Es kann jeden treffen
Eine der bekanntesten Begleiterscheinungen unserer modernen Gesellschaft ist wohl das Burn-Out-Syndrom. Vom Patronat immer wieder mit Faulheit in Verbindung gebracht, avanciert es seit Jahren zu einer Volkskrankheit, ohne daß es bisher nennenswert aus der »Simulanten«-Ecke herausgeholt werden konnte, was den Betroffenen das Leben nur noch schwerer macht.
Dem Quality of Work Index des Jahres 2019 zufolge berichteten 43 Prozent der lohnabhängig beschäftigten Menschen hierzulande, oft oder immer unter Zeitdruck oder in Eile arbeiten zu müssen, 34 Prozent erklärten, daß ihre Arbeit oft oder immer von ihnen verlange, ihre wahren Gefühle zu verbergen, 45 Prozent erklärten, in nur sehr geringem Maße Einfluß auf die eigenen Arbeitszeiten zu haben, 44 Prozent gaben an, wenig oder kein Mitspracherecht bei Betriebsentscheidungen zu haben, 18 Prozent erklärten, Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Leben und Beruf zu haben, 10 Prozent fühlten sich am Arbeitsplatz von Kollegen wenig bis gar nicht unterstützt und 17 Prozent erklärten, daß ihre Vorgesetzten ihnen selten oder gar nicht Unterstützung gäben.
Es sei klar, daß Burnout alle Kategorien von Lohnabhängigen betreffen könnten, heißt es in einer entsprechenden Veröffentlichung der CSL für Personaldelegierte, dem auch die obigen Zahlen entnommen werden können. Jedoch sei es bei einigen wahrscheinlicher, daß sie betroffen sind, als bei anderen. In der EU sei Streß das am zweithäufigsten genannte arbeitsbedingte Gesundheitsproblem. Es werde geschätzt, daß mehr als die Hälfte (50-60 Prozent) aller verlorenen Arbeitstage auf psychosoziale Risiken zurückzuführen seien. Auch in Luxemburg nehme der Krankenstand aufgrund von Depressionen und anderen streßbedingten Erkrankungen laut Statistik der Sozialversicherung seit Jahren stetig zu.
Unabhängig von ihren Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit hätten psychosoziale Risiken auch unmittelbare und verzögerte Auswirkungen auf die Gesamtleistung des Unternehmens, was aufgrund der folgenden Faktoren zu erheblichen Kosten führe. Somit sägen die Unternehmen und Patronatsvertreter, die psychologische Erkrankungen noch immer nicht ernst nehmen und denen das Arbeitsklima nachrangig erscheint, den Ast ab, auf dem sie selbst mit ihrer vielbeschworenen Wettbewerbsfähigkeit und stetigem Jammern über »Absentismus« sitzen.
Burnout bleibt nach wie vor in den meisten Fällen lediglich ein Medienereignis, wenn wieder einmal ein Profisportler oder Schauspieler unter seinem Pensum zusammenbricht. Dann sind die Gazetten und sozialen Medien voll mit Solidaritätsbekundungen. Wenn aber ein Arbeitskollege oder Untergebener im Betrieb immer häufiger krank ist und augenscheinlich die gleichen Symptome zeigt, bekommt er bestenfalls gesagt, er solle sich mal zusammenreißen oder positiv denken, wenn nicht gar direkt Feindseligkeiten gegenüber dem »Simulanten« zutage treten.
Wir sollten uns im Jahr 2025 fragen, in welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen. Für jene, welche seit Jahrzehnten auf der Bremse stehen, wenn es um eine gerechtere Verteilung des geschaffenen Wohlstands auch in Form von »Work-Life-Balance« oder Arbeitsqualität geht, steht fest, daß alles beim Alten bleibt oder sogar noch älter werden soll. Die Frage ist, wie die Mehrheit der Menschen, jene also, welche deren Regeln zu respektieren haben, sich eine lebenswerte Gesellschaft vorstellen. Die vielgescholtene »Generation Z«, die junge Generation von Lohnabhängigen, stellt diese Fragen und wird dafür als arbeitsfaul durch die Medien gejagt. Dies nun umso mehr, als sich die politischen Verhältnisse nicht zum Besseren verändern.