Kaleidoskop11. Mai 2023

Riesige Felsmassen bedrohen Schweizer Dorf

von dpa/ZLV

Riesige Felsmassen bedrohen das Bergdorf Brienz in der Schweiz. Die Lage hat sich derart zugespitzt, daß die gut 50 Einwohner noch in dieser Woche umsiedeln müssen. Die örtlichen Verantwortlichen vom Gemeindeführungsstab Albula/Alvra informierten die Bewohner am Dienstagabend über die Einzelheiten. Bis Freitag 18 Uhr muß das Dorf in Graubünden geräumt sein. Es liegt 25 Kilometer Luftlinie südwestlich von Davos auf ca. 1.100 Metern Höhe und ist nicht zu verwechseln mit dem bekannteren Brienz unweit von Interlaken am Brienzersee.

Oberhalb des Dorfes seien bis zu zwei Millionen Kubikmeter Felsmaterial in Bewegung, berichtete der Leiter des Frühwarndienstes, Stefan Schneider. Die Gesteinsmassen bewegen sich nach den Messungen mehr als doppelt so schnell wie noch vor wenigen Wochen. Die Nachrichten des Schweizer Fernsehens zeigten am Dienstagabend ein eindrucksvolles Zeitraffervideo, in dem die Bewegung der riesigen Felsmassen zu sehen war.

Die Region ist seit Jahrhunderten in Bewegung. Das Dorf selbst rutscht seit zwei Jahrzehnten mit rund einem Meter pro Jahr Richtung Tal. Daß der Felsbereich namens »Insel« oberhalb des Dorfes gefährlich ist, war seit Jahren bekannt. Die Einwohner wußten schon lange, daß eine Räumung droht. Daß die Entscheidung jetzt fiel, habe auch mit der Wetterprognose zu tun, sagte Simon Löw, emeritierter Professor für Ingenieurgeologie an der ETH Zürich, im SRF. Bis Sonntag seien jeden Tag Niederschläge vorhergesagt, das könne die Rutschgeschwindigkeit noch erhöhen.

Unklar ist, ob Schutt und Geröll das Dorf treffen. Das sei zwar unwahrscheinlich, sagte Fachmann Löw. »Aber im extremsten Fall (...) kann es einen Bergsturz geben. Das ist etwas, wobei mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 200 Kilometern in der Stunde der Hang herab donnert, in 30 Sekunden im Dorf ist und das Dorf zerstört.«

Der Klimawandel macht Felsstürze in manchen Gegenden wahrscheinlicher, zum Beispiel dort, wo Permafrost auftaut, Schutt und Geröll Halt verlieren oder Wasser in Felsspalten eindringt und der Druck Felsstücke absprengt. In Brienz spielt dies nach Angaben von Löw aber keine Rolle. Es gebe keinen auftauenden Permafrost und es sei kein Zusammenhang zwischen den jährlichen Niederschlägen und der Fließgeschwindigkeit des Geländes festgestellt worden.