Wer Wind sät, wird Sturm ernten
Im Pflege- und Sozialsektor steten die Zeichen gleich aus mehreren Gründen auf Sturm.
Anfang Februar 2009 waren die Verhandlungen zwecks Erneuerung des Kollektivvertrags für 12.000 Beschäftigte zwischen der Patronatsvereinigung Copas (»Confédération des organismes prestataires d’aides et de soins«) und den Gewerkschaften gescheitert.
Der Grund: Die Trägergesellschaften von Pflege- und Sozialeinrichtungen hatten versucht, ein neues Lohnsystem durchzuboxen, das auf mehr Flexibilität und zweifelhaften Bewertungskriterien beruhen sollte.
Der Gipfel der Unverschämtheit war, dass das Patronat den Beschäftigten die ihnen infolge der Anhebung des Punktwerts zustehende Lohnerhöhung von 1,5 Prozent ab 2009, nicht als festen Bestandteil des Lohnes zuerkennen sondern nur als einjährige Prämie bezahlen wollte.
Die Verhandlungen vor dem nationalen Schlichtungsamt verliefen bisher wie das Hornberger Schießen und werden aller Voraussicht nach in der Sackgasse landen, sollte das Patronat an seinen Forderungen, die mit Sozialabbau gleichzustellen sind, festhalten.
Allerdings geht es in dieser Auseinandersetzung nicht nur um direkte Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen, sondern auch um den Kollektivvertrag als solchen. Um bestehende Diskriminierungen aus der Welt zu schaffenden forderte der federführende OGBL, dem vier Fünftel aller Delegierten des SAS-Sektors angehören, eine progressive Angleichung an den für die Beschäftigten günstigeren Kollektivvertrag im Krankenhaussektor (EHL)und ab 2013 einen einzigen Kollektivvertrag für die 20.000 Beschäftigten im Pflege-, Sozial- und Krankenhaussektor.
Diese Forderung kam nicht überraschend, denn nach einem handfesten Konflikt mit der Pflegersicherung über die Verrechung von Dienstleistungen im Rahmen der Pflegeversicherung, hatten Teile der Patronatsvereinigungen laut darüber nachgedacht, den umgekehrten Weg zu gehen und mit ihren Sozial- und Pflegeeinrichtungen vom Kollektivvertrag der Krankenhäuser zum Kollektivvertrag des Pflege- und Sozialwesens überzuwechseln. Das aber hätte für die Beschäftigten Verschlechterungen bei der Arbeitszeit, den Urlaubstagen und dem Urlaubsgeld zur Folge.
Dass das keine entfernten Zukunftsvisionen sind, ist daran zu sehen, dass die katholische Zitha-Gruppe bereits Mitte Juli, in wenigen Wochen also, als Vorreiter in Sachen Sozialabbau in Erscheinung treten und einen solchen Wechsel beschließen will.
Die bisherigen Protestmanifestationen vor Sozial- und Plegeeinrichtungen im SAS- und EHL-Bereich müssen angesichts dieser Herausforderungen als Wetterleuchten gedeutet werden.
Es steht viel auf dem Spiel, und das Patronat und die alt-neue Regierung, die ihre Hände in diesem Streit nicht in Unschuld waschen kann, sollten wissen, dass das Sprichwort »Wer Wind sät, wird Sturm ernten« kein leeres Geschwätz ist. Denn die Beschäftigten aus dem Pflege- und Sozialbereich haben in der Vergangenheit bereits mehr als einmal gezeigt, dass sie kämpferisch sein können, wenn ihre Interessen das erfordern.
Ali Ruckert