Leitartikel11. November 2021

Abzocke im Ambulanz-Taxi

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Wer in Luxemburg Brillen und Kontaktlinsen verkaufen will, muß qualifizierte Optiker einstellen, die die potentiellen Kunden fachlich beraten können. Um Patiententransporte zum Haus- oder Facharzt, zu Reha- oder anderen (beispielsweise nach einem größeren chirurgischen Eingriff) vom behandelnden Arzt verschriebenen Maßnahmen durchführen zu dürfen, muß man lediglich nachweisen, daß das zum Patiententransport eingesetzte Vehikel (wie jedes andere Auto auch) durch die technische Kontrolle gekommen ist.

Mehr verlangt die CNS nicht. In Luxemburg gibt es weder für alle Anbieter verbindliche Vorgaben zur technischen Ausstattung und zum hygienischen Zustand des Ambulanz-Taxis, noch zur fachlichen Kompetenz des Chauffeurs – von dem man aber doch zumindest verlangen sollte, daß er im Fall der Fälle erste Hilfe leisten kann, bis ein entsprechend ausgebildeter und mit den nötigen medizinischen Geräten ausgestatteter Notarzt eingetroffen ist.

Regelmäßig führt der von der Patientevertriedung schon seit vielen Jahren beklagte »Wildwuchs« bei den privaten Anbietern von Ambulanz-Taxis obendrein dazu, daß Versicherte, die medizinische Leistungen in Anspruch nehmen müssen, für die Fahrt zum Arzt oder Rehazentrum horrende Rechnungen bezahlen müssen, weil kein Gesetz oder CNS-Reglement einen landesweit einheitlichen Tarif vorgibt.

So berichtete die Patientevertriedung diese Woche auf einer Pressekonferenz, ein in Tetingen ansässiger Ambulanz-Taxi-Anbieter habe einem Versicherten für vier Fahrten von der Escher Rue Charly Gaul zum CHEM, für die im Frühjahr 2019 beim selben Anbieter noch 60,22 Euro fällig waren, im Juni und Juli dieses Jahres vier unterschiedliche Beträge zwischen 105,44 und 165,44 Euro abgeknöpft.

Weil die CNS trotz aller Beschwerden bis heute einen viel zu kleinen Teil der Rechnungen für die Inanspruchnahme der hierzulande im rechtsfreien Raum agierenden Ambulanz-Taxis nachträglich zurückerstattet, wurden der Patientevertriedung zufolge schon dringend benötigte Rehamaßnahmen (zum Beispiel nach einer OP) oder andere ärztlich verordnete Behandlungen abgebrochen.

Aber was nützt das beste medizinische und paramedizinische Angebot, wenn sich der oder die Versicherte die Fahrt dorthin nicht (bzw. nach einer längeren Erkrankung nicht mehr) leisten kann?

Und wieso ist ein Rentnerpaar auf 396 Euro sitzengeblieben, die ihm ein Ambulanz-Taxi-Betreiber für die Fahrten vom Seniorenheim der Frau zur ersten und zweiten COVID-19-Impfung abgeknöpft hat? Hinzu kommt, daß die CNS vorab versichert hatte, die Kosten für die Fahrt zur Impfung würden integral erstattet. Nun kann sich das Rentnerpaar eine dritte Impfung der Frau nicht mehr leisten, obwohl älteren Menschen ein »Booster« doch dringend empfohlen wird.

Neben einer umfassenden staatlichen Regulierung des Ambulanz-Taxi-Sektors inklusive einer für alle Anbieter verbindlichen Tarifstruktur und einer künftig vollen Kostenübernahme bei Patiententransporten durch die CNS muß die Regierung endlich dafür sorgen, daß die von der Patientevertriedung seit Jahren geforderte Beschwerdestelle eingerichtet wird, die nichtgerechtfertigte Rechnungsposten annullieren und Verstöße gegen die staatlichen Vorgaben wirksam sanktionieren kann.