Deutliche Botschaft des Generalsekretärs der libanesischen Hisbollah an Israel:
»Ihr seid es, die vor einem Krieg mit uns Angst haben müßt«
In einer deutlichen Botschaft an die israelische Regierung, Armee, Siedler und politischen Eliten hat der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah am Mittwochabend die israelischen Kriegsdrohungen gegen den Libanon zurückgewiesen. »Ihr seid es, die vor einem Krieg mit uns Angst haben müßt«, sagte Hassan Nasrallah in einer übertragenen Videobotschaft.
Die Rede des Generalsekretärs war vor einer Woche zum Gedenken an Talib Abdallah (Abu Talib), einen der ranghöchsten Hisbollahkommandeure, angekündigt worden, den Israel am 11. Juni gezielt ermordet hatte. Nasrallah würdigte Abdallah für seine »starke religiöse Überzeugung, seine Moral und Bescheidenheit«. Talib Abdallah hatte sich in den 90er Jahren der Hisbollah angeschlossen. Er sei der erste Feldkommandeur gewesen, der »die südliche Libanonfront in Unterstützung für Gaza begonnen« habe, sagte Nasrallah.
Der Generalsekretär nahm den Termin zum Anlaß, detailliert auf die anhaltenden Kriegsdrohungen Israels gegen den Libanon zu antworten. Das Land wolle keinen Krieg, werde sich aber verteidigen, wenn es angegriffen werde. Angesichts der »bestehenden Tatsachen« seien die Drohungen Israels unrealistisch, sagte er. »Wenn uns Krieg aufgezwungen wird, wird der Widerstand ohne Kontrolle, Regeln oder Obergrenzen kämpfen«, so Nasrallah. Die USA und Israel wüßten, wenn ein Krieg gegen den Libanon beginne, werde das in der gesamten Region Auswirkungen haben. Er sei »überzeugt, daß Amerika Angst um das Gebiet des Feindes (Israel) hat und der Feind muß auch Angst haben« so Nasrallah, der ein bedrohliches Szenario im Falle eines Kriegs zeichnete.
Den Krieg in Gaza stoppen
Israel werde »zu Land, auf dem Meer und in der Luft« auf Widerstand treffen, »kein Ort in Israel wird vor unseren Raketen und Drohnen sicher sein«. Alle Küsten und Schiffe würden zu Zielen. Die Hisbollah habe eine »vollständige und reale Liste von Zielen und die Möglichkeit, diese Ziele zu erreichen«, so Nasrallah weiter. Das werde »die Grundfesten« des Staates Israel lähmen. Ein Vorrücken nach Galiläa bleibe für den Widerstand eine Möglichkeit, werde aber davon abhängen »wie die Konfrontation sich entwickelt«.
Nasrallah erläuterte erneut den Grund für die gemeinsamen Angriffe von Hisbollah, Islamischem Widerstand Irak und Ansar Alla/Huthi im Jemen auf militärische Ziele in Israel, das nun mit der Ausweitung der Fronten vor einem »Dilemma« stünde. Sollte Israel die Kämpfe zu einem Krieg ausweiten, werde es eine »nie dagewesene Reaktion« erhalten. Alle Kontrollmechanismen, an die sich der Widerstand bisher halte, werde es dann nicht mehr geben. Man verfüge über mehr als 100.000 Kämpfer, neue Waffen und einen großen Waffenbestand, den Hisbollah teilweise selbst herstelle. »Wir kämpfen den größten Kampf seit 1948 und die Unterstützungsfront muß den Krieg gegen Gaza stoppen.«
Warnung an Zypern
An die Regierung Zyperns gewandt erklärte Nasrallah, wer die Flughäfen der Insel israelischen Kampfjets zur Verfügung stelle, mache sich zum »Teil des Krieges«. Das werde die Grundlage sein, auf der man damit umgehen werde. Die Regierung in Nikosia reagierte prompt. Die Republik Zypern sei »in keiner Weise in diesen Krieg involviert«, erklärte der zypriotische Präsident Nikos Christodoulidis. Zypern sei »Teil der Lösung, nicht des Problems«. Das Libanesische Außenministerium bestätigte die guten Beziehungen beider Länder, die »auf langer, historischer und diplomatischer Kooperation« basierten. Gleichwohl gab es in Zypern seit Beginn des Gazakriegs immer wieder Proteste vor den beiden britischen Luftwaffenstützpunkten Akrotiri und Dekelia. Die britische Luftwaffe unterstützt Israel im Krieg gegen Gaza und die israelischen Streitkräfte haben wiederholt an »Anti-Terror«-Übungen auf Zypern teilgenommen.
