Israel greift weiter an
US-amerikanischer Unterhändler Hochstein macht Druck auf Libanon
Amos Hochstein, Sonderbeauftragter von USA-Präsident Joe Biden für Israel und Libanon, hat am Montag in Beirut einen Plan vorgelegt, mit dem ein Waffenstillstand mit Israel erreicht werden soll. Begleitet wurde der Besuch Hochsteins mit massiven Bombardierungen seitens der israelischen Luftwaffe. Im Südlibanon lieferten sich die Hisbollah und israelische Soldaten, die in den Libanon eindringen wollten, heftige Gefechte.
Bei dem von Hochstein in Beirut vorgelegten Papier handelt es nach Informationen der libanesischen Tageszeitung »Al Akhbar« um einen Anhang zur Resolution 1701 des UNO-Sicherheitsrates, den Hochstein offenbar vor seiner Ankunft in Beirut mit israelischen Stellen ausgearbeitet haben soll. »Al Akhbar« berief sich auf Quellen aus arabischen diplomatischen Kreisen. Die Zeitung steht der Hisbollah nahe.
USA für internationale Kontrolle über Libanon
Dem Resolutionstext soll offenbar eine Einführung vorangestellt werden, die als Ziel der Resolution »die Umsetzung von Frieden an den Grenzen zwischen Libanon und Israel« benennt. »Jegliche bewaffnete Präsenz in den libanesischen Gebieten entlang diesen Grenzen (soll) verhindert werden«. Die internationale Entscheidungsbefugnis soll geographisch bis auf »mindestens zwei Kilometer nördlich des Litani-Flusses ausgeweitet werden«, das bedeute, die Stärke der ausländischen UNIFIL-Soldaten und der libanesischen Armee »deutlich zu erhöhen«.
Das Mandat der UNO-Truppen soll ausgeweitet werden, so daß sie »jeden Ort, jedes Gebäude, jedes Fahrzeug, jedes Haus« kontrollieren können, ohne zuvor die Genehmigung der libanesischen Behörden einholen zu müssen. Die UNIFIL-Truppen sollen Drohnen einsetzen können und jedes private Grundstück im Beisein der libanesischen Armee betreten können. Das Mandat der Truppe soll auf die gesamte Küste, einschließlich der Häfen ausgeweitet werden, Beobachtungstrupps sollen auch an zivilen Flughäfen stationiert werden. Weiter sollen Beobachtungstürme entlang der Grenze zu Syrien von Akkar im Norden über die westliche Bekaa Ebene bis Rashaya im Süden.
Parlamentssprecher Nabi Berri habe erklärt, daß die Sicherheitsrats-Resolution 1701 eindeutig sei und keine Ergänzung benötige. Im Libanon gebe es Übereinstimmung, 1701 so umzusetzen wie sie sei. Die USA müssen ihrerseits Wege finden, um Israel davon abzuhalten, gegen die Resolution zu verstoßen. Einseitige Maßnahmen gegen den Libanon zu ergreifen, sei unzulässig. Der amtsführende Ministerpräsident Najib Mikati habe laut »Al Akhbar« bei seiner Begegnung mit Hochstein erklärt, niemand im Libanon werde solche Maßnahmen akzeptieren.
Nach Ansicht libanesischer Beobachter wird die Resolution 1701 des UNO-Sicherheitsrates weder im Libanon noch von Israel eingehalten, allerdings sei es nicht Sache der USA oder Israels, die Resolution zu verändern, sondern das sei Aufgabe der UNO. So müsse es eine Garantie geben, daß Israel sämtliche und anhaltende Verletzungen von 1701 einstellt, die es auf dem Land, seeseitig oder im libanesischen Luftraum begeht.
Israel hat seit der Einführung von 1701 im Jahr 2006 mehr als 30.000 mal die libanesische staatliche Souveränität verletzt. Das geschieht durch permanente Bespitzelung der Libanesen und Eindringen in nationale Kommunikationsnetzwerke. Nicht erst seit Beginn des Krieges überfliegen Überwachungsdrohnen den Libanon rund um die Uhr, Kampfjets nutzen den libanesischen Luftraum um Bomben und Raketen auf Syrien zu feuern. Insofern ist es vor allem der Libanon, der Schutzgarantien gegen die israelischen Aggressionen verlangen könne, so die Beobachter.
