Ausland27. Juli 2018

Bunkermentalitäten

65 Jahre nach dem Ende des Koreakrieges 1953 steht ein Friedensvertrag noch immer aus.

»Vom 25. Juni 1950 bis zum 27. Juli 1953«, hieß es in dem am 23. Juni 2001 in New York verkündeten Urteil des »Korea International War Crimes Tribunal« unter dem Vorsitz des ehemaligen USA-Ju­stizministers Ramsey Clark, »kamen nach konservativen westlichen Schätzungen über 4,6 Millionen Koreaner ums Leben, einschließlich drei Millionen Zivilisten im Norden und 500.000 Zivilisten im Süden der Halbinsel«. Zirka 40.000 UNO-Soldaten (davon 36.000 US-Amerikaner) verloren in Korea ihr Leben. Wenngleich in der Vergangenheit die Opferzahlen der chinesischen Volksfreiwilligenverbände mit weit über 300.000 Personen angegeben wurden, bezifferte China laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Xinhua vom 27. Oktober 2010 diese auf 183.108 Soldaten und Offiziere – unter ihnen auch der älteste Sohn von Mao Zedong, Mao Anying.

In keinem vorangegangenen Krieg war die Zahl der zivilen Opfer so hoch wie im Koreakrieg. Ganze Landstriche waren auf Jahre verwü­stet, Deiche gezielt von USA-Kampfbombern gesprengt worden. Sämtliche größeren Städte glichen Ruinenlandschaften. Allein in Pjöngjang waren bei Kriegsende nur knapp ein halbes Dutzend Häuser halbwegs unversehrt geblieben. In Korea wurden mehr Napalmbomben abgeworfen als später in Vietnam. Und ihre Wirkung war verheerender, weil es im Norden Koreas mehr Ballungszentren mit einer größeren Bevölkerungsdichte und mehr innerstädtische Industrieanlagen gab als in Nordvietnam.

In pausenlosen Einsätzen klinkte die US Air Force aus B-29-Bombern ihre tödliche Fracht aus und beschränkte sich nicht nur auf großflächiges Dauerbombardement. Vor allem war es der Oberbefehlshaber der kombinierten USA- und UNO-Streitkräfte, Douglas MacArthur, der mit dem Einsatz atomarer und chemischer Waffen gedroht hatte. MacArthur hätte den Krieg am liebsten mit dem Abwurf von 30 Atombomben über das gesamte Grenzgebiet zur Mandschurei »verkürzt«. Anschließend hätte er am Yalu, dem Grenzfluß zwischen Nordkorea und China, eine halbe Million »nationalchinesischer« Soldaten, die sich nach ihrer Niederlage 1949 vom Festland nach Taiwan abgesetzt hatten, eingespannt, um zwischen dem Ostmeer und dem Gelben Meer einen mit radioaktivem Kobalt verseuchten Landgürtel zu schaffen.

Das ging selbst USA-Präsident Harry S. Truman zu weit. Nach einem Krisentreffen mit MacArthur auf der Pazifikinsel Wake gab Truman am 11. April 1951 vor der internationalen Presse die Absetzung MacArthurs bekannt und schloß seine Erklärung mit den Worten: »Wir bemühen uns, einen dritten Weltkrieg zu verhindern.«

Erst nach zähen, immer wieder unterbrochenen Verhandlungen kam es am 27. Juli 1953 in dem unwirtlichen Ort Panmunjom auf der Höhe des 38. Breitengrads zum Waffenstillstandsabkommen. Unterzeichnet wurde dieses lediglich von der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik, der Volksrepublik China und den beiden USA-Generälen Mark W. Clark und William K. Harrison im Namen der aus 15 Staaten bestehenden Streitmacht der UNO – darunter auch Luxemburg. Südkoreas Präsident Rhee Syngman hingegen weigerte sich nicht nur, das Abkommen zu unterschreiben. Er wollte den Krieg fortsetzen. Erst als die USA-Regierung einem bilateralen »Sicherheitspakt« zustimmte, ihr in Südkorea stationierter Oberbefehlshaber auch die Kommandogewalt über die südkoreanischen Truppen übernahm und der südkoreanischen Seite beträchtliche Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfe in Aussicht gestellt wurden, erklärte sich Rhee bereit, die Waffenstillstandsklauseln zu respektieren.

Seit Jahresbeginn 2018 haben die Regierungen Süd- und Nordkoreas im Zuge ihrer neuerlichen Annäherung nun die Überführung des Waffenstillstandsabkommens von Panmunjom in einen endgültigen Friedensvertrag auf die Agenda gesetzt. Beide Staaten begehen am 15. August beziehungsweise am 9. September den 70. Jahrestag ihrer Gründung – möglicherweise ein Ansporn, den entsprechenden Durchbruch zu erzielen.

Rainer Werning

Die Grenzlinie zwischen Nord- und Südkorea in Panmunjom. Bis heute stehen Soldaten der USA auf der südkoreanischen Seite der Grenze (Foto: EPA)