Guantánamo bleibt
Obama kann Versprechen nicht einhalten
USA-Präsident Barack Obama wird nach Einschätzung Washingtoner Regierungskreise nicht sein Versprechen einhalten können, das umstrittene Gefangenenlager Guantánamo bis Januar zu schließen. Zu viele Fragen zum weiteren Umgang mit den 225 Gefangenen seien offen und nicht so bald zu klären, erfuhr die Nachrichtenagentur AP in Washington aus ranghohen Regierungskreisen in Washington. So sei der Status eines jeden Gefangenen auch deshalb schwierig abzuschätzen, weil die Vorgängerregierung von George W. Bush keine umfassenden Dossiers einschließlich Geheimdienst- und Beweismaterials angelegt habe.
Es war eine der ersten Amtshandlungen Obamas nach seinem Amtsantritt im Januar, die Schließung des Lagers im US-Marinestützpunkt Guantánamo auf Kuba innerhalb eines Jahres anzuordnen. Das Lager war nach den Anschlägen des 11. September 2001 von den USA eingerichtet worden, um mutmaßliche Topterroristen der Al Kaida oder der Taliban gefangenzuhalten. Die rechtsstaatlich höchst zweifelhafte Inhaftierung der sogenannten ausländischen Kombattanten wurde international jedoch heftig kritisiert. Das von vielen als Schandfleck der Demokratie bezeichnete Lager wurde damit zum Sinnbild der Kritik an den USA.
Die Auflösung des Lagers stellt die Regierung Obama jedoch vor mehrere Probleme, die in den verbleibenden vier Monaten kaum zu lösen sein werden. Erstens müssen neue Verfahrensregeln für Militärtribunale umgesetzt werden, zweitens soll als Ersatz ein Hochsicherheitsgefängnis in den USA gefunden werden und drittens muß über das Schicksal eines jeden der noch etwa 225 Gefangenen individuell befunden werden. Dabei geht es vor allem um die Frage, wer angeklagt, freigelassen oder ins Ausland überstellt werden soll. Zudem wird es eine – wohl kleine – Gruppe von Gefangenen geben, die auf unbestimmte Zeit festgehalten werden sollen.
Die Beamten aus dem Weißen Haus, die nicht namentlich genannt werden wollten, betonten allerdings, der Präsident halte nach wie vor an der Schließung des Lagers fest. Die Umsetzung werde allerdings mehr Zeit in Anspruch nehmen. Dies liege auch daran, daß es sehr lange gedauert habe, alle für einen Insassen vorhandenen Informationen zusammenzutragen. Die Unterlagen seien über verschiedene Dienste verstreut gewesen.
Bislang wurden 14 Insassen, die nach dem Kenntnisstand der Ermittler unschuldig inhaftiert waren, ins Ausland überstellt. Die Regierung Obama bemüht sich für zahlreiche Gefangene um Aufnahmeländer. Viele Länder, die immer die Schließung Guantánamos gefordert haben, zeigen sich da nun jedoch sehr zurückhaltend. Am Samstag wurden zwei Guantánamo-Gefangene von Irland und einer von Jemen aufgenommen, wie das US-Justizministerium mitteilte.
Aber auch die meisten US-Politiker wollen am liebsten keinen einzigen Insassen aufnehmen, sei es als freien Bürger oder in einer Haftanstalt. Weil entsprechende Pläne der Regierung nicht offengelegt wurden, hat der Kongreß das nötige Geld für eine Schließung Guantánamos zunächst nicht freigegeben. Es sei nicht geplant, als unschuldig befundene Insassen in den USA freizulassen, sagten die Beamten des Weißen Hauses.
Jennifer Loven, Washington (AP)