Ausland30. März 2024

Israel ignoriert UNO-Resolution

Angriffe in Gaza, Libanon und Syrien fordern Tote und Verletzte

von Karin Leukefeld

Nach der Verabschiedung der bindenden Resolution 2728 des UNO-Sicherheitsrats, die einen sofortigen Waffenstillstand im Gaza-Krieg bis zum Ende des Fastenmonats Ramadan (9. April 2024) fordert, haben die israelischen Streitkräfte ihre Angriffe gegen Ziele in Gaza, im Libanon und in Syrien verschärft. Die USA und Deutschland versorgen den israelischen Bündnispartner für seine »Selbstverteidigung« weiter mit Waffen.

Israel genießt Straflosigkeit

Die Resolution 2728 war am vergangenen Montag von den zehn nicht-ständigen Sicherheitsratsmitgliedern vorgelegt und mit 14 von 15 Stimmen angenommen worden. Die USA verzichteten auf ein Veto und enthielten sich. Jordanien, Ägypten und andere Staaten forderten die sofortige Umsetzung der Resolution. Der israelische Botschafter bei der UNO nannte die Resolution »schändlich« und warf dem Gremium »Einseitigkeit« vor, weil es die »mörderischen Hamas-Terroristen« nicht verurteile.

Der palästinensische Botschafter wies in der Debatte im Sicherheitsrat darauf hin, es habe »sechs Monate gedauert, bis der Rat endlich einen sofortigen Waffenstillstand fordert«. Mehr als 100.000 Palästinenser seien getötet und verletzt worden, 2 Millionen vertrieben und eine Hungersnot sei ausgebrochen. Kriegsverbrechen fänden vor den Augen der Welt statt und noch immer genieße Israel Straflosigkeit, weil es Staaten gebe, die das Land als »Verbündeten« ansähen.

»Humanitäre Tarnung«

Klare Worte zum Vorgehen der israelischen Streitkräfte fand die Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten, Francesca Albanese, bei der Vorstellung ihres Berichts »Anatomie eines Völkermords« vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf am 26. März.

Die israelische Exekutive, die militärische Führung und die Soldaten »haben die grundlegenden Regeln des humanitären Völkerrechts – Unterscheidung, Verhältnismäßigkeit und Vorsorge – absichtlich verfälscht, um die völkermörderische Gewalt gegen das palästinensische Volk zu legitimieren«, sagte die Berichterstatterin. Die Kategorien »menschliche Schutzschilde«, »Evakuierungsbefehl«, »Schutzzonen«, »Kollateralschaden« und »medizinischer Schutz«, die eine Schutzfunktion für die Bevölkerung hätten, habe Israel »bewußt neu definiert« und als »humanitäre Tarnung« benutzt, um seine »völkermörderische Kampagne zu verschleiern«, sagte Francesca Albanese.

Ihr Bericht sei »ein Aufruf an die Welt, dafür zu sorgen, daß Israel und Drittstaaten ihren zwingenden Verpflichtungen aus der Völkermord-Konvention nachkommen, um weitere Verluste an Menschenleben zu verhindern. Sie müßten den Überlebenden helfen, ihr Leben wiederaufzubauen und »die volle Rechenschaftspflicht sowohl im Rahmen der individuellen strafrechtlichen als auch der staatlichen Verantwortung« sicherstellen.

Waffenlieferungen stoppen!

Zwischen Montag und Mittwoch wird die Zahl der getöteten Palästinenser vom UNO-Nothilfebüro (OCHA) mit 160 angegeben, 195 seien verletzt worden. Zwei Drittel der 36 Krankenhäuser in Gaza seien außer Betrieb, die restlichen könnten nur eingeschränkt oder »minimal« arbeiten. Die Internationale Föderation der Rote Kreuz/Rote Halbmond-Gesellschaften berichtete am Mittwoch, daß das Gesundheitssystem im Norden von Gaza »weitgehen zerstört« sei. Im Süden stehe die Gesundheitsversorgung »vor dem Kollaps«.

