Ausland26. Oktober 2022

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

Mißtrauensvoten gegen französische Regierung gescheitert

Budget durchgewinkt

In der französischen Nationalversammlung sind zwei Mißtrauensvoten gegen die Regierung wegen des Staatshaushalts gescheitert. Trotz der Stimmen des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) bekam der Antrag des Linksbündnisses Nupes am Montagabend wie erwartet nicht die nötige absolute Mehrheit in der Nationalversammlung, wie die französischen Fernsehsender franceinfo und BFMTV berichteten. Auch der eigene Mißtrauensantrag des RN – den die Linken nicht unterstützten – wurde abgelehnt.

Damit gilt der Haushalt, der seit Wochen ein Zankapfel zwischen den Parteien ist, in erster Lesung als angenommen. Anlaß für die Mißtrauensvoten war die Ankündigung der Regierung, den Haushalt für das kommende Jahr ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drücken zu wollen. Premierministerin Élisabeth Borne hatte angesichts der festgefahrenen Debatten einen entsprechenden Sonderartikel in der Verfassung genutzt. Die Diskussion in der Unterkammer wurde damit vorzeitig beendet.

Seit den Parlamentswahlen im Juni hat das Lager um Präsident Emmanuel Macron und die Regierung von Borne in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr. Sie sind daher für ihre Vorhaben auf Stimmen der Opposition angewiesen und mahnen immer wieder zum Kompromiß.

Britischer Premier im Amt

Der neue britische Premierminister Rishi Sunak hat zum Amtsantritt eine Bewältigung der enormen Probleme im Land versprochen. »Es wurden Fehler gemacht«, sagte Sunak in seiner ersten Ansprache in der Downing Street mit Blick auf die kurze Amtszeit seiner Vorgängerin Liz Truss. Die Konservative Partei hatte Sunak Anfang der Woche zum neuen Parteichef gekürt – und damit auch zum Premier. König Charles III. beauftragte ihn am Dienstagvormittag im Buckingham-Palast offiziell mit der Bildung einer Regierung. Die Umbildung der Regierung begann noch am Dienstagnachmittag. Seite 5

Fünf Palästinenser getötet

Das israelische Militär hat in Nablus im nördlichen Westjordanland in der Nacht zum Dienstag mindestens fünf Palästinenser getötet. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden mindestens 20 weitere Palästinenser verletzt, darunter einige lebensgefährlich. Ziel des israelischen Angriffs war nach Angaben beider Seiten eine Wohnung, die als Quartier einer militanten Zelle namens »Höhle der Löwen« diente. Nach palästinensischen Angaben wurde der mutmaßliche Anführer der bewaffneten Gruppierung, ein 31-Jähriger, bei dem Angriff getötet. Die israelische Armee erklärte, es sei zu Konfrontationen mit Dutzenden von Palästinensern gekommen, die Reifen verbrannt und Steine auf die Truppen geworfen hätten. Diese hätten »das Feuer erwidert«, nachdem sie auch von Bewaffneten beschossen worden seien. Bereits vor zwei Tagen war in Nablus ein Mitglied der »Höhle der Löwen« bei der Explosion einer Bombe getötet worden. Die Toten wurden am Dienstag in Nablus zu Grabe getragen.

Rechtsruck in der Politik Italiens

Regierungserklärung von Premierministerin Meloni im Parlament

Rom – Ein »neues Selbstbewußtsein« in der EU, die Verteidigung der eigenen Interessen, eine Abwehr von Flüchtlingen und ein Bekenntnis zur Ukraine: Italiens neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat eine nationalistische Politik angekündigt. In ihrer ersten Regierungserklärung im Parlament sagte die Parteichefin der rechtsradikalen Fratelli d'Italia: »Wir wollen aus dieser Nation die besten Energien freisetzen und allen Italienern eine Zukunft mit mehr Freiheiten, Gerechtigkeit, Wohlstand und Sicherheit geben.«

In Richtung EU sagte Meloni, daß sie sich Modifizierungen zentraler Regeln wünsche. Das Ziel der Regierung »ist es nicht, die europäische Integration zu verlangsamen oder zu sabotieren, sondern dazu beizutragen, daß sie als Reaktion auf Krisen wirksamer wird«. Italien werde zwar alle aktuellen Vereinbarungen der Europäischen Union befolgen. Ihre Exekutive werde aber Vorschläge machen, »um jene Regeln zu ändern, die nicht funktioniert haben, beginnend bei der aktuellen Debatte über eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes«, sagte Meloni. Sie möchte auch mehr Gehör für Italien »in den europäischen Institutionen« finden. »Italien ist voll und ganz Teil des Westens und seines Bündnissystems«, versicherte sie.