Strategische Realität verändern
Hochstein wird vermutlich zum letzten Mal in seiner Position als Präsidentenberater im Libanon gewesen sein. In knapp zwei Wochen wird in den USA gewählt, der scheidende Präsident Joe Biden wird mit einer »lahmen Ente« verglichen, der keine Durchsetzungskraft mehr hat. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu agiert rücksichtslos gegenüber seinen politischen Partnern ebenso wie gegenüber den Familien der entführten Israelis im Gazastreifen, gegenüber der eigenen Bevölkerung sowie gegenüber den arabischen Staaten und der gesamten Persischen Golf-Region. Im Pluralis majestatis will er »die strategische Realität des Mittleren Ostens verändern« und kämpft dafür an sieben Fronten, so Netanjahu, der offenbar auf die Wiederwahl von Donald Trump setzt. Dieser hatte die Politik Netanjahus schon in seiner vorherigen Amtszeit (2017-2021) enorm unterstützt.
Israelische Propaganda in deutschen Medien
Begleitet wurde der Hochstein Besuch von massiven Bombardierungen seitens der israelischen Luftwaffe. Allein im Süden von Beirut wurden in dieser Zeit mindestens zwölf Angriffe auf Wohn- und Geschäftshäuser geflogen, weitere Angriffe gab es in der Bekaa-Ebene und im Südlibanon. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums starben dabei mindestens 27 Personen, darunter drei Kinder.
Nach Angaben der israelischen Armee habe man »die Finanzstruktur der Hisbollah« zerstört, wie die Deutsche Presseagentur (dpa) die Darstellung der israelischen Armeeführung wiedergab. Man »habe fast 30 Ziele im gesamten Libanon bombardiert, erklärte Generalstabschef Herzi Halevi in einer Mitteilung vom frühen Abend«, berichtete die dpa am Dienstag mit der Überschrift »Israel: Hisbollah bunkert Hunderte Millionen unter Klinik«.
Armeesprecher Daniel Hagari habe demnach erklärt, die Armee habe »ein unterirdisches Depot mit Bargeld und Gold in Millionenwert getroffen«. Einen weiteren Geldbunker gebe es »unter der al-Sahel-Klinik in Beirut«, wo »rund eine halbe Milliarde Dollar« aufbewahrt werde, gibt dpa die israelische Darstellung wieder. »Die Hisbollah habe den Bunker so eingerichtet, daß sie von dort Kämpfe befehligen konnte, sagte Hagari. Der vom Iran unterstützten Schiiten-Miliz solle keine Gelegenheit gegeben werden, sich zu reorganisieren, betonte der Armeesprecher.« Die Agentur äußert in diesem Zusammenhang keinerlei Zweifel an den israelischen Darstellungen. Bei libanesischen und palästinensischen Angaben über Zerstörungen und Opfer folgt bei dpa zumeist die Formulierung »Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen«.
Das private Al-Sahel-Krankenhaus lud am Dienstag die Presse zu einer Besichtigung des Krankenhauses ein, Waffen wurden nicht gefunden, berichteten libanesische Medien. Vorsichtshalber habe man das Krankenhaus räumen lassen.
Kleinkredite zur Stärkung der Bevölkerung
Bei dem von Israel angegriffenen und fast völlig zerstörten Geldinstitut Qard al-Hassan handelt es sich um ein Bankensystem, daß bereits in den 1980er Jahren parallel zum offiziellen libanesischen Bankensystem entstanden ist. Es wurde von einem privaten Geschäftsmann gegründet und erhielt besonders nach dem Bankencrash im Libanon 2019 neue Bedeutung. Das Bankhaus vermittelt Kleinkredite an jeden, um Startkapital für ein kleines Geschäft, für Solarpanelen, den Kauf eines kleinen Generators oder für Heizöl zu erhalten. Der Kreditempfänger hinterläßt als Sicherheit meist Gold, das den Frauen bei der Hochzeit als Mitgift gegeben wird. Ist der Kredit abbezahlt – die Höhe kann der Kreditempfänger nach seinen eigenen Möglichkeiten bestimmen – wird das Gold zurückgegeben.
Die Autorin hat im Laufe der Jahre im Libanon persönlich zahlreiche Gesprächspartner getroffen, die auf diese Weise ihren Lebensstandard verbessern konnten. Im Libanon heißt es, daß die Kleinkredite die Widerstandskraft der ärmeren Bevölkerung stärken sollten, die unter großen Mängeln zu leiden hat. Im Westen wird im Rahmen der Entwicklungshilfe das gleiche System von Minikrediten eingesetzt. Dabei wird von »Stärkung der Resilienz« der Bevölkerung gesprochen.