Luxemburg29. Juni 2022

Soziale Ungleichheiten in Luxemburg (6)

Jeder 3. Jugendliche hat nur einen befristeten Arbeitsvertrag

von Ali Ruckert

Soziale Ungleichheiten gibt es bei den Einkommens- und Lohnverhältnissen, es gibt sie aber auch bei den Arbeitsverhältnissen, wie aus dem »Sozialpanorama« der »Chambre des salariés« hervorgeht.

Unbefristete Arbeitsverträge haben in Luxemburg immer noch mehr als 90 Prozent aller Beschäftigten, aber seit 2010 nahm der Anteil der zeitlich befristeten Arbeitsverträge von Jahr zu Jahr zu.

 Ab 2019 ging der Anteil der befristeten Arbeitsverträge im Vergleich zur Gesamtzahl der Arbeitsverträge allerdings etwas zurück, so dass man annehmen darf, dass zahlreiche befristete Arbeitsverträge wegen der zunehmenden Krisenerscheinungen und der Pandemie nicht verlängert wurden. Trotz dieser Entwicklung gibt es heute immer noch bedeutend mehr befristete Arbeitsverträge als vor zehn Jahren.

Besonders hart betroffen von dieser Entwicklung sind Jugendliche. Mehr als ein Drittel der jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren haben einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag, was oft dazu führt, dass sie mit prekären Lebensbedingungen zu kämpfen haben, wenn sie etwa nicht von ihren Eltern finanziell unterstützt werden. Und welche Bank gibt einem 20-jährigen mit befristetem Arbeitsvertrag schon einen Kredit?

Vor große Schwierigkeiten gestellt sehen sich, neben den Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen, auch die Leiharbeiter, auf die Unternehmen aus dem Bauwesen, der verarbeitenden Industrie und dem Handel besonders oft zurückgreifen.

Sie sind ein Teil der Reservearmee, auf welche die Kapitalisten entsprechend ihrem Bedarf bequem zurückgreifen können und denen sie sich im Falle konjunktureller Probleme schnell wieder entledigen können. 

95 Prozent der Leiharbeiter sind keine Luxemburger

Zwischen 2010 und 2019 nahm die Zahl der Leiharbeiter stark zu. Während der Pandemie ging deren Zahl innerhalb weniger Wochen von 8.600 auf 6.000 zurück, doch 2021 beschäftigten die Unternehmen wiederum 8.200 Leiharbeiter, unter ihnen 20 Prozent Frauen.

Die große Mehrheit der Leiharbeiter (rund 70 Prozent) kommen aus dem belgischen, dem französischen und dem deutschen Grenzgebiet, weitere 25 Prozent wohnen wohl in Luxemburg, haben aber nicht die Luxemburger Nationalität. Das ist einer der Gründe, weshalb deren Probleme kaum, beziehungsweise gar nicht von der politischen Klasse zur Kenntnis genommen werden, geschweige denn, dass Gesetze gemacht würden, welche die Überausbeutung der Leiharbeiter einschränken würden.

Mit atypischen Arbeitsverhältnissen und allen Nachteilen die sich daraus ergeben, haben auch die entsendeten Lohnabhängigen zu kämpfen. 2019 gab es mehr entsendete Arbeiter als Leiharbeiter. Während der Pandemie ging deren Zahl weniger stark zurück, aber die Nachfrage nach entsendeten Arbeitern ist heute deutlich weniger groß als das für Leiharbeiter der Fall ist.

Fast jeder 5. Lohnabhängige ist teilzeitbeschäftigt

Neben den Lohnabhängigen mit befristeten Arbeitsverträgen, den Leiharbeitern und den entsendeten Beschäftigten, nahm auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten während der vergangenen Jahre zu. Im Jahr 2020 waren 18,1 Prozent aller Beschäft8igten in Luxemburg Teilzeitarbeiter, unter ihnen knapp 80 Prozent Frauen.

Einer der Hauptgründe, weshalb weibliche Lohnabhängige Teilzeitarbeit verrichten, sind familiäre Zwänge – Kindererziehung und Bestreuung von älteren Familienangehörigen. Immer mehr Teilzeitbeschäftigte – elf Prozent der Frauen und 14,3 Prozent der Männer – würden lieber Vollzeit arbeiten, denn Teilzeitbeschäftigung bedeutet auch weniger Einkommen, was besonders die Lohnabhängigen zu spüren bekommen, die in Bereichen arbeiten, in denen vorwiegend Mindestlöhne bezahlt werden.