Ausland26. Juli 2023

Ernster Warnschuß aus Peking

Exportkontrolle bei wichtigen Halbleiterrohstoffen

von Klaus Wagener

Die chinesische Regierung hat den Export des selten vorkommenden Metalls Gallium und des Halbmetalls Germanium unter Ausfuhrkontrolle gestellt. Noch sind keine Einschränkungen der Exportmengen bekannt, aber ab dem 1. August müssen für den Export dieser Rohstoffe aus der Volksrepublik Ausfuhrgenehmigungen vorliegen.

Gallium und Germanium werden wegen ihrer sehr spezifischen Eigenschaften vor allem in der Halbleiterproduktion eingesetzt – Gallium bei Leuchtdioden und Solarpanels, Galliumarsenid bei leistungsstarken Hochfrequenzbauteilen, Germanium ebenfalls in der Hochfrequenztechnik, aber auch in der Detektortechnologie, bei Wärmebildkameras und Nachtsichtgeräten und bei zahlreichen anderen Technologien.

Im Gegensatz zum reichlich vorkommenden und ebenso reichlich verwendeten Silizium kommen die beiden Mineralien nur in geringen Mengen vor und es bedarf eines hohen Aufwands, sie zu gewinnen. China verfügt dabei über eine beträchtliche Marktdominanz – bei Gallium kann man durchaus von einer ausgeprägten Monopolstellung sprechen. Die USA besitzen keine eigene Produktion dieser Mineralien und sind komplett auf Einfuhren angewiesen.

Die chinesische Entscheidung bedeutet eine weitere Gegenmaßnahme im von Washington gestarteten hybriden Krieg um Hightech-Dominanz, mit dem die Volksrepublik in ihren Entwicklungsmöglichkeiten behindert und letztlich in eine untergeordnete Position im Verhältnis zu den USA gezwungen werden soll. Präsident Xi Jinping hatte schon im Mai 2019 bei einem Besuch in der Provinz Jiangxi auf Chinas führende Weltmarktposition bei der Förderung und Verarbeitung von Erdmetallen hingewiesen. Einige dieser – allerdings nicht insgesamt seltenen – 17 Mineralien sind für moderne Hightech-Produkte, wie beispielsweise das Apple-iPhone, unverzichtbar.

China deutet mit diesen noch sehr zurückhaltenden Hinweisen an, daß es in dem von der Biden-Regierung offen ausgerufenen Technologiekrieg keineswegs ohne Mittel dasteht – auch ohne auf eine mögliche Unterstützung durch die de facto verbündete Rohstoffsupermacht Rußland zurückgreifen zu müssen. Daß das chinesische Außenministerium dies in direktem Kontext mit dem Besuch der USA-Finanzministerin Janet Yellen getan hat, darf als ein deutliches Zeichen der in diplomatischen Fragen erfahrenen chinesischen Regierung gewertet werden, daß die chinesische Seite die Dinge ernst nimmt und keineswegs bereit ist, zu Kreuze zu kriechen.

Am 9. August vergangenen Jahres hatte USA-Präsident Joseph Biden den mit 52 Milliarden US-Dollar ausgestatteten »CHIPS and Science Act« unterzeichnet. Mit diesem Gesetz starteten die Verkünder der »freien Marktwirtschaft« und des »fairen Wettbewerbs« ein gigantisches Subventionsprogramm, welches in Wirklichkeit noch weit höhere Summen – bis zu 280 Milliarden US-Dollar – an staatlichen Mitteln zum Ausbau der eigenen Marktposition und zur Verdrängung und Unterdrückung der chinesischen Konkurrenz mobilisiert.

Washington hatte darüber hinaus massiven Druck auf seine asiatischen und europäischen »Partner« ausgeübt, um chinesische Fortschritte bei der Chipherstellung im niedrigen Nanometer-Bereich unmöglich zu machen. Vor allem die Produzenten von Maschinen zur Chipherstellung wurden praktisch gezwungen, ihre Produkte nicht mehr an chinesische Kunden zu verkaufen. Wer Gelder aus dem »CHIPS and Science Act« erhalten möchte, muß sich verpflichten, der antichinesischen Linie des Weißen Hauses zu folgen.

China hatte entsprechend dagegengehalten. Der US-amerikanische Chiphersteller Micron Technology hatte am 16. Juni gewarnt, daß die chinesischen Importrestriktionen für die Firma Einnahmeausfälle in Höhe von jährlich etwa vier Milliarden US-Dollar bedeuten würden. Der Vertrag mit Micron war von der Volksrepublik nach dem Start des Halbleiterkrieges durch die Biden-Regierung gekündigt worden, die Micron-Chips wurden durch solche aus chinesischer Produktion ersetzt. Micron-Kunden, insbesondere Automobilproduzenten, welche bis dahin Micron-Produkte verbaut hatten, wurden von staatlichen Stellen auf die neue Lage und die Alternativen hingewiesen.

Das von den USA geforderte »Decoupling« von China, welches die EU euphemistisch in ein »De-Risking« umgetauft hat, kostet – je nachdem, wie radikal es umgesetzt werden wird – mehrstellige Milliardensummen an US-Dollar und Euro und kann, wie das Beispiel Micron zeigt, den ruinösen dauerhaften Ausschluß vom weltgrößten Markt bedeuten.

China war durch den Wirtschaftskrieg der Trump-Regierung und die Blockade der 5G-Technologie des Huawei-Konzerns durch die Mächte des »Wertewestens« klargeworden, was nach Barack Obamas »Wende nach Asien« letztlich kommen würde, und hat mit gewaltigen Anstrengungen seinerseits für weitgehende Sanktionssicherheit gesorgt. Wie bei den direkten und indirekten Kosten des Ukraine-Krieges sollen die Vasallen der USA nun auch den Löwenanteil der Kosten des Wirtschafts- und Techkrieges tragen. Allein der Ausstieg aus der Huawei-Technologie wird Deutschland nach Schätzungen in den nächsten 15 Jahren einen BIP-Verlust von rund 100 Milliarden Euro bescheren.

Wer sich vom weltgrößten Markt, der weltgrößten Industriemacht und darüber hinaus der weltgrößten Rohstoffmacht »entkoppeln« will, sollte schon gut aufgestellt sein. Der »Wertewesten« ist das nicht.