in die Brust, um zu verkünden, Luxemburg nehme beim Glasfaserkabel eine Spitzenposition ein. Das wurde uns als einer der Hauptgründe genannt, warum die Datenkrake Google ausgerechnet hierzulande ein Datenzentrum herstellen möchte. Wahrscheinlich war der günstigere Strompreis wohl entscheidender.
Denn bei der Nutzung des Glasfaserkabels steht Luxemburg gar nicht gut. Nicht die verlegten Meter Kabel sind ausschlaggebend, sondern wie viele tatsächlichen Anschlüsse so laufen. Vorbedingung für Anschlüsse sind funktionierende Vermittlungspunkte, und da schaut das kleine Großherzogtum gar nicht gut aus. Mancherorts liegen zwar Kabel vorm Haus im Boden, es ist aber nicht möglich einen Anschluß an dieses Kabel zu bekommen. Bei anderen spielt der Preis eine Rolle, der übers Kupferkabel geringer ausfällt. Eine Familie ohne Intensivnutzung findet damit auch das Auslangen.

Die nebenstehende Tabelle ist da glasklar: Luxemburg taucht erst auf Platz 19 auf mit 24,1% Glasfaser-Anschlüssen. Das weniger Einwohner aufweisende Island kommt auf 65,9%, das aktuell in der EU viel geschmähte Belarus, ein weit größerer Flächenstaat, kommt immer noch auf 62,8%. Selbst Spanien und Portugal, also Länder auf die unsere Regierung bei vielen Gelegenheiten hochnäsig herabblickt, stehen weit vor Luxemburg.

FTTH heißt in der Glasfaser-Fachsprache »Fiber To The Home«, was bedeutet, daß der gesamte Anschluß über die Glasfaser geht. FTTB bedeutet »Fiber To The Building«, was leider nur die Glasfaser bis zur Hausmauer bringt, während dahinter im Haus zu den Anschlüssen keins verwendet wird. Das ist dann leider eine Bremse für den Datenstrom. Das wertet die Ergebnisse der nordischen und baltischen Staaten, aber auch Rußlands ab, weil FTTB-Anschlüsse den Nutzern nicht die volle Glasfaser-Geschwindigkeit bieten. Deshalb sind eigentlich die 21,3% der Schweiz noch höher zu werten als das Luxemburger Ergebnis, wo es doch einen solchen Anteil gibt.

Wir sind dem »FTTH Council Europe« zu Dank verpflichtet für diese Daten, denn in der Luxemburger Statistik suchen wir sowas vergebens. Das erleichtert der Regierung natürlich das Schwadronieren, was mit diesen Daten, wenn denn breit darüber berichtet würde, nicht mehr möglich wäre.

Allerdings seit dieser Zusammenschluß der Glasfaserkabelnetzbetreiber in Luxemburg vom 16. bis 18. Februar 2016 getagt hat, wobei Xavier Bettel eine feurige Eröffnungsrede beisteuerte, war keine große Entwicklung festzustellen.

Auch damals lag Luxemburg bei den tatsächlichen Anschlüssen nicht auf einem besseren Platz, aber damals lobte sich die Post noch dafür, seit 2010 über 13.000 km Glasfaserkabel mit mehr als 800.000 km Glasfasern verlegt zu haben. Damals wurde von Erreichbarkeit, nicht von realen Anschlüssen gesprochen, und die lag Ende 2015 bei 50% der Gebäude. Zwar hieß es damals, jeder neue Betrieb käme in spätestens 6 Wochen nach Antragstellung zu einem Glasfaseranschluß, was umso mehr gut klang, als niemand den praktischen Test machte.

Jedenfalls ist das vergleichbar mit der Ankündigungspolitik Obamas zur atomwaffenfreien Welt, die ihm den Friedensnobelpreis einbrachte. Die Post erhielt zwar nur den »FTTH Council Europe Award«, was in deren Direktion für große Freude sorgte, aber der Versuch des Schreibers dieser Zeilen, damals einen Glasfaseranschluß zu bekommen – das Kabel in der Straße war gelegt – scheiterte. Erst 2019 ging der Verteilerpunkt in Betrieb, der das dann möglich machte – und vielerorts fehlt der immer noch.

Und drum gehört Luxemburg nicht zu den fünf Märkten, in denen letztes Jahr am meisten neue Anschlüsse verzeichnet wurden. Das war Belgien (+ 78.000 Anschlüsse = +307%), Irland (+ 289.000 Anschlüsse = +70,4%), die Schweiz (+ 1,2 Mio. Anschlüsse = +69,1%), Großbritannien (+ 1,4 Mio. Anschlüsse = 50,8%) und die BRD (+ 1 Mio. Anschlüsse = + 33,5%. Sprünge sind also möglich – anderswo!

jmj