Ausland12. Januar 2010

Kein Friedensprozeß in Nahost

Israel schürt mit ägyptischer Schützenhilfe die Spannungen

Israel hat verärgert auf US-Andeutungen über mögliche Sanktionen wegen des Stillstands im Nahost-Friedensprozeß reagiert. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Ne-tanjahu erklärte am Sonntag, für den Stillstand bei den Verhand-lungen sei die palästinensische Autonomiebehörde verantwort-lich. Israel habe dagegen bedeutende Schritte unternommen, um den Friedensprozeß voranzutreiben. Der US-Sondergesandte George Mitchell hatte zuvor in einem Fern-sehinterview angedeutet, daß Washington Sanktionen gegen Israel verhängen könnte, um Druck auszuüben und Zugeständnisse zu erreichen. Die USA könnten beispielsweise Kreditgarantien zurückhalten, erklärte Mitchell.

Die Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern waren bereits Ende 2008 wegen des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen abgebrochen worden. Die Palästinensische Autonomiebehörde um Präsident Mahmud Abbas fordert als Bedingung für eine Wiederaufnahme den Stopp des Siedlungsbaus in den von Israel völkerrechtswidrig besetzten palästinensischen Gebieten, was die Regierung Netanjahu kategorisch ablehnt.

Viele Palästinenser hoffen derweil, daß der innerpalästinensische Zwist zwischen Hamas und Fatah endlich beendet werden könnte. Ägypten, das zwischen beiden Seiten vermittelt, hat einen neuen Vorschlag vorgelegt, wonach die palästinensischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Juni stattfinden könnten. Die Fatah hat dem Vorschlag bereits zugestimmt, eine Äußerung der Hamas steht noch aus. Nicht nur im Gazastreifen wird die Vermittlerposition Ägyptens allerdings zunehmend in Frage gestellt, vor allem weil das Land seit 2007 die israelische Blockade gegen den Gazastreifen unterstützt. Zudem hat Ägypten damit begonnen, eine Stahlmauer entlang der Grenze zu bauen mit dem offensichtlichen Ziel, die Tunnel zu veröden, die den eingeschlossenen Menschen als Lebensader dient. Die Hamas bezeichnet den Bau als »Todesmauer«.

Hamaschef Khalid Meschaal besuchte Anfang des Jahres Saudi Arabien, um dort mehr Unterstützung für die innerpalästinensische Versöhnung zu erhalten. Ob die Saudis Einfluß auf Ägypten nehmen, die Stahlmauer gegen den Gazastreifen nicht zu bauen, ist unklar. Während des dreiwöchigen Gazakrieges 2008/09 machten die Saudis die Hamas mit verantwortlich für den israelischen Waffengang, die Unterstützung aus dem Iran behindere zudem einen neuen Friedensprozeß, heißt es in Riad. Auf die saudische Forderung nach Klarstellung, »was die Orientierung und Ziele der Hamas sind«, versicherte Meschaal, seine Organisation stehe klar an der Seite der arabischen Welt. Das wiederholte er auch in Bahrain und Kuwait. Die Fatah wird von den USA und der EU sowie deren Verbündeten unterstützt, die Hamas erhält Rückendeckung von Syrien, Libyen und dem Iran, die im Westen als Pariastaaten denunziert werden.

Auch Abbas reiste zu seinen arabischen Verbündeten, in der syrischen Hauptstadt hält sich hartnäckig das Gerücht, er werde noch im Januar auch mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und Hamasführer Kahlid Meschaal in Damaskus zusammentreffen. BRD-Außenminister Westerwelle besprach derweil den Friedensprozeß im Mittleren Osten in der Türkei, Saudi Arabien und Katar. Deutsche Geheimdienstmitarbeiter vermitteln seit Wochen zwischen Israel und der Hamas, um eine Freilassung des vor dreieinhalb Jahren von palästinensischen Milizen gefangen genommenen israelischen Soldaten Gilad Shalit zu erreichen. Die Verhandlungen ziehen sich seit Wochen hin, Israel besteht darauf, daß ein Teil der rund tausend freizulassenden Palästinenser nicht in den Gazastreifen zurückkehren darf, sondern ins Exil geschickt werden muß. Die Hamas will, daß die Betroffenen das selber entscheiden.

Der deutsche Unterhändler verzögere das Verhandlungsergebnis, erklärte inzwischen der stellvertretende Hamasvorsitzende, Moussa Abu Marzuk in der Sonntagsausgabe der Tageszeitung »Al Hayat«: »Der Unterhändler hätte resoluter auftreten können«, so Marzuk, doch der Deutsche »ist nicht der erste Unterhändler und wird nicht der letzte sein«. Sollten die Gespräche scheitern, »wird Netanjahu verantwortlich sein«.

Israel hat derweil erneut seine tödliche Macht gegenüber den Palästinensern in Gazastreifen demonstriert. Am Sonntagmorgen töteten Schüsse aus israelischen Panzern zwei Palästinenser im Norden des Palästinensergebiets, unweit der Grenze. Die Männer hatten Schrott gesammelt, berichteten Augenzeugen dem arabischen Nachrichtensender Al Dschasira. Israel behauptete hingegen, die Männer hätten einen Raketenangriff vorbereit.

Karin Leukefeld