Kriegsheld Oberst Klein
Deutscher Kommandeur wird offiziell in Schutz genommen
Berlin – Das deutsche Militärministerium hat sich hinter den deutschen Oberst Georg Klein gestellt, der die Bombardierung zweier von Taliban gekaperter Tanklastzüge in Afghanistan angeordnet hatte. Sprecher Thomas Raabe sagte am Donnerstag, der Bericht eines ISAF-Teams, wonach Klein seine Kompetenzen überschritten habe, sei »vorläufig und nicht konsolidiert«. Für die Beurteilung des Vorfalls, bei dem Dutzende Menschen getötet wurden, müsse der Abschlußbericht abgewartet werden.
Die »Süddeutsche Zeitung« zitierte hingegen einen NATO-Offizier mit den Worten, es sei aufgrund des Berichts »sonnenklar«, daß Klein den vorgeschriebenen Befehlsweg nicht eingehalten habe. Zu einer Entscheidung von solcher Tragweite sei er ohne Rücksprache mit dem ISAF-Hauptquartier nicht befugt gewesen. Es habe keine unmittelbare Bedrohung für ISAF-Truppen gegeben. Die beiden Tanklaster, die nach Darstellung der Bundeswehr als rollende Bomben hätten eingesetzt werden können, hätten auf einer Sandbank im Fluß Kundus festgesteckt.
Man hätte bis Tagesanbruch warten können, um zu versuchen, die mutmaßlichen Taliban zu fassen oder zu vertreiben. Auch die Anforderung von Luftunterstützung durch zwei US-Kampfjets, die schließlich die beiden Bomben abwarfen, sei nicht zu erklären. Der sogenannte »Close Air Support« dürfe nur angefordert werden, wenn Soldaten am Boden in Gefechte verwickelt seien.
Klein soll offenbar noch im September nach Deutschland zurückkehren. Raabe sagte, Kleins Dienstzeit ende »regulär«.
Die NATO hat die Existenz eines vorläufigen Berichts der Afghanistan-Schutztruppe ISAF zu dem umstrittenen Luftangriff in Kundus dementiert. NATO-Sprecher James Appathurai sagte der Nachrichtenagentur AP am Donnerstag in Brüssel: »Ich habe heute mit ISAF gesprochen, und mir ist versichert worden, daß es keinen Bericht bei ISAF oder der ISAF gibt, der irgendwelche Schlußfolgerungen oder Einschätzungen zu den bei dem Vorfall in Kundus ergriffenen Prozeduren trifft.«
Steinmeier ist sauer
Außenminister Frank-Walter Steinmeier wies unterdessen die Kritik mehrerer europäischer Amtskollegen, darunter seines Freundes Jean Asselborn, nach dem Luftangriff in Afghanistan zurück. »Gerade von unseren NATO- und EU-Partnern erwarte ich, daß sie das Ergebnis der Untersuchung abwarten«, teilte Steinmeier seinen Kollegen über die »Bild«-Zeitung mit.
Steinmeier sagte der »Bild«-Zeitung, man könne kein Urteil fällen, ohne die Fakten zu kennen. Kanzlerin Angela Merkel hatte sich im Bundestag »Vorverurteilungen von welcher Seite auch immer« verbeten und eine »lückenlose Aufklärung« versprochen.
Der afghanische Außenminister Rangin Spanta machte deutlich, daß aus seiner Sicht die gesamte Verantwortung für das Massentöten den Taliban zukomme. Gleichzeitig behandelte er das Töten von Zivilisten durch die Besatzungssoldaten als Bagatelle. Zwar müsse bei militärischen Aktionen der Schutz von Zivilisten im Vordergrund stehen. »Aber das ist ein Krieg, und bedauerlicherweise kann so etwas passieren«, sagte Spanta der »Süddeutschen Zeitung«. Die Taliban bemühten sich mit aller Macht, vor der Bundestagswahl »solche Aktionen zu unternehmen, um die deutsche Öffentlichkeit zu beeinflussen«.
Trotz der Debatte über den tödlichen Luftangriff ist in der BRD die Ablehnung der Teilnahme der Bundeswehr in Afghanistan zurückgegangen. Im ARD-Deutschlandtrend forderte zwar noch immer eine deutliche Mehrheit von 57 Prozent der Befragten einen Abzug der deutschen Soldaten. Bei der letzten Umfrage im Juli waren es aber mit 69 Prozent noch deutlich mehr.
Afghanische Journalisten kritisieren NATO
Kabul – Die Befreiung eines »New York Times«-Reporters durch britische Kommandoeinheiten am Mittwoch in Afghanistan hat für Wut bei einheimischen Journalisten gesorgt. Denn während Stephen Farrell unversehrt aus der Gewalt der Taliban gerettet wurde, kam der afghanische Journalist und Übersetzer Sultan Munadi im Kugelhagel ums Leben. Der afghanische Journalistenverband warf den NATO-Soldaten vor, die gewaltsame Befreiungsaktion gestartet zu haben, ohne andere Kanäle ausgeschöpft zu haben.
Deutsche NATO-Soldaten sind im Norden Afghanistans »in Gefechte mit gegnerischen Kräften verwickelt« worden. Wie die Bundeswehr mitteilte, wurden die Truppen am Mittwochabend und Donnerstag im Raum Kundus und Talokan mit Handfeuerwaffen und Panzerabwehrwaffen angegriffen. Die Bundeswehrsoldaten hätten »das Feuer erwidert«. Dabei sei ein Transportpanzer Fuchs leicht beschädigt worden.
Die deutschen Soldaten unterstützen laut Bundeswehr afghanische Truppenteile, die im Rahmen der »Operation Aragon« im Osten der Provinz Kundus Krieg gegen Aufständische führen.