Leitartikel19. März 2022

Wenn ein Artikel gegen Russenhass schon fast ein Verbrechen ist

von Ali Ruckert

Wir leben wahrlich in finsteren Zeiten, in denen ein journalistischer Beitrag gegen Russenhass schon fast ein Verbrechen ist.

Während der vergangenen Tage haben wir erlebt, wie Engstirnigkeit und Dummheit sich Bahn brachen, als der Escher Gemeinderat einstimmig beschloss, das geplante Monument für die von den Nazis verschleppten sowjetischen Zwangsarbeiter »auf Eis« zu legen, und der Bürgermeister der Stadt Mondorf den Direktor des Thermalbads bat, die nahe dem Luftfahrtmuseum aufgestellte Büste des sowjetischen Kosmonauten und ersten Menschen im Weltall, Juri Gagarin, zu verhüllen.

Weder die von den Nazis versklavten und ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter, noch der sowjetische Kosmonaut haben etwas mit dem Krieg zu tun, den Russland gegenwärtig in der Ukraine führt und werden dennoch in Sippenhaft genommen. Werden demnächst Bücher von Dostojewski und Tolstoi verbrannt?

Der Krieg der Engstirnigkeit gegen die Vernunft findet mit dem von den Herrschenden angestachelten Russenhass reichlich Munition und bedient sich, wie so oft in der Vergangenheit, antikommunistischer Hetze, um Andersdenkende niederzuhalten.

  Gleich am ersten Kriegstag und anschließend noch mehrere Male stellte die Kommunistische Partei klar, dass sie den Krieg von Russland in der Ukraine ablehnt und für einen sofortigen Waffenstillstand und eine Lösung am Verhandlungstisch eintritt. Aber das wird generell nicht zur Kenntnis genommen.

Es herrscht offenbar Einigkeit darin, die Kommunisten zu Putin-Anhängern zu erklären, ihnen zu unterstellen, sie würden den Krieg in der Ukraine unterstützen und sie, wie im »Tageblatt« geschehen, in die Nähe von Faschisten zu rücken, was besonders schamlos ist, da die Kommunisten als einzige politische Partei Widerstand leisteten, als die deutschen Faschisten im Jahr 1940 unser Land besetzten.

Begleitet ist diese Hetzkampagne von einem Angriff auf die Pressefreiheit und den Pressepluralismus. Keine Überraschung ist, dass dabei gewisse Kreise aus der CSV vorangehen.

Davon zeugt eine parlamentarische Frage der CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Diane Adehm, in welcher der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«, ohne dass ihr Name fällt, unterstellt wird, Desinformation und pro-russische Propaganda zu betreiben.

Die CSV-Abgeordneten bemühen sich erst gar nicht, dies nachzuweisen, denn sie wissen selbst, dass ihre Behauptung völlig aus der Luft gegriffen ist, aber es gibt ihnen Gelegenheit, Medienminister Xavier Bettel nahezulegen, die staatliche Pressehilfe »für eine bestimmte Luxemburger Tageszeitung«, die »Russland als Aggressor unterstütze«, zu kürzen oder zu streichen. Die inhaltliche Ausrichtung, die notwendig sei, um in den Genuss der Pressehilfe zu kommen, sei nicht mehr gegeben, heißt es.

Das ist ein Frontalangriff den Pressepluralismus und zielt darauf ab, die weitere Herausgabe der »Zeitung«, die oft gegen den Strom schwimmt und den reaktionären Kreisen seit jeher ein Dorn im Auge ist, zu behindern beziehungsweise unmöglich zu machen, indem sie von der staatlichen Pressehilfe abgeschnitten wird.

Auch wenn es noch nicht bis zu Nachfolgern der Maulkorbjünger durchgedrungen sein sollte: Die staatliche Pressehilfe wurde nicht geschaffen, um den Medien Inhalte zu diktieren und sie gleichzuschalten, sondern um den Pressepluralismus und den Qualitätsjournalismus zu fördern, wie das für die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« zutrifft.

Russenhass und Maulkorbphantasien sollten daran nichts ändern.