Leitartikel07. August 2009

Vor einem heißen Herbst?

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Am 15. August – an einem der meistbegangenen katholischen Feiertage also – sollen bei Duscholux die ersten blauen Briefe verschickt werden. Insgesamt wird durch die Betriebsschließung in Mensdorf, wie seit Montag dieser Woche bekannt, 56 Beschäftigten der Stuhl vor die Tür gesetzt. Und da eine »kalte Dusche« selten ohne direkten Folgen bleibt, beschloss im gleichen Atemzug auch Belaton, ein mit dem Schweizer Badezimmerausstatter eng verflochtenes Unternehmen, sich von 17 seiner 37 Beschäftigten in Sandweiler zu trennen. 73 Entlassungen demnach auf einen Schlag. Die unbefleckte Frau Maria dürfte sich wahrhaftig humanere Gaben zu ihrem Feiertag erhofft haben.

Dabei dürfte es sich bei diesen Entlassungen nur um die Spitze des berühmten Eisbergs handeln. Die Gefahr ist jedenfalls riesengroß, dass in den nächsten Wochen und Monaten weitere folgen werden. Fakt ist, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt dramatisch zuspitzen wird. Nach der Entscheidung der CSV, dem Juniorpartner LSAP für die Dauer der kommenden Legislaturperiode das Arbeitsministerium zuzuschustern, dürfte der neue Arbeitsminister jedenfalls nur wenig Freude haben.

Denn allein schon der bereits angekündigte Arbeitsplatzabbau wird es in sich haben. Zur Erinnerung diese zwei Beispiele: Durch die Einstellung der Produktion werden im Jahr 2010 bei Villeroy & Boch weit über 200 verdienstvolle Mitarbeiter/innen auf die Straße gesetzt, und in der Stahlindustrie werden im Rahmen von »Lux2011« um die 600 Posten wegradiert. Dabei wütet der Rotstift auch in anderen Wirtschaftssektoren. So beklagt die Aleba, dass in den letzten 12 Monaten 545 Jobs am Finanzplatz verschwanden. Tendenz weiter steigend, zumal Gerüchte nicht abreißen wollen, dass auch in den wenigen verbliebenen luxemburgischen Bankinstituten in den kommenden Monaten ein merklicher Postenabbau bevorstehen dürfte.

Wie sieht die Zukunft bei Goodyear und bei DuPont aus? Was geschieht auf Dauer mit den Tausenden von Kurzarbeitern aus den anderen Betrieben und Wirtschaftssektoren, sollte die Konjunktur nicht kurzfristig wieder anziehen? – wobei gute Aussichten dazu nicht in Sicht sind. Wie wird es bei mehr als 25% weniger erteilten Baugenehmigungen in den nächsten Monaten um den Bausektor bestellt sein? Wie lange wird es bei sinkender Kaufkraft noch ohne Arbeitsplatzabbau im Einzelhandel gehen? Und wie wird es um die Zukunft der vielen Betriebe in der Klein- und Mittelindustrie bestellt sein, die infolge der Finanz-, Wirtschafts- und Systemkrise zunehmend auf wackligeren Beinen stehen, … und über die in der breiten Öffentlichkeit kaum oder nicht geredet wird? Alles Fragen, die keinesfalls allein den neuen Arbeitsminister beschäftigen dürften.

Dabei ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt mit mehr als 17.000 Arbeitsuchenden (Arbeitslose + Beschäftigungsmaßnahmen + skandalöses Invaliditätsgesetz) bereits katastrophal. In Erwartung der Schulabgänger, die in den nächsten Monaten in den Statistiken der Adem zu finden sein werden, wahrhaftig beängstigende Aussichten. Direkt dramatisch erweist sich die Situation für mehr als die Hälfte aller Eingeschriebenen – Langzeitarbeitslose, Arbeitsuchende über 40 und Menschen mit nur geringer Qualifikation –, die kaum Aussicht auf Arbeit haben werden.

Wird es den zwei Regierungsparteien weiter sowohl an Alternativen und am politischen Willen fehlen, um kurzfristig neue Arbeitsplätze zu schaffen und sich im Interesse arbeitswilliger Menschen mit dem Patronat auseinanderzusetzen, ist nicht ausgeschlossen, dass dem Land ein heißer Herbst bevorstehen wird.

gilbert simonelli