»Operative Schwierigkeiten«
Folge der Sanktionen gegen Rußland: In den Niederlanden mußte die Amsterdam Trade Bank Insolvenz anmelden
Das Bezirksgericht in Amsterdam erklärte am 22. April die kleine Amsterdam Trade Bank (ATB) für insolvent. Die Bank hatte selbst den Antrag gestellt, teilte das Unternehmen auf seiner Homepage mit. Die Gründe: »operativen Schwierigkeiten«, weil sie eine Tochter der russischen Alfa-Bank ist, die auf der Sanktionsliste der USA und Britanniens steht, nicht aber auf derjenigen der Europäischen Union, wie Reuters meldete.
Am selben Tag bereits konnten die mehr als 23.000 privaten Kontoinhaber kein Geld mehr abheben. Die Konten waren eingefroren. Die Bank wollte damit einen Run auf die Spareinlagen verhindern. Die ATB soll zuvor noch versucht haben, Investoren zum Kauf der Bank zu bewegen, berichtete das »Financieele Dagblad«. Nach Angaben der niederländischen Zentralbank DNB (De Nederlandsche Bank) leben fast 6.000 der Kontoinhaber in Deutschland.
Die DNB beschloß ferner, das »Einlagensicherungssystem« anzuwenden. Rund 700 Millionen Euro stünden dafür zu Verfügung, so die Zentralbank. Der Einlagensicherungsfonds wird seit 2016 von allen Banken in den Niederlanden aufgebaut und enthalte inzwischen mehr als drei Milliarden Euro. »Die DNB wird den anspruchsberechtigten Kontoinhabern der ATB einen Betrag bis zu einer Höhe von 100.000 Euro pro Person auszahlen«, versicherte die Zentralbank auf ihrer Homepage. Zusätzlich gibt es eine Garantie bis 500.000 Euro für Geld, das im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf einer Privatwohnung auf Konten der ATB liegt.
Die Nederlandsche Bank wollte dazu auf ihrer Internetseite ein Webportal für Anspruchsberechtigte eröffnen. »Nach Mitteilung des Kontos überweist die DNB die Entschädigung innerhalb weniger Arbeitstage«, so die DNB. Kontoinhaber, die nicht in den Niederlanden leben, können der Zentralbank mitteilen, wo sie ihre Entschädigung bekommen wollen. »Privatsparer nutzten die ATB bislang vor allem zur Anlage von Festgeldern. Mit Hilfe des Geldes der privaten Sparer könnte die FIBR Geld an kleine und mittlere Unternehmen in Europa verleihen«, erklärte die Stiftung Warentest im Januar des Jahres. Vorher vergab sie vor allem Kredite an Schiffahrtsunternehmen.
Die Amsterdam Trade Bank ist als niederländisches Unternehmen nicht selbst von den westlichen Sanktionen gegen Rußland betroffen. Aber sie richten sich auch gegen die Besitzer der russischen Alfa-Bank, der ATB-Mutter. Für andere Banken und die Geschäftspartner sei es »schwierig, uns weiterhin zu unterstützen«, hieß es auf ATB-Homepage. Der Bankverkehr ist dadurch offenbar zum Erliegen gekommen. Kunden berichteten auf der Plattform homefinance.nl, sie könnten kein Geld von ihrem Konto bei der ATB auf ein Konto der Rabobank, ABN Amro oder bei ING überweisen.
Laut dem von der ATB veröffentlichten Jahresbericht 2020 hielt die Alfa Bank 76,4 Prozent des Kapitals der ATB. Die Alfa Bank ist mit einem verwalteten Vermögen von 5,4 Billionen Rubel die viertgrößte systemrelevante Bank Rußlands. Der Rest des ATB-Kapitals wird von einer Gesellschaft namens ATB Holdings SA (12,3%) und einer zweiten Gesellschaft namens ABH Holdings SA (5,6%) gehalten. Beide sind in Luxemburg registriert.
Die Alfa-Bank ist die größte Privatbank in Rußland. Sie befindet sich größtenteils in den Händen von zwei milliardenschweren russischen Staatsbürgern, die aufgrund ihrer angeblich »guten Beziehungen zum Kreml« seit Ende Februar auf der schwarzen Liste des Westens stehen. Der eine ist Michail Fridman, der andere Pjotr Awen. Beide sind jüdischen Glaubens, Fridman ist im ukrainischen Lwow geboren und besitzt außerdem die israelische Staatsbürgerschaft. Fridman und Awen gelten als gute Bekannte des früheren israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu.
Beide bezeichnen die Sanktionen als »falsch und unbegründet«. Sie kündigten an, sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln anzufechten. Sie hätten weder »finanzielle noch politische Beziehungen« zum Präsidenten Rußlands, Wladimir Putin. Tatsächlich erklärte Fridman in einer Stellungnahme vom 1. März, daß der Krieg keine Probleme löse und so schnell wie möglich beendet werden müsse. Die gegen ihn und andere russische Geschäftsleute verhängten Sanktionen hätten keinerlei Auswirkungen auf die politischen Entscheidungen des Kreml. Das stimmt wohl. Aber sehr wohl auf die Kunden der ATB in den Niederlanden und in Deutschland – und die 150 Beschäftigten in Amsterdam.