Meloni unterstrich den Willen der Rechtskoalition, Flüchtlinge über das Mittelmeer von den Küsten Süditaliens fernzuhalten und deren Boote schon bei der Abfahrt aus Afrika zu blockieren. Dort sollten Zentren eingerichtet werden, in denen geprüft wird, wer übersetzen darf.

Der Ukraine sagte Meloni weiter die volle Unterstützung Italiens zu. »Und das nicht nur, weil wir keinen Angriffskrieg und die Verletzung der territorialen Einheit eines souveränen Staates akzeptieren können«, sagte Meloni. »Sondern auch, weil wir nur so bestmöglich unser nationales Interesse verteidigen können.« Italien stehe als Teil der Atlantik-Allianz weiter zuverlässig an der Seite Kiews. Der ukrainische Präsident Selenski, der mit Meloni telefoniert hatte, äußerte sich in einem Zeitungsinterview optimistisch zur die Zusammenarbeit.

Geschichtsträchtig ist, daß die ultrarechte Meloni 100 Jahre nach der Machtergreifung der Mussolini-Faschisten ihre Grundsatzrede hielt. Sie habe »niemals Sympathie oder Nähe für antidemokratische Regimes empfunden. Für kein Regime, auch nicht für den Faschismus«, behauptete Meloni. Sie nannte die faschistischen Rassengesetze von 1938 »den Tiefpunkt der italienischen Geschichte« und »eine Schande, die unser Volk für immer prägen wird.«

Der frühere Ministerpräsident Giuseppe Conte von den oppositionellen Fünf Sternen kritisierte Melonis Rede als »inhaltsleer« und voll von »demagogischen Slogans«. Debora Serracchiani von den Sozialdemokraten sprach von einem »mehr ideologischen denn programmatischen Manifest«.

Rußland erneuert Warnung vor »schmutziger Bombe«

Moskau/New York – Ungeachtet der westlicher Zurückweisungen hat Rußland die dringende Warnung erneuert, die Ukraine bereite den Einsatz einer radioaktiv verseuchten »schmutzigen Bombe« vor. Die Weigerung der USA, dies zur Kenntnis zu nehmen, sei angesichts einer solchen Gefahr inakzeptabel, sagte der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow in Moskau. »Dies ist ein Ansatz, der alles andere als seriös ist, ein Ansatz, der unangemessen ist angesichts der Schwere der Gefahr, über die wir hier sprechen.« Die USA, Frankreich, Britannien und die Ukraine hatten zuvor die russischen Vorwürfe als »falsch« zurückgewiesen. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte am Montag, daß an der russischen Behauptung absolut nichts dran sei. »Es ist einfach nicht wahr. Wir wissen, daß es nicht wahr ist«, erklärte Kirby.

Experten der IAEA sollen in den kommenden Tagen zwei ukrainische Atomanlagen untersuchen, die Rußland bei seinen Warnungen zu einer »schmutzigen Bombe« erwähnt hatte. Das kündigte IAEA-Chef Rafael Grossi an.

Rußland bringt die Vorwürfe, die ukrainische Regierung wolle eine atomar verseuchte Bombe zünden, vor den UNO-Sicherheitsrat. Eine entsprechende Aussprache hinter verschlossenen Türen sollte am Dienstag nach einem Treffen zum Konflikt in Syrien stattfinden. Außenminister Sergej Lawrow hatte erklärt, es gebe »konkrete Informationen zu den Instituten in der Ukraine, die über entsprechende Technologien verfügen, solch eine Bombe zu bauen«.

Todesfalle Mittelmeer

Seit 2021 fast 5.700 Menschen auf der Flucht nach Europa gestorben

Genf – Mehr als 5.600 Menschen sind seit Anfang 2021 auf der Flucht von Nordafrika nach Europa und auf Fluchtrouten innerhalb der EU ums Leben gekommen, erklärte die UNO-Organisation für Migration (IOM) am Dienstag. Die Zahl der Todesfälle sei sowohl auf den Fluchtrouten über das Mittelmeer als auch über Land im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahreszeiträumen gestiegen. Von Anfang 2021 bis September 2022 registrierte die IOM 5.684 Todesfälle.

Seit 2014 seien mehr als 29.000 Menschen auf diesen Routen umgekommen. Bei einem Großteil, 17.000, konnte nicht einmal das Heimatland festgestellt werden. Unzählige Familien seien bis heute im Ungewissen, was mit ihren Verwandten passiert ist. Viele der Todesfälle hätten durch prompte Hilfeleistung vermieden werden können, schreibt die IOM. Die meisten der Identifizierten stammten aus Syrien, gefolgt von Marokkanern und Algeriern.

Unter Berufung auf Überlebende berichtet die IOM, daß mindestens 252 Menschen umkamen, weil sie von Vertretern von EU-Behörden in sogenannten Pushbacks dahin zurückgedrängt worden seien, wo sie herkamen. Die IOM betont, daß es schwierig sei, die Berichte von Überlebenden zu verifizieren. Sie geht davon aus, daß die wahren Zahlen deutlich höher liegen.

