Kultur22. März 2024

»Ich war nie der Apostel der Treue«

von Sabine Glaubitz, Paris (dpa)

Fanny Ardant gehört zu den eigenwilligsten Filmstars Frankreichs. Sie spielt exzentrische Frauen und haßt moralische Lehren. Nun wird sie 75.

In »Die schönen Tage« liegt sie als Rentnerin mit einem Joint und einem viel jüngeren Mann im Bett. In »Lola Pater« spielt sie eine aus Algerien stammende Transsexuelle, in »Der Tölpel« die Femme fatale, die den Männern zum Verhängnis wird. Fanny Ardant sprengt gerne bürgerliche Konventionen. Nicht nur vor der Kamera.

Die Schauspielerin mit der rauen, unverkennbaren Stimme ist für ihr freigeistiges Denken bekannt. »Électron libre« – so wird der französische Filmstar deshalb auch gerne genannt. Am 22. März wird sie 75 Jahre alt. In ihrem Denken überschreitet sie mitunter auch Grenzen traditioneller Sitten und gesellschaftlicher Normen.

»Die Menschen fürchten um ihr bürgerliches oder auch kleinbürgerliches Nest», erklärte Fanny Ardant einmal. Ein Milieu, das sie durchaus gut kennt. Sie wurde 1949 in der Loire-Stadt Saumur in eine altehrwürdige bürgerliche Familie hineingeboren. Ihr Vater war ein hochrangiger Offizier, der später Militärgouverneur von Monaco wurde, wo sie zusammen mit Prinzessin Caroline die Klosterschule besuchte.

Sie habe gute Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend in dem Felsenstaat an der Côte d’Azur, zitiert die südfranzösische Regionalzeitung »Nice-Matin« die Schauspielerin. In Aix-en-Provence studierte sie dann Politik – der Titel ihrer Abschlußarbeit: »Surrealismus und Anarchie«. Der Grundstein für den Hang zu ihrer Lebensphilosophie war gelegt: Ablehnung von Hierarchien und Unterdrückung von Freiheit.

Der Universitätsabschluß sei für sie wie ein Passierschein in die Freiheit gewesen, sagte sie der »FAZ«. Erste Bühnenerfahrung sammelte sie an der Klosterschule, bevor sie jedoch erst Jahre später den Film für sich entdeckte. Ihre Begegnung mit dem Autorenfilmer und langjährigen Lebensgefährten François Truffaut sollte wegweisend für sie sein.

Er habe ihr Dasein als Frau und Schauspielerin völlig auf den Kopf gestellt, sagte sie später. Mit ihm schaffte sie in »Die Frau nebenan« über Nacht ihren internationalen Durchbruch. Darin steht sie im Mittelpunkt einer fatalen Liebesbeziehung.

Fanny Ardant war Truffauts letzte Geliebte und Muse. Mit dem Regisseur, der eine unverhohlene Leidenschaft für schöne Frauen hatte, drehte sie auch seinen letzten Film »Auf Liebe und Tod«. Der Krimi, in dem sie eine Sekretärin darstellt, die sich als Prostituierte verkleidet, um einen Mordfall aufzudecken, erschien 1983 – dem Jahr, in dem ihre gemeinsame Tochter Joséphine zur Welt kam. Ein Jahr später starb Truffaut mit 52 Jahren an einem Gehirntumor.

»Hundert und eine Nacht« von Agnès Varda, »Das Leben ist ein Roman«, »Balzac – Ein Leben voller Leidenschaft« und »Liebeslust und Freiheit«: Filme, in denen Fanny Ardant nicht mit ihren Reizen geizte. Auch in »8 Frauen«, »Nathalie« und »Paris, je t'aime« bleibt sie ihrem Rollentypus der temperamentvollen Frau mit geheimnisvoller Aura treu. Gespielt hat sie mit den Größten der Branche: darunter Volker Schlöndorff, Alain Resnais, Claude Lelouch und Costa-Gavras.

In ihrer über 40-jährigen Karriere blieb sie nicht nur ihrer Rolle als Femme fatale treu, sondern auch ihrer Lebenseinstellung: »Ich war nie der Apostel der Treue. Ich glaube nicht, daß sie ein Bestandteil der Liebe ist«, sagte sie der Frauenzeitschrift »Gala«. Und fuhr fort: »Ich sage nicht, daß Untreue keinen Schmerz verursacht und eine Bagatelle ist, aber wenn es passiert, ist es nicht so schlimm.«

Fanny Ardant liebt Abenteuer, wie sie erst vor wenigen Tagen im Fernsehsender »France 2« sagte. Sie stürze sich ins Leben, wie man sich in einen Fluß stürze. Dazu gehört auch, daß sie 2009 mit »Cendres et Sang« erstmals hinter der Kamera stand. Eine Erfahrung, die sie unter anderem 2017 mit »Le Divan de Staline« wiederholte.

In »Le Divan de Stalin« spielt Gérard Depardieu die Hauptrolle. Zu dem Urgestein des französischen Kinos unterhält sie seit Jahren eine enge Freundschaft. Die beiden Schauspieler lernten sich Ende der 1970er Jahre bei den Dreharbeiten zu »Die Hunde« kennen. In »Die Frau nebenan« standen sie erneut zusammen am Set.

Fanny gehört zu jenen, die Depardieu in den ganzen MeToo-Skandalen um ihn – Klagen und Ermittlungen wegen sexuellen Mißbrauchs – zur Seite steht. Erst Anfang März hat sie in der Zeitschrift »Télé-Loisirs« wiederholt, daß man einen Freund nicht im Stich lasse. Sie bereue es nicht und werde es nie bereuen, einem Freund treu geblieben zu sein.