Amos Hochsteins Mission ohne Ergebnis
Nasrallah nahm auch die Gelegenheit wahr, auf die Vermittlungsmission des Beraters des USA-Präsidenten, Amos Hochstein, zu reagieren. Der hatte versucht, die Interimsregierung in Beirut zu bewegen, Hisbollah zum Einlenken gegenüber Israel zu drängen. Der amtierende Premier Najib Mikat erklärte, wenn der Krieg in Gaza stoppe, würden auch im Libanon die Waffen schweigen. Gleichzeitig hatte Hochstein Zeitungsberichten zufolge in Beirut offenbar angefragt, ob Hisbollah die Hamas davon überzeugen könnte, den Vorschlag von USA-Präsident Joe Biden für einen Waffenstillstand in Gaza zu akzeptieren. Das, was dem Widerstand in Palästina vorgelegt worden sei, nutze nicht den Palästinensern, sondern Israel, sagte Nasrallah. Ein Ende des Krieges werde nicht garantiert. Weder die USA noch andere Parteien könnten Druck auf den palästinensischen Widerstand ausüben.
Der politische Führer der Hamas, Ismail Haniyeh, hatte sich in einer Rede zum Opferfest am vergangenen Sonntag an die Öffentlichkeit gewandt und alle Seiten aufgefordert, Resolution 2735 des UNO-Sicherheitsrats vom 10. Juni einzuhalten, mit der ein Waffenstillstand gefordert wird. Trotz der Blockadehaltung Israels würden die Hamas und die Widerstandsfraktionen an ihrer Verpflichtung festhalten, einen dauerhaften Waffenstillstand, den umfassenden Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und einem Gefangenenaustausch zu erreichen. Die Lösung »gegen den israelischen Vernichtungskrieg im Gazastreifen« und für die Freilassung der Gefangenen seien Verhandlungen, die zu einer »umfassenden Vereinbarung führen müssen«, so Haniyeh.
Spannungen zwischen Netanjahu und Armee
In Israel werden derweil zunehmend Spannungen zwischen Premierminister Benjamin Netanjahu und der Armee deutlich. Nachdem die israelische Zeitung »Yedioth Ahronot« den Oberkommandierenden der Streitkräfte, Herzi Halevi, mit einem Ratschlag an Netanjahu zitierte, man solle aus dem Gazastreifen abziehen und erklären, »wir haben gewonnen«, sorgten am Donnerstag Aussagen von Armeesprecher Daniel Hagari im israelischen Fernsehsender Kanal 13 für Aufregung. »Die Hamas kann nicht zerstört werden, Hamas ist eine Idee«, sagte Hagari. »Diejenigen die meinen, man dann sie einfach verschwinden lassen, täuschen sich. Sie ist die Muslimbruderschaft.« Die israelische Regierung müsse »etwas unterstützen, das die Hamas ersetzen« könne. Die Bevölkerung müsse merken, daß es jemand anderen gebe, »der Essen verteilt und die öffentliche Versorgung organisiert«. Zusagen, die Hamas könne zerstört werden, führe die Öffentlichkeit in die Irre, so Hagari. »Wenn wir nicht jemand anderen nach Gaza bringen, werden wir wieder die Hamas haben.«
Das Büro des israelischen Regierungschefs Netanjahu wies die Äußerungen scharf zurück. Das Sicherheitskabinett habe »die Zerstörung der militärischen und politischen Fähigkeiten der Hamas als eines der Kriegsziele genannt«, hieß es in einer Erklärung. »Die israelischen Streitkräfte sind daran gebunden.«