»Scherben der Vorgängerin aufkehren«

Antrittsrede des britischen Premiers Sunak

London – Nach dem Scheitern seiner Vorgängerin hat der neue britische Premierminister Rishi Sunak zum Amtsantritt eine Bewältigung der enormen Probleme im Land versprochen. »Es wurden Fehler gemacht«, sagte Sunak in seiner ersten Ansprache in der Downing Street mit Blick auf die kurze Amtszeit von Liz Truss. Diese war mit ihrer radikalen Wirtschaftspolitik nach nur rund sechs Wochen gescheitert. Er wolle den Schaden reparieren, sagte der 42-Jährige.

Die Konservative Partei hatte Sunak Anfang der Woche zum neuen Parteichef gekürt – und damit auch zum Premier. König Charles III. beauftragte ihn am Dienstagvormittag im Buckingham-Palast offiziell mit der Bildung einer Regierung.

Sunak ist der erste indischstämmige britische Regierungschef und außerdem der jüngste Premier seit mehr als 200 Jahren. Er hat einen beispiellosen Aufstieg hingelegt. 2015 erstmals ins Parlament gewählt, zieht er nur sieben Jahre später bereits in die Downing Street ein – so schnell wie kein anderer in der jüngeren Geschichte. Er ist bereits der dritte Premierminister in nur zwei Monaten, nachdem Truss als Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichtsbücher eingeht.

Sunak versprach dem Land nun mehr Stabilität in einer »ernsthaften Wirtschaftskrise«, warnte jedoch auch, dafür müßten »schwierige Entscheidungen« getroffen werden.

Seine Regierung werde Integrität, Professionalität und Verantwortung zeigen, kündigte Sunak an. Er sei bereit, das Land in die Zukunft zu führen und die Sorgen der Menschen über die Politik zu stellen. »Gemeinsam können wir unglaubliche Dinge erreichen«, sagte Sunak in seiner sechs Minuten dauernden Rede.

Die Umbildung der Regierung sollte noch am Dienstagnachmittag beginnen.

Die frühere Staatssekretärin Atkins zeigte sich am Dienstag überzeugt, daß die Tories ihre Streitigkeiten beenden könnten. An der Parteibasis aber gibt es Kritik, weil Sunak ohne Abstimmung der Mitglieder ins Amt kommt. Die Opposition fordert Neuwahlen, was der Premier aber bereits abgelehnt hat. In Umfragen liegen die Tories abgeschlagen hinter der größten Oppositionspartei Labour und dürften im Fall einer vorgezogenen Parlamentswahl etliche Mandate verlieren.

USA-Führung gegen Verhandlungen mit Rußland

Washington – Das Weiße Haus hat bekräftigt, daß die USA keine direkten Verhandlungen mit Rußland im Ukraine-Krieg »ohne Beteiligung Kiews« führen werden. Das habe man von Anfang an gesagt, »und das bleibt der Ansatz«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Montag. Zuvor hatten 30 Abgeordnete der Demokratischen Partei in einem Brief an das Weiße Haus angeregt, die Tür für direkte Verhandlungen mit Moskau offenzuhalten, um ein rascheres Ende des Krieges zu erreichen.

Im krassen Gegensatz zu den realen Verhältnissen behauptete Kirby, daß aus Sicht der USA-Führung »nur die Ukrainer über Verhandlungen zu entscheiden haben«. Der ukrainische Präsident Selenski sei der Ansicht, daß es nicht an der Zeit sei, eine Vereinbarung mit Wladimir Putin auszuhandeln. »Wir respektieren seine Meinung dazu«, sagte Kirby. »Wir werden uns darauf fokussieren, daß er und seine Truppen auf dem Schlachtfeld erfolgreich sind« – so daß Selenski dann auch bei eventuellen Verhandlungen erfolgreich sein könne. Und Selenski entscheide, wann die richtige Zeit für Gespräche sei – sowie was als Erfolg und Sieg einzuschätzen sei und zu welchen Bedingungen er verhandeln wolle.

Die Abgeordneten, darunter Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar und Jamie Raskin, hatten in ihrem Brief an Biden eine Kursänderung nahegelegt. Es sei nötig, die Unterstützung für die Ukraine mit proaktiven diplomatischen Vorstößen zu verbinden, mit Bemühungen »einen realistischen Rahmen für eine Waffenruhe zu finden«. Zu einem solchen Rahmen könne eine Lockerung der Sanktionen und Sicherheitsgarantien für eine freie und unabhängige Ukraine gehören, »die für alle Parteien akzeptabel sind, insbesondere die Ukrainer«.


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