Ausland25. Juni 2020

Erster »heißer« Konflikt im Kalten Krieg

Vor 70 Jahren, am 25. Juni 1950, begann der Koreakrieg, der die Welt an den Rand des Dritten Weltkriegs brachte

Sehnlichst hatten die Koreaner gehofft, das Ende des Zweiten Weltkriegs werde ihnen nach 35-jähriger japanischer Kolonialherrschaft (1910 bis 1945) endlich Unabhängigkeit und Freiheit bescheren. Doch bereits vor Kriegsende hatten sich die späteren Siegermächte USA und Sowjetunion darauf verständigt, Korea entlang des 38. Breitengrads in zwei Besatzungszonen aufzuteilen und das Land zunächst treuhänderisch zu verwalten.

Nördlich des 38. Breitengrads hatte die Rote Armee das Sagen und protegierte den antijapanischen Partisanenverband des späteren Präsidenten Kim Il-Sung. Südlich davon kontrollierten die USA das politische Geschehen. Washington verhalf dort dem eigens aus US-amerikanischem Exil nach Seoul eingeflogenen Rhee Syngman zur Macht – entgegen dem Willen der damals überall in Korea rasch entstandenen Volkskomitees. Diese waren Ausdruck einer breiten Massenbewegung, deren vorrangiges Ziel darin bestand, die eigenen Belange selbstbestimmt und demokratisch zu regeln.

Während Einheiten der Roten Armee bereits Mitte August 1945 in Korea einmarschierten und Halt am 38. Breitengrad machten, landete erst am 8. September die 7. USA-Infanteriedivision in Incheon an der Westküste Koreas. Von den überaus populären Volkskomitees nahmen die Besatzungstruppen unter Führung von General John R. Hodge keine Notiz. Statt dessen entstand südlich des 38. Breitengrads die US-amerikanische Militärregierung in Korea (»United States Army Military Government in Korea«, kurz: USAMGIK.

Im September 1946 erließen die USA-Behörden Haftbefehl gegen namhafte kommunistische Führer. Diese setzten sich daraufhin in den nördlichen Landesteil ab. Überhaupt: Alle, die im südlichen Landesteil in der Kunst- und Kulturszene, im Literatur- und akademischen Betrieb und als kritische Intellektuelle Rang und Namen hatten, zogen es aufgrund des repressiven Klimas im Süden vor, sich nördlich des 38. Breitengrads niederzulassen. Dort ließ die sowjetische Besatzungsmacht die Volkskomitees gewähren und warf zunehmend ihr politisches Gewicht für Kim Il-Sung in die Waagschale.

Entfremdung, Teilung, Krieg

Im November 1947 beschloß die Vollversammlung der Organisation der Vereinten Nationen (UNO), die sich damals mehrheitlich aus Vertretern proamerikanischer Staaten zusammensetzte, die Gründung einer Provisorischen Kommission für Korea. Als Reaktion auf diese Internationalisierung der Koreafrage verweigerte die Sowjetunion Vertretern der Kommission die Einreise in den von ihr kontrollierten Norden. Im Gegenzug propagierten Washington und die Korea-Kommission die Durchführung separater Wahlen zur Nationalversammlung im südlichen Landesteil. Somit waren eine fortschreitende Entfremdung und getrennte Wege auf der koreanischen Halbinsel programmiert.

Das führte in der Folge dazu, daß Rhee Syngman am 15. August 1948 die Republik Korea und Kim Il-Sung am 9. September 1948 in der Hauptstadt Pjöngjang die Demokratische Volksrepublik Korea ausriefen. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Regierungen bestand darin, daß unter Rhee ehemalige japanische Kollaborateure fortan tonangebend waren, während Kim und seine Gefolgsleute allesamt in antijapanischen Partisanentruppen gekämpft hatten. Beide Staaten beanspruchten jeweils für sich, legitimer Sachwalter des einen Korea zu sein. Noch herrschte ein labiles Gleichgewicht, wenngleich selbst USA-Außenminister Dean Acheson mehrfach gerügt hatte, wie launisch und unkalkulierbar Südkoreas Präsident handelte. Dieser hatte mehrfach lauthals verkündet, für einen Waffengang gerüstet zu sein und »im Marsch gen Norden Pjöngjang innerhalb von drei Tagen zu erobern«.

Wiederholt verübte der Süden militärische Angriffe nördlich des 38. Breitengrads, die begangen zu haben sich südkoreanische Offiziere brüsteten. Ein Ziel dieser Angriffe war die Halbinsel Ongjin, die, wenn sie eingenommen worden wäre, den Truppen Rhee Syngmans einen direkten und raschen Zugang zu Pjöngjang ermöglicht hätte. Vieles spricht dafür, daß im Nordwesten der Demarkationslinie – nahe der Stadt Haeju – südkoreanische Vorstöße auf erbitterten nordkoreanischen Widerstand stießen und nordkoreanische Verbände ihrerseits Vorstöße unternahmen und verstärkt militärische Kontingente in dieser Region massierten.

Im Morgengrauen des 25. Juni 1950 überquerten nordkoreanische Panzereinheiten die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrads. Ohne nennenswerte Gegenwehr rückten sie in Seoul ein und stießen binnen weniger Tage sogar bis kurz vor die Hafenstadt Busan im Süden vor. Rhees Truppen mangelte es an Motivation und Kampfkraft; scharenweise desertierten seine Soldaten und liefen zur anderen Seite über. Als General Douglas MacArthur, Oberkommandierender der vereinten USA- und UNO-Streitkräfte, nach Gegenoffensiven den Yalu, den Grenzfluß zwischen Nordkorea und der Volksrepublik China, erreichten, ließ das in Peking die Alarmglocken schrillen. Die chinesische Führung schickte am 19. Oktober 1950 Freiwilligenverbände nach Nordkorea, um dort, so die offizielle Version, »Krieg zum Widerstand gegen die USA und zur Hilfe für Korea« zu führen.

Immense Opferzahlen

Erst nach verlustreichen Kämpfen und zähen Verhandlungen kam es am 27. Juli 1953 in dem unwirtlichen Ort Panmunjom auf Höhe des 38. Breitengrads zum bis heute währenden Waffenstillstandsabkommen.

»Vom 25. Juni 1950 bis zum 27. Juli 1953« (die Zeitspanne der offenen Kriegshandlungen; Anm. d. Red.), hieß es in dem am 23. Juni 2001 in New York verkündeten Urteil des »Korea International War Crimes Tribunal« unter Vorsitz des ehemaligen USA-Justizministers Ramsey Clark, »kamen nach konservativen westlichen Schätzungen mehr als 4,6 Millionen Koreaner ums Leben, einschließlich drei Millionen Zivilisten im Norden und 500.000 Zivilisten im Süden der Halbinsel.«
Zirka 40.000 UNO-Soldaten (davon 36.000 US-Amerikaner) verloren in Korea ihr Leben. Wenngleich in der Vergangenheit die Opferzahlen der chinesischen Freiwilligenverbände mit weit mehr als 300.000 Menschen angegeben wurden, bezifferten chinesische Behörden diese laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua vom 27. Oktober 2010 mit lediglich 183.108 Soldaten und Offizieren – unter ihnen auch Mao Zedongs ältester Sohn Mao Anying.

Rainer Werning

US-amerikanische B-29-Bomber werfen vermutlich am 14. August 1950 Bomben auf eine Chemiefabrik in Komandong