Ausland

Raketen auf Dschobar

Der einstige Grüngürtel von Damaskus im Osten und Süden wurde zur Kampfzone

 »Von den Bergen strömen viele Bäche, die aus dem Gebiet von Damaskus den bestbewässerten und lieblichsten Ort Syriens machen. Die Araber sprechen nur mit Begei­sterung von ihm und sie werden nicht müde, das Grün und die Frische der Obstgärten, die Fülle und Mannigfaltigkeit der Früchte, die Zahl der Quellen wie auch die Klarheit der Springbrunnen und Gewässer zu preisen.« 

Das schrieb Ende des 18. Jahrhunderts der französische Philosoph Constantin Francois de Volney voller Begeisterung über seinen Besuch in Damaskus. Wasser war und bleibt eine Quelle des Damaszener Reichtums. Die Fluten des Flusses Barada und von der Figeh-Quelle im nahegelegenen Gebirge machen aus der Stadt eine Oase in der syrischen Basaltwüste. Das Wasser gab Damaskus den Namen »Paradies auf Erden« .

Die Damaszener nennen dieses »Paradies« die »Ghouta« , die Oase, die den Süden und Osten des Stadtzentrums mit Gärten und Feldern umgibt. Seit Jahrtausenden ernährten die Früchte der Ghouta die Menschen und mehrten ihren Reichtum. Im Frühling war die Ghouta ein beliebter Ausflugsort. Das Wasser und der fruchtbare Boden führten schon vor Tausenden von Jahren zur Ansiedlung von Menschen und zur Kultivierung des Bodens. Der traditionelle Ackerbau und das Bewässerungssystem wurden von Wissenschaftlern aus aller Welt untersucht.

In den letzten Jahrzehnten führten ein massives Bevölkerungswachstum und eine Welle von Landflucht infolge von Trockenheit im Nordosten Syriens zu einer immer dichteren Besiedlung der Ghouta. Viele Menschen fanden Arbeit in der Landwirtschaft, unzählige Handwerksbetriebe und Werkstätten entstanden. Aus Dörfern wurden kleine Städte. Als der Stadt begann die Menschen mit neuen Häusern, Schulen, Krankenhäusern, Strom und Wasserleitungen zu versorgen, entstanden Satellitenstädte in der Ghouta. In dem einstigen Grüngürtel um Damaskus leben heute bis zu 6 Millionen Menschen.

Die Entwicklung führte zwar zu einer Vermischung zwischen den Damaszenern und den Zugezogenen, weil viele junge Familien aus dem Stadtzentrum in die Neubaugebiete in der Ghouta zogen. Andererseits vertiefte das schnelle Bevölkerungswachstum in der ländlichen Ghouta auch vorhandene Widersprüche zwischen den moderaten und vornehmen Damaszenern und den religiös orientierten und sehr traditionell lebenden Landbewohnern.

In Dschobar lebte einst eine große jüdische Gemeinde, doch viele Menschen konvertierten seit dem 7. Jahrhundert zum Islam. Nach der Gründung des Staates Israel 1948 wurden Juden aus der Region aufgefordert, ihre Heimat zu verlassen und in Israel zu siedeln. Doch nicht alle Juden verließen Damaskus. Bis zum Ausbruch der Kämpfe wurde die Synagoge in Dschobar noch von einer kleinen Gruppe von Gläubigen besucht. Ismaeliten, die seit Generationen in Dschobar gelebt hatten, wurden von den Assad-Gegnern bedroht und vertrieben.
Im Herbst 2012 hatten sich Zivilisten vor den Kämpfen in Dschobar in den Parks des benachbarten Viertels Tijara in Sicherheit gebracht, wo sie von den Anwohnern versorgt wurden. Wie in Tijara leben auch in Qassa, einem anderen Nachbarviertel von Dschobar, viele Christen. Die Assad-Gegner aus Jobar versuchten wiederholt, in die Stadt vom Osten her einzudringen. Mörsergranaten zerstören Wassertanks auf den Häusern und töten Anwohner.

Der Zentralmarkt von Damaskus, Souk al Hal wurde von den Assad-Gegnern angegriffen, um die Versorgung der Stadt aus den landwirtschaftlichen Gebieten der Ghouta zu unterbrechen. Nachziehende Kampfverbände marschierten in Barzeh und Qaboun ein, wo sie den zentralen Busbahnhof in den Norden Syriens überfielen und zerstörten. Bewaffnete Assad-Gegner belagerten Zablatani und Dwiela, die Satellitenstädte Arbeen, Douma und Harasta. Die Schnellstraße die an Douma und Harasta vorbei nach Norden führt, wurde zur Todesmeile, als Scharfschützen der Assad-Gegner sie unter Beschuß nahmen.
Die Zivilbevölkerung floh, wie eine Frau aus Arbeen (Foto) der Autorin in Damaskus berichtete. Sie habe gedacht, nach wenigen Tagen zurückkehren zu können. Doch seit einem Jahr habe sie ihre Wohnung nicht gesehen, klagte die Frau, die beim Syrischen Arabischen Roten Halbmond um Unterstützung bat.

Der einstige Grüngürtel von Damaskus im Osten und Süden wurde zur Kampfzone. Die jugendlichen arbeitslosen Habenichtse der Randgebiete und Satellitenstädte waren für die Assad-Gegner leichte Beute. Mit Unterstützung reicher Geschäftsleute aus den Golfstaaten bot man ihnen Waffen, Kleidung, Nahrung und auch ein Salär an. Ausländische Hilfsorganisationen versorgen die wenigen verbliebenen Zivilisten und Verletzten.

Heute ist die Ghouta Sammelpunkt von Assad-Gegnern aus allen Landesteilen und aus dem Ausland. Mindestens 13 verschiedene Brigaden mit klingenden Namen wie »Harun al-Rashid« , »Schwerter der Wahrheit« oder »Ruhm des Khalifats« kämpfen dort, heißt es in der libanesischen Tageszeitung »As Safir« unter Berufung auf Quellen von beiden Seiten.

Die Zeitung berichtete am 23. August, daß sich in dem Gebiet zwischen Arbeen, Zamalka und Sakba bis zu 25.000 bewaffnete Assad-Gegner befinden. Russische Satellitenaufnahmen zeigten, daß die beiden Raketen, die offenbar chemische Substanzen getragen haben, aus dem Bereich der islamistischen Gruppe »Banner des Islam« abgeschossen wurden. Die selbst gebauten Raketen seien eine Reaktion auf die massive Armeeoperation »Schutzschild von Damaskus« gewesen. Die Raketen seien in Dschobar und in einem Bereich zwischen Arbeen und Zamalka gelandet. Rußland hat seine Erkenntnisse im UNO-Sicherheitsrat vorgelegt.

Karin Leukefeld