Nach israelischen Angriffen auf Wohnhäuser, Kliniken und Flüchtlingsunterkünfte auch im Süden des Gazastreifens wurden am Freitag erneut Dutzende Tote gemeldet. Belagerung und Kämpfe in und bei den Kliniken Al Shifa und Al Nasser gingen weiter. Die Zahl der getöteten Palästinenser stieg auf mehr als 32.600, mehr als 75,000 sind verletzt. Die Zahl der Toten erfaßt nur die registrierten Opfer, die Zahl der unter den Trümmern begrabenen Menschen kann nur geschätzt werden.

Eine Schande für die Welt

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag veröffentlichte am Donnerstag ein Urteil, wonach Israel »sofort alle notwendigen und wirksamen Maßnahmen ergreifen muß, um sicherzustellen, daß die palästinensische Bevölkerung in Gaza unverzüglich mit Grundnahrungsmitteln versorgt wird«. Das Gericht folgte damit einem Antrag Südafrikas von Anfang März.

Der jordanische Außenminister Ayman Safadi erklärte auf »X«: »UNO-Organisationen berichten Schreckliches über das Leid in Gaza«. Mehr als 30.000 seien getötet, mehr als 2 Millionen Menschen hungerten. Das sei »eine Schande für die Welt«. Waffenlieferungen nach Israel müssen gestoppt und Israel muß gezwungen werden, die Katastrophe zu beenden. »Das fordert das internationale Recht, das ist, was menschliche Werte verlangen.«

Nach Angaben des schwedischen Forschungsinstituts SIPRI stammen 69 Prozent der im Jahr 2023 nach Israel gelieferten Waffen aus den USA und 30 Prozent aus Deutschland. Italien lieferte 0,9 Prozent. Ende 2023 hätten die USA Tausende von Lenkbomben und Raketen an Israel geliefert, fast ebenso viel wie im Jahr 2022. Israelische Kampfjets, Hubschrauber, Kriegsschiffe und U-Boote seien auf Zulieferungen aus den Herkunftsländern – USA, Deutschland, Kanada, Niederlande, Britannien – angewiesen. Die aus den USA an Israel verkauften Kampfjets spielen laut SIPRI eine »wichtige Rolle bei den Militäroperationen Israels gegen die Hamas und gegen die Hisbollah«.

Israelische Angriffe im Libanon und in Syrien

Die Kämpfe entlang der »Blauen Linie«, die eine Waffenstillstandslinie der UNO zwischen dem Libanon und Israel markiert, gehen unvermindert weiter. Israel attackierte mit Kampfjets und Drohnen Einrichtungen in der Bekaa-Ebene bei Baalbek, in Naqoura und weiteren Orten im Süden des Libanon. Dabei starben seit Mittwoch mindestens zwölf Personen, darunter Kämpfer der Hisbollah, der Amal, einer Scout-Organisation und Rettungssanitäter. Die Hisbollah attackierte im Gegenzug militärische Stellungen der israelischen Armee im Norden Israels.

In der Nacht zu Freitag wurde das Gebiet um den internationalen Flughafen Aleppo in einem kombinierten Angriff islamistischer Söldner aus Idlib und von Israel angegriffen. Während außerhalb Syriens die Zahl der Toten mit 42 oder mit »mehr als 30« angegeben wurde, meldete die syrische Nachrichtenagentur SANA bisher keine Todeszahlen. »Der feindselige israelische Luftangriff kam aus der Richtung von Athriya, südöstlich von Aleppo«, so SANA. Der Angriff sei gleichzeitig mit Angriffen von »terroristischen Organisationen aus Idlib und dem Westen von Aleppo« erfolgt.

Die israelische Luftwaffe hatte erst am Donnerstag ein Gebäude im Umland von Damaskus angegriffen. Dabei waren laut SANA zwei Zivilisten getötet worden. Am Dienstag hatte die USA-Luftwaffe zahlreiche Ziele in der ostsyrischen Provinz Deir-Ez-Zor angegriffen, dabei waren mindestens acht Personen getötet und mehr als 20 Verletzt worden. Der Angriff folgte nach Angaben von Nachrichtenagenturen, nachdem ein iranisches Militärflugzeug in dem Gebiet von Al Qusur (Provinz Deir-Ez-Zor) gelandet sei. In der Provinz Deir-Ez-Zor sind – mit Einverständnis der syrischen Regierung – iranische Milizen stationiert.