Kultur18. Januar 2024

Green Day auf »Saviors« in Bestform

dpa

Das halbe Jahrhundert hat Green Day voll. Billie Joe Armstrong, Tré Cool und Mike Dirnt sind alle 51. Als alternde Punks könnten sie sich eigentlich auf ihren Erfolgen ausruhen und auf zwei Jubiläen konzentrieren. Die Veröffentlichung von »Dookie«, das der kalifornischen Band den internationalen Durchbruch bescherte, liegt unglaubliche 30 Jahre zurück. Das mit einem Grammy prämierte Konzeptalbum »American Idiot« wird 20 Jahre alt. Doch statt sich auf Nostalgie zu beschränken, veröffentlichen Green Day »den Soundtrack für eine Welt in Flammen« (PR-Text). »Saviors« ist ihr 14. Studioalbum.

»Rund 30 Jahre Erfahrung kommen da zusammen«, sagte Frontmann Billie Joe Armstrong dem kanadischen Radiosender 102.1 The Edge. »Ob es etwas von "Dookie" oder "American Idiot" ist – ich finde, wir haben irgendwie eine Brücke gebaut und ein Album gemacht, das für uns ein entscheidendes ist.« Natürlich kommt es häufiger vor, daß Musiker davon schwärmen, ihr neues Album sei ihr bestes. Doch tatsächlich kann sich »Saviors« mit Green-Day-Klassikern messen.

»The American Dream Is Killing Me« singt Armstrong zum Auftakt. Das ist stimmungsvoller Punkrock mit großer Melodie und überrascht mit kurzen Streicherintermezzi, die Musicalflair verbreiten. Früher wäre sowas im Punkrock verpönt gewesen. Green Day allerdings haben schon seit 2009 ihr eigenes Musical (»American Idiot«), das mit zwei Tony Awards ausgezeichnet wurde. Die Grenzen dessen, was Punkrock sein kann oder sein darf, hat das Trio schon lange pulverisiert. Wohl auch deshalb sind Green Day so erfolgreich und füllen auf ihrer kommenden Sommertournee Stadien.

»Saviors« ist ein Album voller packender Rockhymnen mit einprägsamen Melodien und smarten Texten, mal witzig, mal ironisch oder auch zynisch. Da sind einerseits energiegeladene Uptempo-Rocker wie das grandios betitelte »Look Ma No Brains«, »1981« oder »Coma City«. Demgegenüber stehen etwas weniger rifflastige Ohrwürmer wie »Goodbye Adeline«, der Titelsong oder das melancholische »Suzie Chapstick«. Es sind Songs, die sich geradezu fürs Radio anbieten. Im Intro der Ballade »Fancy Sauce« wagen Green Day obendrein ein bißchen 60er-Schmalz.

Unterstützt wurden Sänger und Gitarrist Armstrong, Bassist Dirnt und Schlagzeuger Cool bei ihrem neuen Longplayer nach langer Zeit wieder von einem ihrer früheren Mitstreiter. Hitproduzent Rob Cavallo war bereits für mehrere Green-Day-Alben verantwortlich, darunter »Dookie« und »American Idiot«. Der 60-Jährige gilt nicht zufällig als einer der erfolgreichsten Produzenten der Musikgeschichte und hat bei unterschiedlichen Künstlern von Alanis Morissette über Linkin Park bis zu Phil Collins meistens ein gutes Gespür bewiesen.

»Saviors« ist genau genommen kein Punkalbum, sondern mehr. Was die Kalifornier auf ihrer 14. LP abliefern ist großer, stimmungsvoller Stadionrock – mit den bekannten wie unbestreitbaren Einflüssen von Garagenrock, Surfpop, Classic Rock und Bands wie den Dead Kennedys, den Buzzcocks, den Ramones oder The Jam. Es gibt kaum einen Song auf der neuen Platte, der nicht sofort im Kopf bleibt. Nach dem etwas enttäuschenden und ziemlich kurzgeratenen Studioalbum »Father of All Motherfuckers«, auf dem sich Green Day von ihrem Sound entfernten, ist »Saviors« eine willkommene Rückbesinnung auf die Kernkompetenz.

Auf ihrer kommenden Welttournee durch die großen Hallen und Stadien werden Green Day übrigens nicht nur die neuen Songs zum Besten geben, sondern tatsächlich auch nostalgisch werden. Die Jubiläen von »Dookie« und »American Idiot« sollen, so hat die Band es angekündigt, ausgiebig gefeiert werden. Daß es schon so lange her ist, schockiert Armstrong selbst. »Scheiße, wir sind in dieser Band, seit wir 15 oder 16 waren«, sagte er dem britischen Magazin »Kerrang!«. »Wir kamen gerade in die Pubertät, als wir damit angefangen haben.«

Trotz Superstarstatus und unzähliger Hits: »Billie sagt, daß es unsere Highschoolband ist«, erzählte Dirnt dem »Kerrang!«, »und das ist es auch.« Daß Green Day immer noch so ticken wie zu Beginn ihrer Karriere, bewiesen sie im November in London. In der britischen Hauptstadt, wo Teile des Albums aufgenommen wurden, traten sie vor gutinformierten Fans in einem kleinen, vollgepackten Pub auf und sorgten für euphorische Stimmung. Von wegen alternde Punks.